Vepass: Die Projekte in den Partnerstädten sind auf gutem Weg

  18.11.2022 Gesellschaft

Am Montag, 12. September sind wir als kleine Vepass-Delegation, bestehend aus Matthias Ludi und mir, Fabian Jaggi, nach einer langen Covidpause endlich mal wieder in die verbündeten Dörfer Szentimre und Sepröd gereist.

Nach einer freundlichen Begrüssung durch unseren langjährigen Freund und Hauptkontakt vor Ort, Szabolcs Kovacs, und seiner Familie machten wir uns auf, all die vielen Stationen, die wir besuchen durften, «abzuarbeiten».

Schon während unserer Einfahrt in das Dorf haben wir mit Freuden festgestellt, dass das abgebrannte Haus der Begegnung wieder aufgebaut in seiner vollen Pracht dasteht. Später mehr dazu.

Als erstes wollten wir die mit Mikrokrediten unterstützen Familien besuchen. Wir mussten die ersten beiden Rückzahlungsraten (einen Fünftel der Gesamtsumme inkl. einem symbolischen Zins) abholen und vor allem die lieben Menschen treffen und erfahren, wie es ihnen in den letzten Jahren ergangen ist.

Attila Sebesi, Blaubeerenfarm
Als erstes haben wir Attila Sebesi besucht. Er und seine junge Familie leben nun schon seit circa fünf Jahren in Szentimre. Sie sind bewusst aus der Stadt aufs Land gezogen und haben ihr Akademikerleben mit dem Leben auf dem Land getauscht. Wir haben ihr Projekt vor drei Jahren mit dem bisher grössten Kredit (4000 Euro) unterstützt. Er führte uns auf des beeindruckende Feld, wo er uns etwas frustriert von seinen bisherigen Erfahrungen erzählte. Erst hatte er im ersten Jahr einen Befall, der ihnen 20 Prozent der Pflanzen zerstörte, dann raubten ihm heuer die Vögel fast die ganze Ernte. Sein Wissen und die von ihm erstellte Infrastruktur machten uns grossen Eindruck. Es wäre ihm und seiner Familie sehr zu gönnen, dass sie in Zukunft ein bisschen mehr Glück mit ihren Beeren haben. Die wohl einzige Lösung gegen die Stare wird ein Netz sein. Wiederum ein grosser Aufwand, der ihnen nun blüht. Er hat uns seinen Frust gestanden, resignieren würde er aber sicher nicht. Er konnte uns die Schulden problemlos zurückzahlen.

Frigyes Tokés, Mähdrescher
Frigyes konnte sich dank unserem kleinen Kredit – er hat 1500 Euro erhalten – an einem grossen Hilfsprogramm beteiligen. Für die Eingabe für die grosse Summe musste er einen Teil Eigenkapital ausweisen. Dafür brauchte er unsere Hilfe. Seine Anfrage hat geklappt und er konnte einen gebrauchten Mähdrescher erwerben.

Familie Szabó, Kälberzucht
Uns war bei der letzten Vergabe sofort klar, dass diese Familie dringend Unterstützung braucht. Beide Eltern der drei Kinder arbeiten hart auf einem grossen Hof als Gehilfen. Dort verdienen sie allerdings nur einen bescheidenen Lohn und müssen darum selber auch noch nebenher bauern. Sie träumen davon, einmal einen eigenen Betrieb lukrativ zu führen. Aus unserer Schweizer Perspektive beurteilt, kann das aber schwierig werden. Ihr stark verwitterter Hof kann kaum die Infrastruktur stellen, die es brauchen würde, um mehr Vieh zu halten. Sie erzählen uns, dass sie mit unserem Kredit ganz junge Kälber gekauft und sie mit der Milch ihrer Kühe aufgezogen haben, um sie dann mit Rendite wieder zu verkaufen. Da sie ihre Milch nicht wirklich verkaufen können – ihre Produktion erfüllt keine Standards, die das erlauben würden – ist das eine raffinierte Methode, um ein kleines Zusatzeinkommen zu generieren. Die Qualitätsstandards orientieren sich übrigens an EU-Normen und die sind so hoch, dass es sich für Kleinstbauern nicht mehr lohnt, Milch zu produzieren. Die traurige Realität hat sarkastische Züge: Im leider mittlerweile geschlossenen Tante-Emma-Laden in Szentimre wurde holländische statt einheimische Milch im Beutel verkauft. Familie Szabó konnte auch die erste Rate zurückzahlen und bat um einen neuen Kredit. Damit möchten sie ihren Stall ausbauen. Wir gewährten ihnen den zusätzlichen Betrag von 1500 Euro.

Am Nachmittag besuchten wir dann die Antragstellerinnen und Antragsteller:

Csíszér Csaba – Schreiner in Seprod
Der junge Geschäftsmann hat eben erst seine Werkstatt stattlich erweitert und möchte mit unserem Kredit den Neubau isolieren. Wir gewährten ihm einen Kredit über 3500 Euro.

