Überschreitung der Finanzkompetenzen
28.06.2024 GesundheitswesenDie Finanzkommission des Grossen Rates (FiKo) teilt die Einschätzung der Finanzkontrolle, dass bei der geplanten Übernahme des Spitals Zweisimmen durch die Medaxo AG die Finanzkompetenzen des Regierungsrates überschritten worden wären.
Wie die FiKo in einer Mitteilung schreibt, anerkennt sie die Schwierigkeiten der aktuellen Situation rund um die Sicherstellung der stationären medizinischen Versorgung der Region Zweisimmen. Ebenso anerkennt sie das grosse Engagement der Direktion für Gesundheit, Soziales und Integration (GSI) und insbesondere ihres Direktors Pierre-Alain Schnegg, zum Finden einer Lösung.
Aufgrund der aktuell vorliegenden Informationen stehe für die FiKo fest, dass im Zuge der Übertragung des Spitals Zweisimmen an die Medaxo AG die Finanzkompetenzen des Regierungsrates überschritten worden wären. Es sei geplant gewesen, dass auf Anweisung des Regierungsrates kantonale Mittel zur Erfüllung einer Staatsaufgabe direkt von der Spital STS AG an eine neue private Trägerschaft geflossen wären, was eine «Umgehung des Grossen Rates» dargestellt hätte. In der weiteren Bearbeitung des Geschäfts sei der «Einhaltung der geltenden Ausgabenkompetenzen und der kantonalen Public Corporate Governance-Richtlinien die nötige Beachtung zu schenken».
Ferner bedauere die Finanzkommission, wie in der vorliegenden Angelegenheit in den letzten Wochen Informationen an die Medien und die Öffentlichkeit gelangt seien. Diesem Punkt sei in der weiteren Bearbeitung höchste Beachtung zu schenken.
Spital STS AG: Thomas Straubhaar ist neuer VR-Präsident
GESUNDHEIT An der Generalversammlung der Spital STS AG wurden lediglich drei Verwaltungsräte neu gewählt. Die einzige Bisherige und Neugewählte ist Corinne Reuteler aus dem Saanenland. Noch sind nicht alle Plätze besetzt.
KEREM S. MAURER
Nachdem der Regierungsrat die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) mit der Vorbereitung der Verwaltungsratswahlen der Spital Simmental-Thun-Saanenland (STS) AG beauftragt hatte, fanden diese am vergangenen Mittwochabend statt. Da alle Verwaltungsräte bis auf Corinne Reuteler zuvor zurückgetreten waren (wir haben berichtet), konnten laut einer Mitteilung der GSI bislang nur zwei neue Verwaltungsräte und -rätinnen gewählt werden: Thomas Straubhaar als Präsident und Christine Schmid aus Bern. Als einzige bisherige Verwaltungsrätin wurde Corinne Reuteler wiedergewählt. «Der Verwaltungsrat der STS AG wird rasch mit weiteren Personen ergänzt», heisst es in der Mitteilung.
Rasche und gute Lösung finden
Der in Thun wohnhafte Gesundheitsökonom Thomas Straubhaar (siehe Kasten) ist seit über 30 Jahren im Gesundheitswesen, insbesondere im Spitalbereich, tätig. «Ich bin relativ kurzfristig für das Amt des Verwaltungsratspräsidenten angefragt worden», sagt Straubhaar auf Anfrage. Er habe grosses Interesse an gesundheitspolitischen Fragen und Lösungen. «Generell bin ich überzeugt, dass man mit weniger Aufwand zum Teil bessere Lösungen findet, als man sie heutzutage hat», sagt Straubhaar, betont aber, dass diese Aussage nicht auf Thun gemünzt sei. Wie will er eine Lösung für die Gesundheitsversorgung in der Region Simmental-Saanenland finden? «Wichtig ist, dass wir uns die Anliegen und Wünsche aller Beteiligten anhören und dann zusammen rasch eine gute Lösung finden. Mit Betonung auf rasch.»
Keine leichte Entscheidung
Corinne Reuteler liess sich wieder in den Verwaltungsrat wählen, doch dieser Entscheid sei ihr nicht leichtgefallen, erklärt die Saanerin gegenüber dieser Zeitung. Bei Abgängen von Verwaltungsräten gehe auch immer viel Wissen weg, doch dieses Wissen sei auch für künftige Versorgungslösungen sehr wichtig. «Ich bleibe im Verwaltungsrat, damit noch jemand da ist, der die Vorgeschichte kennt», sagt sie überzeugt. Es sei für sie eine Herzensangelegenheit, für die Gesundheitsversorgung in der Region eine gute Lösung zu finden. «Egal wie diese letztlich aussieht. Ziel muss es sein, dass wir zügig für Zweisimmen eine Lösung finden. Auch im Interesse des dort im Spital beschäftigten Personals.»
Fokus auf dem Bedarf der Bevölkerung
Der Regierungsrat sei überzeugt, dass sich der neue Verwaltungsrat der STS AG mit allen Beteiligten für die weitere Sicherung der Gesundheitsversorgung im Obersimmental und Saanenland einsetze, heisst es in eingangs erwähnter Medienmitteilung. Dabei soll der Fokus auf den Bedarf der Bevölkerung gelegt werden und die STS AG solle sowohl die Versorgung der Region durch eigene Ressourcen als auch die Delegation der Aufgaben an einen Partner prüfen. Gerade vor dem Hintergrund der Grossratsdebatte und der Annahme von drei Postulaten, die das Gesundheitswesen in der Region betreffen, sei der Regierungsrat überzeugt, dass weiter an einer «adäquaten Lösung» für die Gesundheitsversorgung im Obersimmental und Saanenland gearbeitet werden müsse, was mit den neuen Kräften möglich sei.
