Wertvoll oder weit hergeholt? Uneinigkeiten über alpine «No-Zones»
08.11.2024 NaturSeit dem 1. August gelten in weiten Teilen der Berner Alpen neue Weg- und Routenbeschränkungen. Laut Peter Sollberger, Präsident des Bergführervereins Gstaad-Lenk, sind keine neuen Gebiete im Saanenland betroffen. Für Unmut und Uneinigkeit zwischen Wildschützern, ...
Seit dem 1. August gelten in weiten Teilen der Berner Alpen neue Weg- und Routenbeschränkungen. Laut Peter Sollberger, Präsident des Bergführervereins Gstaad-Lenk, sind keine neuen Gebiete im Saanenland betroffen. Für Unmut und Uneinigkeit zwischen Wildschützern, Jägern und Bergsportverbänden sorgt die Entscheidung dennoch.
ELISA OPPERMANN
Die Revision der Verordnung über den Wildtierschutz ist abgeschlossen. Bereits im Dezember 2023 genehmigte der Berner Regierungsrat die dritte und letzte Tranche der Überprüfung, bei der 29 Gebiete evaluiert und zehn neue Schutzgebiete geschaffen wurden. Gleichzeitig wurde ein Schutzgebiet aufgehoben und in 26 weiteren Gebieten wurden entweder die Schutzmassnahmen oder die Grenzen angepasst. Diese Initiativen wurden von Gemeinden, Schutzorganisationen, privaten Akteuren und der kantonalen Wildhut eingebracht. Seit dem 1. August dieses Jahres sind die neuen Bestimmungen nun in Kraft und gelten für den Zeitraum vom 1. Dezember bis zum 31. Juli.
Die neuen Beschränkungen stossen bei verschiedenen Interessengruppen auf gemischte Reaktionen. Das Jagdinspektorat des Kantons Bern und mehrere Wildschutzorganisationen unterstützen die Massnahmen, um die durch Freizeitaktivitäten verursachte Störung der Wildtiere zu minimieren. Wie Nicole Imesch, Jagdinspektorin des Kantons Bern, gegenüber dem «Berner Oberländer» mitteilte, sei es angesichts des wachsenden Outdoortourismus unerlässlich, bestimmte Gebiete zeitweise zum Schutz der Wildtiere zu sperren.
Betroffen von dem Entscheid sind zehn neue Gebiete, darunter das gesamte Lohnermassiv, das Suldtal, das Niedersimmental und der Hohgant. Zu den Massnahmen gehören neben einer Leinenpflicht für Hunde auch ein Verbot von Drohnenflügen sowie Wegvorgaben für Winteraktivitäten wie Skitouren, Schneeschuhwandern und Freeriden. Laut den Verantwortlichen sei es das Ziel, sensible Lebensräume, die besonders in den Wintermonaten entscheidend für das Überleben vieler Tierarten sind, besser zu schützen.
Saanenland nicht zwangsläufig betroffen
Im Saanenland bleibt die Situation dagegen unverändert. Peter Sollberger, Präsident des Bergführervereins Gstaad-Lenk, zeigt sich beruhigt: «Das Saanenland ist von der letzten Tranche der Revision der Wildtierschutzverordnung nicht betroffen.» Sollberger sieht die Massnahmen insgesamt als ausgewogenen Schritt zum Schutz der Natur, auch wenn es für Sportler zu Einschränkungen führen könnte. «Es ist wichtig, Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Zwar könnte dies für einige als Rückschritt empfunden werden, aber wir müssen die Balance finden, um die Berglandschaft auch in Zukunft nachhaltig nutzen und geniessen zu können.»
Insbesondere unterstreicht Sollberger, dass sich die wachsende Zahl von Besuchern und Outdoorsportlern langfristig auf die Natur auswirken könnte, was solche Massnahmen nötig mache. Er hebt hervor, dass der Kompromiss zwischen Naturschutz und Bergsport am richtigen Ort entscheidend sei, um die Region als wertvollen Erholungsraum für Mensch und Tier zu erhalten. Dennoch bestätigt Sollberger: «Es gibt in der Tat Schutzgebiete sowohl im Winter, als auch im Sommer die nicht zielführend und zum Teil sogar unnötig sind. Als Bergführerverband hatten wir bei den einzelnen Tranchen weniger Einschränkungen verlangt. Obschon uns diese zugesichert wurden, wurde das Versprechen zum grössten Teil nicht berücksichtigt.» Jetzt etwas zu korrigieren wäre laut Sollberger schwierig.
Die Meinung und Einstellung von Peter Sollberger wird aber nicht überall geteilt. Unmut und Sorge herrscht insbesondere bei den Bergsportverbänden und Bergführern der betroffenen Regionen. Gegenüber dem «Berner Oberländer» erwähnten mehrere Verantwortliche, darunter Pierre Mathey, Geschäftsführer des Schweizer Bergführerverbandes (SBV), und Ueli Frutiger, Präsident des Berner Bergführerverbandes (BBV), ihre Sorge über die Entwicklungen. Insbesondere wurde hierbei über die Sicherheit diskutiert, denn in alpinem Gelände sei Flexibilität bei der Routenwahl notwendig, um Gefahren wie Lawinenrisiken auszuweichen.
Uneinigkeit und Unverständnis
Während die einen Befürworter sind, herrscht Unverständnis bei den anderen: Auch Jäger sind sich uneinig. Daniel Oehrli, selbst Jäger und Bergführer zugleich, sieht die neuen Entwicklungen als kritisch, obgleich das Saanenland nicht betroffen ist. «Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir mit den anderen Bergführern solidarisieren und als geschlossene Gemeinschaft auftreten, obwohl wir noch nicht betroffen sind», wobei der gebürtige Lauener das «noch» besonders betont. Laut Oehrli gibt es im Saanenland, aber auch schweizweit, bereits ausreichend Gebiete, die als Rückzugsort für Tiere dienen und obwohl er sich selbst als leidenschaftlichen Jäger bezeichnen würde, hält er es für wichtig, dass die Ausgeglichenheit bei der Nutzung der Natur gewährleistet bleibt: «Ich denke, es ist auch nicht zielführend, wenn immer mehr Land nur von Jägern beansprucht wird», so Oehrli.