Csíszér Sándor – Landmaschinenmechankier in Seprod
Herr Sándor, ebenfalls jung und selbstständig erwerbend, hat in Seprod auf einem alten Gut begonnen, Landmaschinen zu reparieren. Seine gute Arbeit ist sehr gefragt und er hat viel zu tun. Leider gibt es auf dem Grundstück nur ein altes Wohnhaus und einen halb zerfallenen Schopf und er muss im Freien arbeiten. Er hat nun bereits ein Fundament für eine Werkhalle betoniert und Stahlträger aufgerichtet. Damit er und seine Maschinen schneller ein Dach über dem Kopf haben, hat er für einen Kredit angefragt. Wir gewährten ihm einen Kredit über 3500 Euro.

Familie Szabó – Landwirtschaft in Seprod
Wie bereits erwähnt, haben wir die Familie mit einem zweiten Kredit über 1500 Euro unterstützt.

Szoverfi Katalin – Konditorei, Seprod
Die 34-jährige Szoverfi Katalin lebt seit 2020 mit ihrer Familie in Seprod. Sie hat Mechatronik studiert und als Mathematiklehrerin gearbeitet. Sie backt fürs Leben gern Torten und möchte ihr Hobby zum Beruf machen. Bereits jetzt hat sie viele Bestellungen, die sie in ihrer normalen Hausküche ausführt. Sie bat um einen Kredit, damit sie ihre Garage zu einer Backstube inkl. Inventar umbauen kann. Wir gewährten ihr einen Kredit über 3500 Euro.

Familie Károly – Landwirtschaft in Szentimre
Die Bauernfamilie hat bereits einen stattlichen Betrieb mit zehn Kühen. Mit einem Kredit hätte sie gerne noch zusätzliche fünf Kühe gekauft. Wir fanden einstimmig, dass wir ihn und seine Familie gerne unterstützen wollen, aber bei ihm die Not nicht gleich gross ist wie bei den anderen Antragsstellern/innen, und gewährten einen kleineren Kredit über 1500 Euro.

Neuer Pfarrer und wiedereröffnetes Haus der Begegnung
In der Mittagspause durften wir den neuen Pfarrer, Árpád Erdei, kennenlernen. Der junge Mann hat seinen Vorgänger, der nach nur zwei Jahren im Amt schon wieder gegangen ist, abgelöst. Dem abgewanderten Pfarrer ist es mit viel Aufwand und Elan gelungen, das abgebrannte Haus der Begegnung wieder aufzubauen. Vepass hat das Unterfangen mit 5000 Euro unterstützt. Wir haben ihnen die technischen Geräte wie Waschmaschine, Geschirrspüler, Kühlschrank usw. finanziert.

Nachdem wir uns im Pfarrhaus gegenseitig vorgestellt hatten – Matthias und ich erlebten den Pfarrer als sehr aufgestellt und motiviert – hat er uns durch das Haus der Begegnung geführt. Wir sind sehr glücklich über den Zustand und den Ausbaustandard. Der Besammlungsraum strahlt wieder die gewohnte Gemütlichkeit aus und die Schlafzimmer sind wunderbar hergerichtet. Einzig die Nassräume haben gestalterisch und vor allem technisch eine Qualitätseinbusse erlebt. Das von Vepass damals geförderte Trockentoilettenystem wurde nicht wieder installiert. Der menschliche Abfall wird jetzt in Tanks gesammelt und später korrekt extern entsorgt. Árpád Erdeis Vorgänger hatte sich vehement gegen die Renovation der von Vepass damals initiierten, innovativen Abwasserlösung gewehrt, was wir natürlich sehr schade finden. Die Spaltanlage für das Abwasser vom Pfarrhaus und der Mosterei ist aber noch intakt. In der Mosterei war während unseres Besuches wieder mal voller Betrieb und es wurde in grossen Mengen Saft gepresst.

Dank Unterstützungsgeldern aus Ungarn konnte das Dach des historisch sowie touristisch wichtigen und schönen Glockenturms renoviert werden. Weiter konnten wir sehen, dass für die abermals gewünschte Aufbahrungshalle bereits die Bodenplatte betoniert wurde.

Zum Schluss möchten wir an dieser Stelle der Kirchgemeinde Saanen-Gsteig herzlich für ihre Treue zu unserem Verein danken. Dank ihrer alljährlichen Geldspende können wir seit Jahren die Spitex in den Dörfern gewährleisten. Und dank unseren langjährigen Mitgliedern haben wir nach wie vor die Möglichkeit, kleine aber wichtige Projekte unkompliziert zu realisieren. Wir sind aber in Zukunft auf weiteren, neuen Zuwachs angewiesen und möchten Sie, geschätzte Leserinnen und Leser des «Anzeigers von Saanen», herzlich einladen, unserem Verein beizutreten oder uns mit einer direkten Spende zu unterstützen. (Siehe Inserat)

FABIAN JAGGI

Für Spenden: Saanen Bank, IBAN CH84 0634 2016 0193 7860 3
Mehr Informationen unter: [email protected]


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