Vier Gewinner beim Neeme Järvi Prize 2022
23.08.2022 KulturIzabelé Jankauskaité, Samy Rachid, Kyrian Friedenberg und Daniel Huertas heissen die diesjährigen Preisträger dieses begehrten Preises für Nachwuchsdirigenten. Sie wurden von den Partnerorchestern der Gstaad Conducting Academy, dessen Vertreter auch in der Jury Einsitz hatten, zu Gastdirigaten eingeladen.
ÇETIN KÖKSAL
Nach drei Wochen intensiver Arbeit unter der Leitung von Johannes Schlaefli, Professor für Orchesterleitung an der Zürcher Hochschule der Künste, und Jaap van Zweden, Music Director der New York Philharmonic, krönen gleich vier von zehn ihre Teilnahme an der achten Ausgabe der Conducting Academy mit einem Neeme Järvi Prize. Das bedeutet aber mitnichten, dass die anderen sechs Absolventen Verlierer sind. Im Gegenteil, wie Christoph Müller, künstlerischer Leiter des Festivals und Vorsitzender der Jury, bei der Zertifikatsübergabe betonte, dürfen sich alle zehn Academy-Teilnehmer als Gewinner betrachten. Sie wurden aus über 250 Kandidaten ausgewählt und hatten das Privileg, sowohl mit dem Gstaad Festival Orchestra als auch mit dem Sinfonie Orchester Biel Solothurn arbeiten zu dürfen.
Izabelé Jankauskaité darf nächste Saison als Gast das Berner Symphonieorchester, das Sinfonie Orchester Biel Solothurn und das Musikkollegium Winterthur dirigieren. Samy Rachid wurde ebenfalls vom Sinfonie Orchester Biel Solothurn eingeladen, Kyrian Friedenberg vom Kammerorchester Basel und Daniel Huertas von der Philharmonie Südwestfalen. Das Orchestre de Chambre de Lausanne wird ebenfalls einen der vier Gewinner zu einem Gastdirigat einladen.
Beethoven und Tschaikowsky
Das Abschlusskonzert und die Preisverleihung fanden wie gewohnt im Festivalzelt statt und Antonin Scherrer moderierte eloquent durch den Abend des vergangenen Freitags. Auf dem Programm standen Beethovens «Emperor»-Klavierkonzert (Nr. 5 in Es-Dur) und Tschaikowskys «Fatum»-Sinfonie (Nr. 4 in f-Moll). Nathanaël Iselin und Laurent Zufferey teilten sich etwa je eine Hälfte des ersten Satzes des Klavierkonzerts, wobei Iselin mit einem ausgewogenen, vollen Orchesterklang auffiel. Anschliessend gefiel Molly Turner mit einem sehr subtilen, feinen Klangteppich des «Adagio un poco mosso». Omer Shteinhart schloss mit dem dritten Satz, bei dem Pianistin He-Chengzi Li den Höhepunkt ihrer ostentativen Fingerakrobatik zelebrierte. Die zukünftigen, während des Konzerts aber noch unbekannten Gewinner durften bei der Tschaikowsky-Sinfonie ihr Können zeigen. Izabelé Jankauskaité eröffnete mit einem dramatischen, immerzu nach vorne treibenden «Andante sostenuto – Moderato con anima». Differenziert erzeugte sie Spannung, arbeitete mit filigraner Handarbeit Details aus und wusste dem zum vereinigten Instrument gewordenen Orchester auch neue Farben zu entlocken. Kyrian Friedenberg wählte für seine «Halbzeit» des ersten Satzes eine weniger agitierte, statischere Version mit gewaltigen Forti. Da war Samy Rachids «Andantino in modo di canzona» ein willkommener Kontrast, gelang es ihm doch, dem langsamen Satz eine zauberhafte Stimmung zu geben und die fein austarierten Harmonien aufs Schönste erklingen zu lassen. Jascha von der Goltz lieferte ein präzises und dynamisch schön ausgearbeitetes «Scherzo» und Ingunn Korsgård Hagen teilte sich mit Daniel Huertas das «Finale. Allegro con fuoco», wobei ihre Version spannungsreich bewegt und seine lieblicher war.
GFO als heimliche Gewinnerin
Es ist immer wieder spannend und eine grosse Freude, die verschiedenen Vorstellungen, Interpretationen und Umsetzungsansätze von Dirigenten am Anfang ihrer Laufbahn an der Gstaad Conducting Academy erleben zu dürfen. Möglich ist dies aber auch nur dank einem mittlerweile – ohne jegliche Übertreibung – hervorragenden Gstaad Festival Orchestra. Das Niveau der Musiker ist durch sämtliche Register hindurch auf einer Höhe, welche den Vergleich mit arrivierten, festen Orchestern nicht scheuen muss. Als Ganzes ist der Klangkörper lebendig, frisch, aufmerksam, präzise und – Übung macht den Meister – äusserst flexibel. Auf dass uns das GFO hier in heimischen Gefilden und in der weiten Welt, als exzellente Botschafterin des Saanenlandes, noch viele musikalische Freuden bereiten möge!