Wenn Wunden Wunder werden
31.10.2025 SaanenAm Frauenfrühstück vom vergangenen Samstag in Saanen eröffnete Florida Zimmermann ihren Zuhörerinnen einen ungewohnten Einblick in die muslimische Welt des Libanons der Siebzigerjahre. Sie beschrieb aber auch ihren Weg, dank dem sie vollständig die innere Freiheit ...
Am Frauenfrühstück vom vergangenen Samstag in Saanen eröffnete Florida Zimmermann ihren Zuhörerinnen einen ungewohnten Einblick in die muslimische Welt des Libanons der Siebzigerjahre. Sie beschrieb aber auch ihren Weg, dank dem sie vollständig die innere Freiheit fand. Mit sicheren Auftritten untermalte die junge Sängerin Ciara Coulter aus Zweisimmen die Lebensgeschichte der Rednerin mit vier emotionalen Liedern.
Mit Mustern von zwei verschiedenen Wundpflästerli führte Moderatorin Doris Kuhnen zum Thema «Wunden» hin. Im Gegensatz zu einem Schnitt in den Finger liessen sich seelische Wunden nicht einfach mit einem Pflaster verbinden. Sie erzählte aus ihrem Leben, wie sie ihre Minderwertigkeitsgefühle, die sich in ihrer Kindheit entwickelt hatten, mit der Zeit ablegen und mehr Selbstvertrauen aufbauen konnte.
Berührendes Schicksal
Florida Zimmermann wurde in den Siebzigerjahren während des Krieges im Libanon geboren. Als aussereheliches Kind hätte sie eine Zukunft ohne Hoffnung erwartet, wenn ihre Mutter nicht einen Mann gefunden hätte, der sie heiratete.
Ihre Kindheit verbrachte Flo, wie sie sich auch nennt, im Libanon, in Deutschland und in der Schweiz. Was es heisst, allein auf sich selber gestellt zu sein und auf die arbeitende Mutter zu warten, schilderte die Referentin mit eindrücklichen Bildern.
Das Angebot der Amal Miliz, eine Koranschule zu besuchen, kam dem Mädchen, das schon früh im Leben einen Sinn suchte, gelegen. So lernte die Achtjährige alle Gesetze und Vorschriften für Muslime kennen. Früh entschied sie sich, den Tschador anzuziehen, und eignete sich so, um unerkannt Waffen zu schmuggeln. Gerne stand sie auch ganz allein Wache am Checkpoint. Sogar zu einem Selbstmordattentat wäre sie bereit gewesen, um auf dem sichersten Weg zu Allah zu kommen.
Wie durch ein Wunder wurde sie 1985 aus den Slums von Beirut in das sichere Paradies, die Schweiz, geholt, wo ihr nichts mehr passieren konnte. Bei ihrer Pflegefamilie, die sie Jahre zuvor bereits in Deutschland kennengelernt hatte, hatte sie die Möglichkeit, nähere Bekanntschaft mit dem christlichen Glauben zu machen. Als sie ihr Leben Jesus übergab, dachte sie, dass nun alles gut sein würde. Aber die Vergangenheit liess sie nicht los.
Als 1996 viele Schicksalsschläge zusammenkamen, war sie entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, und zwar auf sicher. Das Vorhaben gelang ihr nicht – sie bekam eine zweite Chance. Sie fand kein Ja zu ihrem Leben, aber dennoch ein Nein zum Sterben.
Keine Wunde ist zu tief, um nicht zu heilen
Sie setzte sich neue Ziele mit aktiven Freizeitbeschäftigungen. So engagierte sie sich mit 22 Jahren als Hip-Hop/ Streetdance-Trainerin und begleitete Jugendliche. In der Zwischenzeit verheiratet, reiste sie mit der Tanzgruppe durch die ganze Schweiz und predigte von Liebe und Treue. Als ihre Ehe zerbrach, hatte sie nichts mehr, worauf sie stolz sein konnte. Sie «knallte» auf dem harten Boden auf: ihr ganzer «Dreck», ihr Versagen, ihr Verfolgungswahn, all ihre Verletzungen waren präsenter als je zuvor. Einsam kämpfte sie gegen aufkommende Suizidgedanken (sie hatte sich ja gegen den Tod entschieden!), bis es zum totalen Zusammenbruch kam.
In dieser Zeit ging sie zu einer christlichen Therapeutin, welche an einer Sitzung den Eindruck hatte, dass ihr Gott folgendes sagen wollte: «Ich habe schon bei deiner Geburt auf dich gewartet, ich habe dich genau so erschaffen, wie du bist.» Im freien Fall sei sie dann in Gottes Hand gefallen. Das galt auch für jede einzelne Zuhörerin im Saal: «Egal wie schwer deine Geschichte ist, es ist deine Geschichte. Gott hat dich gewollt und geliebt, von Anfang an.»
Zu Floridas Neuanfang gehört ihr zweiter Mann Christian, mit dem sie heute das «Offnigs Huus» in Bremgarten bei Bern leitet. Dort leben die Pflegefachfrau und der Lehrer mit ihrer Tochter und Floridas Mutter als Drei-Generationen-Familie und nehmen junge Menschen in Lebenskrisen auf, welchen sie Unterstützung und Hilfe anbieten.
Die Texte der englischen Lieder, die Ciara Coulter vortrug, wurden deutsch an die Leinwand projiziert, so konnte das Publikum das Gehörte zu passender Musik still in sich wirken lassen. Es blieb noch Zeit, sich gegenseitig über die Geschichte von Florida oder über eigene Erlebnisse auszutauschen. Am Büchertisch der Bücherecke «Rägeboge» mit Adela Müller aus der Lenk konnte in einem breiten Angebot an Büchern, Kalendern und weihnächtlichen Geschenkideen gestöbert werden. Das Buch «Durchbrecherin» von Florida Zimmermann wurde zum Kauf angeboten und auf Wunsch von der Autorin signiert. In dieser Zeit, da im Nahen Osten wieder Krieg herrscht, gehen die Eindrücke, die Florida vermittelte, bestimmt nicht so schnell vergessen.
FRAUENFRÜHSTÜCK/VRENI MÜLLENER
CDs mit dem ganzen Vortrag von Florida Zimmermann können bei Therese Beetschen (Tel. 079 948 24 88) nachbestellt werden.



