«Was bedeutet für Dich Kirche?» Teil 2
28.06.2024 KircheHerzlich willkommen zurück, liebe Leserin, lieber Leser zum zweiten Teil des Kirchenfensters zum Thema «Was bedeu tet für Dich Kirche?». Am 31. Mai habe ich den Begriff «sichtbare und unsichtbare Kirche» eingeführt – hier geht es weiter. Schön ...
Herzlich willkommen zurück, liebe Leserin, lieber Leser zum zweiten Teil des Kirchenfensters zum Thema «Was bedeu tet für Dich Kirche?». Am 31. Mai habe ich den Begriff «sichtbare und unsichtbare Kirche» eingeführt – hier geht es weiter. Schön sind Sie wieder dabei!
Unterscheidung von «sichtbarer» und «unsichtbarer» Kirche
Die Unterscheidung in sichtbare und unsichtbare Kirche kann missbraucht werden. Zum Beispiel wenn eine bestimmte Gruppe von Christinnen und Christen sich als die «wahre» Kirche verstehen und allen andersdenkenden das Christsein absprechen.
Zur Unterscheidung von verborgener/unsichtbarer und sichtbarer Kirche gehört deshalb, möglichst präzise zu definieren, wie sie zusammengehören. Denn: Die sichtbare und die unsichtbare Kirche lassen sich zwar unterscheiden – aber nicht trennen!
Noch spannender ist die Frage, wie die unsichtbare Kirche in der sichtbaren Kirche erkennbar wird.
Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass die «unsichtbare» Kirche da sichtbar wird, wo die christliche Gemeinde zusammenkommt. Zum Beispiel, um im Gottesdienst Gottes Wort zu hören, um Taufe oder Abendmahl zu feiern. Wo das Wort Gottes in Gemeinschaft zu Gehör gebracht und gemeinsam gefeiert wird, da können wir der Gemeinschaft mit Gott Raum geben.
Die sichtbare Kirche wird so zum Rahmen oder Raum, in dem die Menschen vom Evangelium erreicht und berührt werden können. Oder kurz gesagt: Wo sie ihre Spiritualität und Gemeinschaft mit Gott leben können. Dies geschieht nicht nur im Gemeindegottesdienst, sondern auch in Familien, im Bekanntenkreis, in der Seelsorge, im KUW usw. Im Alltag wird es vielleicht da am deutlichsten, wo die sichtbare Kirche Menschen unterstützt, ihnen an die Seite steht und ihnen dient. Kurzum, dort wo Glaube, Hoffnung und Liebe gelebt werden.
So kann die Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer/verborgener Kirche zum Trost werden für alle die, die an der Wirklichkeit «ihrer» Kirche verzweifeln. Die von Menschen aus «ihrer» Kirche enttäuscht oder verletzt wurden. Kirche ist so viel mehr als die Menschen, die darin wirken und arbeiten.
Zugleich lehrt uns die Unterscheidung auch Demut. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott die sichtbare Kirche – und damit meine ich auch unsere bescheidenen Versuche, Kirche Christi zu sein – in seinen Dienst nimmt, um sein Reich zu bauen. Gott hat die Möglichkeit, auch uns einfache, fehlerhafte Menschenkinder für sein Reich zu gebrauchen. Innerhalb und ausserhalb der sichtbaren, verfassten Kirche. Und so dürfen wir – im Bewusstsein darum, keine Heiligen zu sein – unsere Talente und Fähigkeiten einsetzen und das Unsrige beitragen, damit die sichtbare Kirche weiterhin ihr Möglichstes im Dienst der Menschen leisten kann.
Abschliessende Gedanken
Ich denke, wenn wir Kirche als Gemeinschaft unterschiedlicher, meinungsverschiedener Menschen sehen können, dann kommen wir dem, was Kirche sein soll einen Schritt näher.
Vielleicht kann uns das Doppelgebot der Liebe den Weg weisen: Damit meine ich nicht, dass ich es den Menschen zutraue, alle Mitmenschen zu lieben.
Ich möchte nicht eine «wier hei nus ali sooo gäre»-Sphäre errichten. Sympathie und Antipathie gehören zu unserem Menschsein.
Aber es hat etwas mit meinem Menschenbild zu tun, wenn ich nach dem Doppelgebot der Liebe lebe: In einer Kirche, in der die Menschen sich auf Gott ausrichten, ihn lieben mit ganzem Herzen, Seele, Denken und Kraft – in so einer Kirche sind sich die Menschen auch bewusst, dass jeder und jede ein Geschöpf Gottes ist. Ein guter Gedanke Gottes. Geschaffen, gewollt und geliebt von Gott.
