Unruhiges Gewässer an den Börsen – die Schweiz muss navigieren
13.11.2025 WirtschaftProf. Dr. Klaus Wellershoff, früherer Chefökonom und einst bei der deutschen Bundesmarine, präsentierte am Börsenbarometer der Saanen Bank fünf Thesen zur wirtschaftlichen Zukunft. Sie sollen Anlegerinnen und Anlegern helfen, ihr Kapital sicher in den Hafen zu ...
Prof. Dr. Klaus Wellershoff, früherer Chefökonom und einst bei der deutschen Bundesmarine, präsentierte am Börsenbarometer der Saanen Bank fünf Thesen zur wirtschaftlichen Zukunft. Sie sollen Anlegerinnen und Anlegern helfen, ihr Kapital sicher in den Hafen zu steuern.
JONATHAN SCHOPFER
«Die US-Börsen markieren dank der grossen Technologiekonzerne neue Rekorde, getragen von milliardenschweren Investitionen in künstliche Intelligenz. Gleichzeitig verunsichern hohe Staatsverschuldungen, Kriege und neue Strafzölle die Anleger», fasste Dominique Huwiler, Mitglied der Geschäftsleitung der Saanen Bank, zu Beginn des Abends vom 6. November die Weltlage zusammen und ergänzte: «Diese Unsicherheit zeigt sich auch im hohen Goldpreis.»
In diesem wirtschaftlichen Umfeld ist Orientierung gefragt – etwa mit einer Standortbestimmung des eingeladenen Ökonomen Prof. Dr. Klaus Wellershoff. Der renommierte Ökonom, der einst auf hoher See bei der deutschen Marine diente, präsentierte seinen Ausblick für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre. Seine fünf Thesen, so Wellershoff, basierten nicht auf Stimmungen, sondern seien durch Daten gestützt – «denn nur so kann man seriös prognostizieren.»
These 1: Die Macht wandert nach Asien
Die wirtschaftliche Landkarte verschiebt sich weiter ostwärts. Im Jahr 2000 vereinten Europa und Nordamerika noch fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung auf sich. Heute entfällt fast 50 Prozent auf Asien. Bis 2040 dürfte dieser Trend anhalten: China bleibt grösste Volkswirtschaft, Indien wird an die USA heranrücken und Indonesien wächst stärker als ganz Europa zusammen.
Fazit: Unternehmen und Investitionen orientieren sich zunehmend auf asiatische Märkte.
These 2: Die Schulden werden zum Risiko
Zum ersten Mal werden Staatsschulden international zu einem Problem. Die USA haben eine Staatsschuldenquote von über 125 Prozent des Bruttoinlandprodukts und damit einen höheren Stand als Frankreich erreicht. Auch die Eurozone und China bewegen sich auf gefährlich hohem Niveau.
Besonders China sei in einer heiklen Situation: «Noch kein Schwellenland hat je eine solche Schuldenquote ohne Krise überstanden», warnt Wellershoff.
These 3: Das Schweizer Wachstum wird enttäuschen
Auch für die Schweiz bleibt Wellershoff zurückhaltend. Drei Entwicklungen bremsen das Wachstum:
• Exportabhängigkeit: Die Schweiz ist stark exportabhängig. – Aktuell entfallen rund 45% des Bruttoinlandproduktes auf den Export von Waren und Dienstleistungen. Besonders abhängig ist man von den USA, die zunehmend Strafzölle erheben und Firmen verunsichern.
• Stagnierende Produktivität: Die Wertschöpfung wächst nur langsam. Überregulierung und Bürokratie bremsen Innovationen. Das schweizerische Baugewerbe
ist – so Wellershoff – «eines der am stärksten regulierten Gewerbe Europas».
• Sinkende Arbeitszeit: Schweizer Arbeitskräfte arbeiten Jahr für Jahr weniger Stunden. Das schmälert nicht nur die Wirtschaftsleistung, sondern reduziert über ausfallende Löhne auch die Steuereinnahmen des Staates.
Das Wachstum dürfte laut Wellershoff von derzeit rund 1,6 Prozent auf nur noch 0 bis 0,5 Prozent sinken.
These 4: Die Inflation bleibt – der Franken bleibt stark
Die aktuelle Teuerung sei kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Phänomen, sagt Wellershoff. Weltweit bleibe die Inflation hartnäckig – etwa in Japan, den USA oder Grossbritannien. Solange das so bleibe, seien dauerhaft tiefe Zinsen kaum denkbar.
Die Schweiz habe stabile Preise, eine solide Geldpolitik und damit einen weiterhin starken Franken. Das stärkt die Kaufkraft der Konsumenten, erschwert jedoch die Situation der exportorientierten Unternehmen.
These 5: Die Börsen sind teuer
Die Aktienmärkte, insbesondere in den USA, sind hoch bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis nähert sich den Niveaus der Dotcom-Blase in den USA – mit einem entscheidenden Unterschied: Die Unternehmen verdienen heute Geld. Trotzdem warnt Wellershoff vor übertriebenem Optimismus: «Hohe Bewertungen bedeuten hohen Leistungsdruck. Die Unternehmen müssen liefern.»
Fazit: Wer navigiert, gewinnt
Wellershoff vergleicht die Kapitalmärkte mit der Schifffahrt: «Zuerst eine Standortbestimmung machen. Dann festlegen, wohin die Reise gehen soll.»
Die kommenden Jahre dürften von einer globalen Machtverschiebung nach Asien, wachsenden Schuldenrisiken, einer starken Schweizer Währung und hohen Aktienbewertungen geprägt sein. Sein Rat: Anleger sollten ihre Anlagen diversifizieren. Zudem sollten sie ihre Portfolios je nach Konjunkturlage flexibel anpassen, anstatt dauerhaft gleich zu investieren.
ZUR PERSON
Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff ist Verwaltungsratspräsident, CEO und Senior Client Partner der international tätigen Unternehmensberatung Wellershoff & Partners Ltd., die sich auf Beratung im Bereich Makroökonomie und Finanzmärkte spezialisiert hat. Sein beruflicher Werdegang hat mit einer Banklehre beim Kölner Privatbankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. begonnen. Das Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre hat Klaus Wellershoff anschliessend an der Hochschule St. Gallen absolviert. Während der Promotion wurde er als Visiting Fellow an das Department of Economics der Harvard University berufen. Seit 2011 ist er Honorarprofessor für angewandte Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen.
Von 1995 bis 2009 war Dr. Wellershoff bei der UBS tätig. Ab 1997 bekleidete er die Funktion des Chefökonomen. Von 2003 an leitete er zudem das gesamte Research der Division Wealth Management und Business Banking und war für diesen Unternehmensteil Leiter des Anlageausschusses. Von 2003 bis 2009 war er Mitglied des Group Management Boards der UBS. Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff war Verwaltungsratspräsident und Mitgründer der ZWEI Wealth Experts AG. Seit 2025 ist er Verwaltungsrat der ZWEI Wealth Experts AG/Swiss Life, Präsident des Geschäftsleitenden Ausschusses der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie an der Hochschule St. Gallen, Stiftungsratspräsident der Stiftung Pro Handball und Stiftungsrat der Resortho Stiftung sowie im Verwaltungsrat der Balgrist Campus Stiftung.
Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff hat seinen Militärdienst bei der deutschen Marine absolviert. Er ist 61 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Söhnen (Jahrgang 1994, 1995, 1999 und 2002).
SAANEN BANK




