In einem Secondhandladen in Kyjiw hat ein Ukrainischer Soldat in einer Uniform eine Militärerkennungsmarke eines Saaner Soldaten gefunden. Doch wie kam sie dorthin?
ANITA MOSER
Via E-Mail hat sich Olha Chernys bei der Redaktion dieser Zeitung gemeldet. Sie lebe ...
In einem Secondhandladen in Kyjiw hat ein Ukrainischer Soldat in einer Uniform eine Militärerkennungsmarke eines Saaner Soldaten gefunden. Doch wie kam sie dorthin?
ANITA MOSER
Via E-Mail hat sich Olha Chernys bei der Redaktion dieser Zeitung gemeldet. Sie lebe derzeit in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw und sei die Ehefrau eines ukrainischen Soldaten, der seit 2014 für die Unabhängigkeit und Freiheit der Ukraine kämpfe. «Eines Tages, als mein Mann Urlaub hatte, spazierten wir durch einen Secondhandladen. Im Bereich mit Militärkleidung fiel ihm eine Uniform auf, die sein Interesse weckte. Als er sie vom Haken nahm, fiel eine militärische Erkennungsmarke heraus», schreibt sie. «Mein Mann entschied sofort, diese Marke mitzunehmen, weil sie im Laden sicher verloren gegangen wäre. Da er selbst Soldat ist und ebenfalls eine solche Marke trägt, wusste er, wie wichtig sie für jemanden sein kann.» Zu Hause hätten sie die Erkennungsmarke genauer angeschaut und festgestellt, dass sie einem Soldaten der Schweizer Armee gehörte – Marcel Müllener, geboren am 26. Februar 1926, aus Saanen, Kanton Bern. «Wir waren sehr überrascht, dass diese Marke in der Ukraine gelandet ist und unterwegs nicht verloren ging.»
Diese Geschichte habe auch sie sehr berührt und deshalb habe sie beschlossen, die Familie dieses Soldaten zu suchen, um ihr die Erkennungsmarke zurückzugeben, schreibt die Deutschlehrerin. Zurzeit lebe sie in Kyjiw, aber zu Beginn des russischen Angriffkriegs habe sie Zuflucht in Österreich gesucht und dort circa neun Monate gelebt. «Wegen der Krankheit meines Vaters und eines Schlaganfalls meines älteren Bruders, der sich um meine Eltern kümmerte, musste ich jedoch zurückkehren und bin seitdem wieder in der Ukraine.»
Gesucht und gefunden
Selbstverständlich würden wir via Aufruf im «Anzeiger von Saanen» mithelfen, die Familie zu finden, teilten wir Olha Cherys mit. Der Name Marcel Müllener sei nicht so verbreitet, wusste Frank Müller. Und er ahnte bereits, dass es sein ehemaliger Nachbar sein könnte. «Ruf doch mal Beat Müllener an und frag ihn nach dem Geburtsdatum seines Vaters.» Gesagt getan. Ja, der Name seines Vaters sei Marcel gewesen, antwortete Beat Müllener leicht erstaunt ob meiner Frage. Als er mir auf meine Bitte hin dessen Geburtsdatum verriet, stockte mir kurz der Atem. Und als ich ihn umgekehrt informierte, dass die Erkennungsmarke seines Vaters von einem ukrainischen Soldaten in einem Laden in der ukrainischen Hauptstadt gefunden worden sei, ging es ihm wohl ebenso.
Mit der Kleidersammlung von Gstaad in die ukrainische Hauptstadt
Sein Vater Marcel habe 1945 die Rekrutenschule absolviert, im Kriegsdienst sei er nie gewesen, erklärte mir Beat Müllener. Sein Vater starb 83-jährig im Jahr 2009. Vor wenigen Jahren hätten seine Schwestern und er das Elternhaus in Gstaad geräumt. «Die Uniform unseres Vaters haben wir mit anderen Kleidern in die Kleidersammlung gegeben», erinnert er sich. Und offenbar kam die Uniform via Kleidersammlung in die Ukraine – samt der Erkennungsmarke. Anders könne er es sich kaum erklären, wie die Erkennungsmarke – der «Grabstein», wie man hierzulande sagt – seines Vaters in die ukrainische Hauptstadt gekommen sei, so Beat Müllener.