Weshalb verlernen wir die tiefe Hocke?

  01.12.2022 Gesellschaft

Von tiefen Hocken über die Wasserqualität von Badeteichen bis zu einer Analyse des Irlandkonfliktes – die Bandbreite an Themen war an der diesjährigen Maturaarbeitspräsentation der Gym4-Schüler:innen der Abteilung Gstaad des Gymnasiums Interlaken wieder äusserst breit. Wir haben bei zwei von den insgesamt neun Präsentationen genauer hingehört.

NICOLAS GEISSBÜHLER
Kaum ein Vortrag in der gesamtem Schulzeit mag so wichitg sein wie die Maturaarbeitspräsentation. In diesen 15 Minuten stellen alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten ihre Maturaarbeit vor, die sie in den letzten Monaten mit viel Herzblut und Schweiss erarbeitet haben. So war die Nervosität wohl bei allen theoretisch etwas höher als sonst, obschon sie in ihrer Schullaufbahn unzählige Vorträge zu halten haben. Von der Nervosität war aber niemandem etwas anzumerken. Ganz im Gegenteil: Die jungen Erwachsenen standen mit Selbstsicherheit vor dem Publikum.

Wer kann sie noch?
«Sind Sie noch fähig, die tiefe Hocke auszuführen?» Mit dieser Frage startet Ina Schneeberger in ihre Maturaarbeitspräsentation. Laut ihren Worten ist die tiefe Hocke die natürlichste Position des Menschen und zudem noch gesund: Die Gelenke werden weniger beansprucht und sogar noch gestärkt, da sie zu einer besseren Lastenverteilung führt. Ausserdem hilft die Hocke als Verletzungsprophylaxe oder Frauen bei der Geburt. Sie erklärt auch, dass die tiefe Hocke eine natürliche Position sei, die wir als Kleinkinder alle können und im Verlauf unseres Lebens nur verlernen, weil wir sie zu selten brauchen. Und das sei wiederum unserem Lebensstil geschuldet. Menschen, die im asiatischen Raum aufwachsen, seien dazu besser in der Lage.

Grosses Experiment
Ina Schneeberger hat einen Trainingsplan erstellt und wollte mit Testgruppen über den Zeitraum von zehn Wochen herausfinden, ob sich diese Fähigkeiten zur tiefen Hocke verbessern lasse. Sie fand 35 Testpersonen, die sie in vier Testgruppen aufteilte und regelmässig deren Trainingsfortschritt kontrollierte. Und die Ergebnisse sind deutlich: Im Schnitt liess sich der Kniewinkel in der Hockeposition bei den Testpersonen um mehr als 15 Grad verkleinern. Somit liess sich zumindest eine ihrer Hypothesen bestätigen und zwar, dass sich die tiefe Hocke grundsätzlich durch Training verbessern lässt. Eine Abhängigkeit vom Geschlecht war dabei aber schwer festzustellen, da beide Geschlechter ähnliche Fortschritte machten. Das Alter schien eine Rolle zu spielen, aber nur beschränkt, da auch die ältesten Probanden Fortschritte machten. Allerdings: Je jünger sie waren, desto grösser waren ihre Fortschritte.

Einige mussten abbrechen
Die grösste Herausforderung für ihre Forschungsarbeit sei wohl die Zusammenarbeit mit den Probanden gewesen, analysiert Schneeberger. Sie habe motivierte Personen gebraucht, da sie jeden Tag individuell nach ihrem Plan trainieren mussten. Zudem mussten einige während des Experiments abbrechen – meist verletzungsbedingt, allerdings unabhängig vom Experiment. Am Schluss konnten doch 60 Prozent der Teilnehmenden die tiefe Hocke korrekt ausführen.

Buch versus Realität
Einen komplett anderen Forschungsansatz verfolgte Luca Popa in seiner Maturaarbeit mit dem Titel «The Troubles – The Northern Ireland War». Er untersuchte die historischen Fakten zum Nordirlandkrieg und verglich diese dann mit der Darstellung dieses Krieges im Roman «Lies of Silence». Dabei spielt sowohl im Buch als auch im echten Leben der Glaubenskonflikt zwischen Katholiken und Protestanten eine zentrale Rolle. Es entstand ein Jahrhunderte langer Krieg, der Ende des letzten Jahrhunderts seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte.

Für Luca Popa war es wichtig, diesen Vergleich mit dem Buch aufzuzeigen, da ihm das Buch die menschliche Komponente des Konfliktes vermittelt hatte. Er könne sich dank des Buches mit den Menschen identifizieren, die diesen Krieg miterleben mussten.

Miteinander auskommen
Beeindruckend ist auch Luca Popas Vergleich zur heutigen Zeit: Einerseits sieht er den Konflikt nicht als abgeschlossen, sondern befürchtet nach dem Brexit eine erneute Eskalation. Andererseits betont er, wie wichtig es sei, dass wir miteinander leben lernen würden – gerade bei Meinungsverschiedenheiten.

Bis auf den letzten Platz
Der Andrang für die Maturaarbeitspräsentationen war gross. Bei Ina Schneebergers Vortrag war der Raum mit gut 45 Anwesenden bis auf den letzten Platz gefüllt, auch Luca Popa durfte über 25 Personen zu seiner Präsentation begrüssen.


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