Weit mehr als nur technisch brilliant
29.07.2025 KulturDie 18-jährige Alexandra Dovgan weist international bereits eine steile Karriere auf und überzeugte mit grosser musikalischer Persönlichkeit auch das Publikum des Gstaad Menuhin Festivals. Die junge Pianistin war allerdings nicht die einzige Sensation des Konzerts in der ...
Die 18-jährige Alexandra Dovgan weist international bereits eine steile Karriere auf und überzeugte mit grosser musikalischer Persönlichkeit auch das Publikum des Gstaad Menuhin Festivals. Die junge Pianistin war allerdings nicht die einzige Sensation des Konzerts in der Kirche Saanen. Die junge, erfolgreiche Bar Avni war einfach hinreissend. Sie dirigierte das renommierte Kammerorchester Basel mit Rasse und Klasse.
LOTTE BRENNER
Über den aussergewöhnlichen Werdegang der russischen Pianistin Alexandra Dovgan wird im Festivalprogramm ausführlich berichtet. Sie trat bereits in renommierten Konzertsälen wie in der Berliner Philharmonie, dem Théâtre des Champs-Elysées de Paris, dem Cocertgebouw Amsterdam, dem Wiener Konzerthaus, der Victoria Hall in Genf und dem Konserthuset in Stockholm auf. Überaus gelobt wurde ihr Spiel in der Presse auch im Rahmen der Salzburger Festspiele und in Zürich mit dem Tonhalle-Orchester, unter der Leitung von Paavo Järvi.
2023 gewann sie den Olivier Berggruen Prize. Der von Olivier Berggruen 2022 ins Leben gerufene Preis umfasst neben einem Konzert des Festivalprogramms eine Trophäe, gestaltet von Mai-Thu Perret, einer in Genf geborenen Künstlerin mit französich-vietnamesischen Wurzeln. Der deutsch-amerikanische Kunsthistoriker, Kurator und Schriftsteller Berggruen entstammt einer Mäzenatenfamilie und ist künstlerischer Berater des Gstaad Menuhin Festivals.
Auch die 36-jährige Dirigentin Bar Avni aus Israel weist eine beachtliche Karriere auf: 2024 gewann sie den Maestra-Wettbewerb und erhielt auch gleich mehrere Sonderauszeichnungen, darunter den Orchesterpreis, den Arte-Preis und den Echo Award. Aufsehen erregte 2021 ihre Ernennung zur Chefdirigentin der Bayer Philharmoniker. Drei Jahre lang dirigierte sie dieses Orchester als erste Frau in der über 120-jährigen Geschichte dieser Philharmonie.
Das sich seit 1984 mit stets neuen Aufgaben und Projekten entwickelnde Kammerorchester Basel gehört auch schon seit Jahren zu einem festen Bestandteil des Menuhin Festivals und erfreut die Besuchenden immer wieder mit einfühlender Begleitung grossartiger Solisten, aber auch mit sauberer, sehr musikalischer Interpretation von Orchesterwerken.
Eine reife Musikalität
So viele Lorbeeren können doch erst nach eigener Konzerterfahrung beurteilt werden. Ein Leistungsausweis allein sagt zwar viel über aussergewöhnliche Fähigkeiten der Musikerinnen und Musiker aus, nicht aber über das Sensitive im Spiel. Und genau das war es, was das Konzertpublikum in Saanen berührte.
Es ist nicht die technische Leichtigkeit allein, die das Klavierspiel von Alexandra Dovgan so erlebnisreich macht, sondern vor allem die Persönlichkeit, die einer reifen Musikalität zugrunde liegt. Die düstere Dramatik im Klavierkonzert in d-Moll, KV 466 wurde von der Pianistin schlicht ergreifend interpretiert, und der sangliche zweite Satz war so schön, dass er fast zu Tränen rührte. Faszinierend und kunstreich gelangen die beiden Kadenzen, in welchen Mozarts Themen zart aufgenommen wurden und sich wie selbstverständlich wieder in das Tutti einfügten.
Mit dem Choral «Jesus bleibet meine Freude» aus der Kantate «Herz, Mund und Tat» von Johann Sebastian Bach, 1926 von Myra Hess für Klavier bearbeitet und vom rumänischen Meisterpianisten Dinu Lipatti unvergesslich in die Welt hinausgetragen, verabschiedete sich Dovgan. Die Botschaft dieses innig vor sich hin fliessenden Chorals verbreitete sich wunderbar in der alt ehrwürdigen Mauritiuskirche.
Ein orchestraler Ohrenschmaus
Das Kammerorchester Basel musiziert jung, dynamisch und sehr rein. Es verfügt auch über hervorragende Bläser, die vor allem in der «Oxford-Sinfonie» in G-Dur, Nr. 92 von Joseph Haydn sowohl lebensbejahend freudig als auch sensibel zurückhaltend zum Zug kamen. Die Streicher faszinierten im übermütigen Finale mit äusserst sauberer Präzision. Den Beinamen «Oxford» erhielt die Sinfonie, weil sie 1791, einen Tag bevor Haydn die Ehrendoktorwürde erlangte, in der ehrwürdigen Universität Oxford aufgeführt wurde.
Freimaurerisch, im Zeitgeist (Ägyptermode) und ein wenig opernhaft, hinterliess das zweite Orchesterstück, die Bühnenmusik zu «Thamos, König in Ägypten» von Mozart, einen ebenso unvergesslich schönen Eindruck. Das Kammerorchester spielte einfach wunderschön. Aktuell nimmt das Orchester am Langzeitprojekt «Haydn 2032» unter der Leitung von Principal Guest Conductor Giovanni Antonini teil, der seinerseits erst kürzlich mit den Berliner Philharmonikern eine Aufnahme von «Thamos, König in Ägypten» gegeben hat.
Über die Entstehungsgeschichte dieser Bühnenmusik ist wenig bekannt. Nur so viel, dass 1774 Philipp von Gebler den Auftrag für die Vertonung zuerst an Johann Tobias Sattler erteilte, dann ohne bekannten Grund im Jahr der Druckveröffentlichung an Mozart.
Die Auswahl der beiden Orchesterstücke enthält musikgeschichtlich viel Interessantes; doch auch rein musikalisch war es atemberaubend spannend
– rundum bereichernd.