Wo fängt der Spass an und wo hört er auf?

  29.04.2022 Kirche

Vielleicht können sich viele noch an den Film «Der Name der Rose» von Umberto Eco erinnern. Die Geschichte spielt in einer reichen mittelalterlichen Abtei, in der sich mysteriöse Todesfälle ereignen. Der Franziskanermönch William von Baskerville, der in einer politischen Mission als Sondergesandter des Kaisers unterwegs ist, wird vom Abt der Benediktinerabtei gebeten zu ermitteln. Die Spur führt William in die Klosterbibliothek zu dem blinden Jorge, einem greisen Mönch, der dort das einzig erhaltene Exemplar der Poetik des Aristoteles, in dem die Komödie behandelt wird, bewacht. Jorge hält die positive Einstellung zur Freude und zum Lachen für derart gefährlich, dass er es mit einem Gift versehen hat und es lieber vernichten würde, als es in fremde Hände fallen zu lassen.

Diese Angst vor dem Humor und dem Witz können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Dennoch sehen noch heute viele Christen Gott als kleinlichen Buchhalter der Sünden, der dafür sorgt, dass sich jedes böse Wort rächt. Die Frage, ob Gott selber Humor hat, wird von Gerd Heinz-Mohr so beantwortet: «Die Frage, ob Gott Humor hat, ist müssig. Gott hat den Menschen erschaffen und dieser ist komisch genug.» Auch die Frage, ob Christinnen lachen dürfen, wurde von Martin Luther sehr deutlich positiv beantwortet. Freude ist für ihn der Gegenpol zur Traurigkeit, zur «tristia» die vom Teufel ist. Freude könne der Teufel nicht ausstehen, also würde er sie fliehen, meint er. Dieser Zusammenhang ist immer wieder Schwerpunkt in Luthers Argumentationen. Natürlich ist es für Luther wichtig, um dem «Teufel eins auf die Schnauze zu geben», dass die Fröhlichkeit mit dem Christuswort verbunden ist. Dies zeigt unter anderem ein Ausspruch des älteren Luthers, dass «die liebliche Musik mit und neben Gottes Wort den Teufel und sein Geplempe verjagen und ein betrübt Herz erquicken und trösten kann». In seinen Trostbriefen gibt Luther Angefochtenen und Verzweifelten häufig den Rat, die Geselligkeit und die fröhliche Unterhaltung in scherzhaften Gesprächen aufzusuchen. Die Fröhlichkeit, zu der Luther des Öfteren auffordert, geht weit über eine spirituelle Fröhlichkeit hinaus, indem sie das Lachen über den Teufel und über nichtige Dinge miteinschliesst. Denn er weiss, das Lachen und der Humor sind Mittel, um sich selbst in Frage zu stellen; sie schaffen Distanz zu sich selbst und zu dem, was in der Welt so alles passiert. Darum sind Menschen, die sich bei allen religiösen Themen angegriffen fühlen, die ihre religiösen oder politischen Doktrinen als die alleingültigen durchsetzen wollen, schnell einmal ungeniessbar.

Humor und Religion sind keine Gegensätze. Doch bei allen Witzen gibt es moralische Grenzen. Was sich innerhalb der ethischen Werte bewegt, ist humorvoll, was ausserhalb ist, gilt als kulturlos und verletzend. Wo die moralischen Grenzen sind, ist von der zeitbedingten Kultur einer Gesellschaft abhängig. So wird sich heute niemand mehr über die bekannten Kirchenwitze aufregen:

«Als auch im Himmel gewisse gewerkschaftliche Errungenschaften angekommen waren, sollte es endlich einmal einen Betriebsausflug geben. In höchsten Kreisen beriet man über das Ziel. ‹Jerusalem ist eine wunderbare Stadt›, sagte Jesus, ‹aber ihr versteht gewiss, dass ich an sie schmerzliche Erinnerungen habe. Wie wärs mit Lourdes?› – ‹Ach nein›, stöhnt Maria auf, ‹da muss ich doch immer hin! Und Rom?› – ‹Oh ja›, sagt der Heilige Geist, ‹da war ich noch nie.›» Oder: «Warum küsst der Papst nach jedem Flug die Erde? – Kann auch nur jemand wissen, der schon mal mit Alitalia geflogen ist.» Wenn wir, die Reformierten, diese Witze erzählen, sollten wir auch die Witze über die Reformierten miterzählen. Besonders viele gibt es über zu lange und zu langweilige Predigten. «Ein Pfarrer konsultiert einen Psychiater wegen seiner Schlafstörungen. Der fragt ihn bei der Sitzung: ‹Reden Sie im Schlaf?› – ‹Nein›, antwortet der Pfarrer, ‹ich rede nur, wenn andere schlafen.›» Oder der beliebte Witz über das Fernbleiben der Frischkonfirmierten: «Zwei evangelische Pfarrer sprechen über das Taubenproblem in ihren Kirchtürmen. Sagt der erste: ‹Ich habe alles versucht. Dauerläuten, einen Turmfalken angeschafft, am Ende sogar den Kammerjäger beauftragt. Hat alles nichts geholfen – die sind nach wie vor da.› Sagt der zweite: ‹War bei mir ähnlich, bis mir die rettende Idee kam: Ich habe die Tauben einfach getauft und konfirmiert und ab dem Tag keine einzige jemals wiedergesehen.›»

Doch können wir auch über Witze lachen, die auf unsere Kosten gehen? Über Witze, bei denen die Einschläge immer näherkommen? Zum Beispiel über die Frau, die angesichts von zwei missionierenden «Krishna-Jüngern» an der Wohnungstür ihrem Mann zuruft: «Gerd, brauchen wir ’ne neue Religion oder ist die alte noch o.k.?»

Oder die Karikatur des Stern-Cartoonisten Til Mette. Die Karikatur zeigt einen Strassenkünstler im Osterhasenkostüm, der auf einem Einrad mit Ostereiern jongliert. Ein Muslim erklärt seiner Familie: «Für die Christen symbolisiert dieser jonglierende Osterhase das Zentralmotiv ihres Glaubens: die Auferstehung Jesu.» Hart, weil es deutlich macht, wie weit sich unsere abendländische Gesellschaft und Kultur vom Christentum entfernt hat.

Der Karikaturist wird hier zum Mahner, der nachdenklich machen will und uns herausfordert. Eine Karikatur hat sicher ihre Funktion erfüllt, wenn der Karikaturist den Verantwortlichen einer Gemeinde oder einer Gesellschaft den Spiegel vorhält. Er kann damit auch zeigen, wie eine religiöse Gemeinschaft von aussen gesehen wird. Solange uns Witze zum Gedankenaustausch anregen oder hintergründig sind, sind sie erlaubt. Sich einfach nur lustig machen und jemanden in die Pfanne hauen, ist nicht witzig. Auch sollten religiöse Gefühle nicht verletzt werden. Es gibt Sachen, die eignen sich nicht für Witze oder Karikaturen, und zwar unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit. Zum Beispiel, wenn Brot und Wein als Picknick dargestellt werden, ist das nicht nur geschmacklos, es ist für Gläubige auch verletzend. Ebenso wenn das Sterbesakrament als der letzte Ölwechsel bezeichnet wird. Auch alles, was mit der Kreuzigung Jesu zu tun hat, sollte mit dem nötigen Fingerspitzengefühl behandelt werden. Hier hört der Spass auf!

KORNELIA FRITZ


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