THOMAS STRAUBHAAR
Der neue Verwaltungsratspräsident der STS AG ist Gesundheitsökonom und seit mehr als 30 Jahren im Gesundheitswesen, insbesondere im Spitalbereich, tätig. Er leitete verschiedene kleinere und mittlere Spitäler operativ und kennt als ehemaliger Mitarbeiter der Gesundheits- und Fürsorgedirektion das kantonale Gesundheitswesen sehr gut. Er verfügt über ausgezeichnete Kompetenzen in den Bereichen Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik, Regulierung und Qualitätsentwicklung, hat umfangreiches Managementwissen sowie ein ausgezeichnetes persönliches Netzwerk. Er ist als kompetenter Verwaltungsrat bei der Spitalzentrum Biel AG (SZB AG) bekannt sowie seit einigen Jahren Verwaltungsratspräsident der Spitäler Bülach und Sarnen.
PD/KMA
Laut Finanzkontrolle ist Weg der GSI unzulässig
Die Finanzkontrolle des Kantons Bern beurteilt den eingeschlagenen Weg des Regierungsrates zur Übertragung von Mitteln der Spital STS AG an die Medaxo Gruppe als unzulässig und empfiehlt der STS AG, in Abstimmung mit der GSI, schnellstmöglich alles zu unternehmen, damit die Versorgungssicherheit des Spitalstandortes Zweisimmen mindestens für die nächste Wintersaison sichergestellt wird.
KEREM S. MAURER
Es geht um den finanziellen Beitrag von fünf Millionen Franken, der im Zusammenhang mit der Übernahme des Spitals Zweisimmen durch die Medaxo Gruppe seitens der Spital STS AG an die Medaxo Gruppe hätte fliessen sollen.
Keine rechtliche Grundlage
Gemäss einem offiziellen Dokument der Finanzkontrolle des Kantons Bern soll die Gesundheits-, Sozialund Integrationsdirektion (GSI) die Spital STS AG «dazu gedrängt» haben, die Aktiven des Spitalbetriebs Zweisimmen, einen Finanzbeitrag in Millionenhöhe (zu Beginn der Verhandlungen betrug der geforderte Finanzierungsbeitrag 7,5 Millionen Franken, im März 2024 wurden fünf Millionen festgelegt) sowie weitere Leistungen an die Medaxo Gruppe bzw. deren Konzerngesellschaft Klinik Homad AG zu übertragen. Gegen dieses Vorgehen wehrte sich der Verwaltungsrat der Spital STS AG, weil er laut Obligationenrecht in allen Belangen einer Sorgfalts- und Treuepflicht für seine Gesellschaft untersteht. Auch eine Anweisung des Alleinaktionärs könne diese Verpflichtung nicht aufheben, und der Verwaltungsrat mache sich bei einer Handlung, die nicht im Gesellschaftsinteresse liege, strafbar. Selbst eine nachträgliche Decharge an der Ordentlichen Generalversammlung würde den Verwaltungsrat nicht entlasten. «Aus Sicht der Finanzkontrolle gibt es keine rechtliche Grundlage, bzw. keine rechtliche Verpflichtung und auch keine vertretbare geschäftsmässige Begründung für die Spital STS AG, um diese Übertragung von Aktiven respektive Geldmitteln an eine Drittpartei vorzunehmen.»
Verletzung der Finanzkompetenz
Die GSI begründet ihr Vorgehen damit, dass die Spital STS AG ähnliche Leistungen an das an der Urne (vorläufig) gescheiterte Vorgängerprojekt Gesundheitsnetz Simme Saane (GSS) entrichtet hätte. Doch dies erachtet die Finanzkontrolle als nicht stichhaltig, weil die STS AG nicht mehr Beteiligter am neuen Projekt sei und die Trägerschaft anders organisiert würde. «Die STS AG kann aus Sicht der Finanzkontrolle nicht verpflichtet werden, die Übertragung an die Medaxo Gruppe zu analogen Bedingungen wie die geplante, aber nicht zustande gekommene Übertragung an die GSS AG vorzunehmen», schreibt die Finanzkontrolle.
Die Finanzkontrolle kommt zum Schluss, dass der über den RBB 274/2024 eingeschlagene Weg des Regierungsrates zur Übertragung von Mitteln der Spital STS AG an die Medaxo Gruppe «unzulässig» sei. Insbesondere stelle das Vorgehen eine «Umgehung der Finanzkompetenzen des Grossen Rates dar» und verstosse ausserdem gegen die geltenden Public Corporate Governence Vorgaben.
Weiteres Vorgehen
Am Ende ihrer Ausführungen fordert die Finanzkontrolle des Kantons Bern, die Gemeinden der GSS-Region, den Kanton sowie allfällige weitere Partner auf, zu klären, wie sie mit dem Entscheid des Regierungsstatthalters bezüglich der Gutheissung der Stimmrechtsbeschwerde umgehen wollen (Gemäss Verwaltungsgericht hat es bis am Donnerstagabend keine Einsprache gegen den Entscheid des Regierungsstatthalters gegeben, Anm. d. Redaktion). Aufgrund der gewonnenen Zeit könne die GSI vom Regierungsrat beauftrag werden, eine Transaktion zur Gewährleistung der nachhaltigen Versorgungssicherheit der Region Simme-Saane vorzubereiten, bei welcher die rechtlichen Rahmenbedingungen des Kantons eingehalten würden.




