Warum Eisenbahnwaggons die Strasse blockieren

  27.10.2022 Wirtschaft

Sie sind bis zu 27 Tonnen schwer, knapp 20 Meter lang und fast 3 Meter breit: die neuen Wagen des GoldenPass Express der MOB. Und sie werden über die Strasse von Tolochenaz bei Morges bis nach Zweisimmen transportiert. Warum?

KEREM S. MAURER
Vielleicht ist es Ihnen in den vergangenen Wochen auch aufgefallen: Auf den Strassen im Saanenland zwischen Montreux und Zweisimmen kommt es zu unerwarteten Staus und Verkehrsbehinderungen. Der Grund dafür sind Eisenbahnwaggons der Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB). Grund genug, bei der Bahngesellschaft nachzufragen, warum Zugwagen über die Strasse kommen und nicht über die Schienen.

Noch sechs Mal
Gemäss der MOB sollen bis im März 2023 insgesamt 17 Wagen des Golden-Pass Express von Tolochenaz bei Morges über die Strasse nach Zweisimmen transportiert werden. Elf davon sind im Obersimmental bereits angekommen. Der nächste Transport eines Eisenbahnwaggons soll Anfang November stattfinden, wann genau ist allerdings noch unklar. «Der Transport wird jeweils erst einige Tage vorher festgelegt», erklärt Eva Schneider, Direktionsassistentin der MOB. Dass die Wagen nicht über die Schiene transportiert werden, erklärt sie mit dem gewählten Lagerort in Tolochenaz. «Dort werden die variablen Drehgestelle an die Wagen montiert. Doch wir haben dort keinen Zugang zum Schienennetz.»

Wo sollen die Waggons auf die Schiene?
Also müssen die Waggons einen Teil des Transports auf der Strasse zurücklegen. Doch bis wohin? Vevey, Chernex oder Montbovon seien als Ablademöglichkeiten ebenfalls in Betracht gezogen worden, erklärt die Direktionsassistentin und ergänzt: «Nach Kosten- und Logistikanalysen ist der Transport über die Strasse bis nach Zweisimmen die einzig sinnvolle Lösung.»

Denn die Wagen in Chernex auf die Gleise zu setzen, sei praktisch genauso unmöglich wie in Vevey, das zwar besser zugänglich sei, aber der Weg dahin weise zu viele Baustellen auf. Auch biete Vevey weniger Platz zum Abladen als Zweisimmen. Und in Montbovon müsste man die Wagen sogar auf TPF-Infrastruktur (Freiburgische Verkehrsbetriebe) setzen, was mit erheblichem Mehraufwand verbunden sei. «Ein weiterer Nachteil ist die Notwendigkeit zum Entladen auf der Kantonsstrasse, was unvermeidlich zu grösseren Behinderungen führt», so Eva Schneider.

Zweisimmen ist die beste Lösung
Die Analyse aller Varianten habe ergeben, dass die Lösung mit einem direkten Transport über die Strasse von Tolochenaz nach Zweisimmen die vernünftigste sei. Dazu noch einmal Eva Schneider: «In Zweisimmen können wir die Wagen auf der MOB-Infrastruktur entladen, was wir direkt und optimal planen können. Die Nähe zum Depot Zweisimmen ist ein enormer Vorteil und erleichtert die Arbeit sehr. Die Spezialisten sind bereits vor Ort.» Obschon also die Strecke bis nach Zweisimmen die längste ist, überwiegen für die MOB die Vorteile des Entladens im Obersimmental. Die Streckenwahl über das Saanenland wurde in Übereinstimmung mit dem Kanton Bern getroffen.

Sind die Drehgestelle an den Wagen angebracht, beginnen die Testfahrten. Und wenn die Waggons nicht unterwegs sind, werden sie auf den Abstellgleisen in Zweisimmen parkiert.


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