Wild und Wald – eine Ambivalenz
03.04.2023 GsteigAn der Hauptversammlung der Waldbesitzer Saanenland-Obersimmental kamen der zunehmende Wildbestand und dessen Auswirkungen auf den Zustand des Waldes zur Sprache. Handlungsbedarf zeichnet sich ab.
JENNY STERCHI
So majestätisch ein äsender Hirsch am Waldrand ...
An der Hauptversammlung der Waldbesitzer Saanenland-Obersimmental kamen der zunehmende Wildbestand und dessen Auswirkungen auf den Zustand des Waldes zur Sprache. Handlungsbedarf zeichnet sich ab.
JENNY STERCHI
So majestätisch ein äsender Hirsch am Waldrand wirkt, so problematisch wird es für den Wald, wenn es zu viel von ihnen gibt.
Was der Wald leisten kann
«Die Ansprüche, die der Mensch heute an den Wald stellt, sind vielfältig», waren sich die Referenten an der Hauptversammlung der Waldbesitzer Saanenland-Obersimmental einig. Martin Sonderer und Michel Brügger, beide angestellt beim kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren, führten aus, das der Wald als Baustofflieferant, Erholungszone und vor allem als Schutz vor Naturgefahren genutzt wird.
Erich von Siebenthal, Präsident des Vereins Lignum Holzwirtschaft Bern, wurde konkret: «Auf 30 Prozent der Kantonsfläche steht Wald. Gut die Hälfte dieses Waldbestandes übernimmt eine Schutzfunktion.» Im Schutz dieser Berner Waldflächen leben 50’000 Menschen in ihren Häusern, stehen 125 touristische Anlagen, liegen 126 Kilometer Bahnlinien und gar 2500 Strassenkilometer.
Für die Bewirtschaftung und die Pflege des Objektschutzwaldes zahlte das Amt für Wald und Naturgefahren im vergangenen Jahr Beiträge in Höhe von über vier Millionen Franken.
Womit der Wald kämpft
Für diese Ansprüche muss der Wald einiges leisten. Windfall und Bruch durch Schnee und Lawinen sind Primärschäden, die den Käferbefall als Folgeschaden bedingen. In der Regel ist das Ausmass der Primärschäden grösser als das der Folgeschäden.
Doch augenblicklich ist dieses Verhältnis laut Martin Sonderer umgekehrt.
Zunehmende Trockenheit in den Sommermonaten machen dem Wald ebenfalls zu schaffen. Eine klimabedingte Verschiebung der Vegetationszonen in den kommenden Jahren ist Tatsache. Diese Verschiebung sei für die Natur grundsätzlich kein Problem, sehr wohl aber für die vom Mensch gewünschten Waldleistungen.
Wild verschärft die Situation
Die Verjüngung des Waldes (ausgefallene Samen treiben als Jungwuchs aus) würde seinen Fortbestand sicherstellen, aufgrund klimatischer Veränderungen vermutlich mit anderer Zusammensetzung der Baumarten, so Michel Brügger.
«Die Ausbreitung und das Wachstum der Rotwildbestände verschärft die Situation der Wälder im Kanton Bern», führte Brügger weiter aus. Im Osten des Kantons seien die Schäden durch den Wildverbiss des Jungwuchses immens. Erich von Siebenthal sprach von Rekordbeständen beim Wild im Kanton Bern und daraus resultierender Gefährdung des Schutzwaldes.
Die gesetzliche Grundlage sieht vor, dass auf mindestens drei Vierteln Waldfläche die natürliche Verjüngung ohne besondere Schutzmassnahmen möglich sein muss. Bei den Wildschadengutachten der vergangenen Jahre wurde die allgemeine Situation im Kanton als noch tragbar ausgewiesen. Doch regional wurden bereits untragbare Situationen sichtbar.
Politik, Behörden und Waldbesitzer sind gefragt
Auch Ernst Wandfluh, Vorstandsmitglied im Verband Berner Waldbesitzer, bestärkte die Forderung, den Wildschäden konsequent entgegenzuwirken. Nach Ansicht des Amts für Wald und Naturgefahren ist die gute Zusammenarbeit mit dem Jagdinspektorat zentral. Gesetzliche Bestimmungen zur Bejagung des Rotwildes gehen von politischer Ebene aus.
Lokale Massnahmen im Schutzwald, die von der Behörde herausgegeben wurden, sind zum einen die Schaffung von Freihalteflächen und Bejagungsschneisen. Zum anderen der Versuch, punktuell Waldflächen einzuzäunen.
Die Waldbesitzer sind aufgefordert, allfällige Wildschäden dem Jagdinspektorat zu melden und sind somit Ausgangspunkt für Anpassungen im Umgang mit den Wildbeständen.
SOLIDE RECHNUNG UND RUEDI FRUTIGER NEU IM VORSTAND
Der derzeitige Kontostand der Waldbesitzervereinigung Obersimmental-Saanenland weist ein Guthaben von 78’196 Franken aus. Das letzte Geschäftsjahr endete mit einem Gewinn von 9205 Franken. Mit einstimmiger Ersatzwahl wurde Ruedi Frutiger aus Boltigen neu in den Vorstand gewählt. Er ist Mitglied im Boltiger Gemeinderat und ersetzt Robert Treuthardt. Ausserdem wurden die Waldbesitzer von Daniel Bütschi über das Dienstleistungszentrum Wald und Umwelt Saanenland (DLZ WUS) informiert. Es steht den Waldeigentümern bei den betrieblichen Aufgaben zur Pflege und zum Forstschutz beratend zur Seite. Die Eigenverantwortung der Waldbesitzer ist mit der Entwicklungsstrategie der Waldwirtschaft des Kantons Bern deutlich gewachsen. Auch Frutigen führte ein solches Sitzgemeindemodell zur Waldbewirtschaftung ein. Am Ende der Versammlung wurde eine Reihe neuer Holzbauten im Saanenland und im Simmental mit der Plakette «Schweizer Holz» ausgezeichnet.
JENNY STERCHI