Wenn ich dem Mitmenschen diese Gottesgeschöpflichkeit anerkennen kann, wenn ich ihn in seinem Menschsein bezogen auf Gott stehen lassen kann, dann liebe ich ihn noch nicht wie mich selbst – aber es ist ein erster Schritt.
Ja, ich glaube, so würde ich mir die Kirche wünschen: Eine Gemeinschaft von Menschen, bezogen auf Gott, die versucht, den Nächsten stehen zu lassen, wie er ist – ein Ort der Geborgenheit, Toleranz, Kraft und Liebe.
MARIANNE KELLENBERGER
Für mich ist die Kirche als Gebäude nicht wirklich das Wichtigste. Denn: Gott ist überall und er hört und sieht alles, auch wenn man sich dies vielleicht nicht bewusst ist. Die unsichtbare Kirche ist für mich eigentlich alles, weil es ist ja der Glaube. Und der Glaube ist für mich überall: in jedem Pflänzchen, jedem Menschen und eigentlich fast überall in all dem, was Gott erschaffen hat. Alles hat seine Aufgabe und seine Bedeutung. Der Glaube ist für mich halt überall da, wo Gott wahrscheinlich seine Finger im Spiel hatte. Manchmal bin ich mir auch fast sicher, dass unser Schicksal vorherbestimmt ist. Und ich frage mich, ob ich kurzfristig mit meinen Entscheidungen etwas verändern kann, was schon viel früher vorherbestimmt wurde. Gott ist da sicher nicht unschuldig. Ich bin halt auch einfach gerne in der Natur und höre den Geräuschen zu. Und ich bin ein Mensch, der sehr gerne unter Menschen geht, mich aber auch gerne mal etwas zurückzieht und über alles nachdenke. Die Bibel habe ich nur in einzelnen kleinen Absätzen gelesen im KUW. Aber ich habe auch schon ein paar Geschichten daraus gehört. Ich finde, alles hat etwas – aber es ist halt schwierig zu verstehen und zu glauben. Ich denke, ich muss nicht alles glauben und verstehen, was dasteht. Denn schlussendlich ist die Bibel viele Male anders geschrieben und formuliert worden und vielleicht stimmt ja auch nicht mehr ganz alles. Ich denke aber – oder bin mir fast sicher – dass an jeder Geschichte etwas Wahres ist und dass sie irgendwo ihren Ursprung hat. Kurz gesagt: Kirche ist für mich im Grossen und Ganzen Gott – aber trotzdem nicht ganz so direkt. Denn Gott ist alles, was von ihm kommt…
(KUW Schülerin, Saanenland)
Mir persönlich bedeutet Kirche nicht viel. Und trotzdem erfreue ich mich an den schönen Traditionsfeiern wie kirchliche Trauungen oder einer Konfirmation. Mich trifft man in der Kirche nur für Taufen, Konf, Hochzeit oder Beerdigungen. Was mir aber sehr viel bedeutet, ist mein eigener Glaube und der steht nicht in der Bibel. Und weil ich es wichtig finde, dass man einen Glauben hat, der einem hilft, einen bestärkt und Vertrauen schenkt, trete ich auch nicht aus der Kirche aus. Ich zahle meine Steuern gerne, damit die Leute auch einen Ort haben, wo sie Trost und Ermutigung finden. Aber ich bin auch immer etwas skeptisch, weil doch oftmals die verschiedenen Religionen Intoleranz und Krieg auslösen.
(junge Frau, Saanenland)
Kirche – Kirchen: Das sind meist schöne, imposante Gebäude. Aber das willst du sicher nicht lesen ☺. Vor Jahren war ich in Spanien in einer schäbigen, kleinen Kirche. Dort hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein. Einmal besuchte ich eine Mes- se, katalanisch, kaum etwas verstanden… Nur so viel, dass die Besucher aufgefordert wurden, einander den Frieden Gottes zuzusprechen. Da kam eine Frau auf mich zu und umarmte mich. Kirche ist für mich Heimat.
(pensionierte Frau, Oberaargau)
So eine schöne Frage. Ja, Kirche ist für uns ein Heimatort, Geborgenheit, der Ort, an dem wichtige Sachen stattfinden: Taufe, Konfirmation, Hochzeit. Der Ort, der Trost spendet bei Beerdigungen. Ein Ort der Stille. Und das «Chilcheglüt» ist eine wichtige, schöne Sache: Wir haben immer Freude, wenn wir das «Glüt» hören. Das verbinden wir mit unserer Vorsass-Zeit und vermissen es oft. Kirche ist für uns Stille, Ehrfurcht – einfach wichtig und schön.
(pensioniertes Ehepaar, Saanenland)