«Alphüsli» gibt zu reden
31.03.2010 Business, Tourismus, GstaadSeit einigen Wochen steht ein offener Standwagen mit Bündner Produkten in der verkehrsfreien Gstaader Promenade. Er erhitzt im Dorf Gstaad die Gemüter. Was denken Sie? www.anzeigervonsaanen.ch
«Das Bündner Alphüsli ist direkte Konkurrenz zum einheimischen Gewerbe», sagt Michel Brand, Präsident der Dorforganisation Gstaad. «Wir brauchen diese Stände von Auswärtigen nicht in der Promenade, weil wir solche Produkte selbst haben», so Brand.
Auch der Gewerbeverein Saanenland ist nicht glücklich über den Besuch aus dem Bündnerland. «Trotz Gewerbefreiheit, welche wir hochhalten, ist es störend, dass auswärtige Anbieter mitten in unserer Promenade während ein paar Wochen Waren anbieten», sagt Gewerbevereinspräsident Hanspeter Spychiger. Seiner Meinung nach ist das Vorgehen von Alphüsli nicht gerecht gegenüber den einheimischen Gewerbetreibenden. «Von unseren einheimischen Gewerbebetrieben erwarten wir, dass sie ganzjährig geöffnet haben und nicht nach ein paar Wochen, respektive nach der Saison wieder abziehen und schliessen. Zudem sind dies teure Standorte, welche von auswärtigen Firmen nur für kurze Zeit günstig gemietet werden. Diese Firmen versuchen kurzfristig vom grossen Potenzial Gstaad zu profitieren, ohne jedoch selber einen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung der Region zu leisten. Das Wort Schmarotzer darf sicher verwendet werden», so Spychiger. «Für die Zukunft wünschen wir uns, dass mit einem Reglement die Nutzungsmöglichkeiten der Promenade nachhaltig geregelt werden», sagt er.
Es braucht die Bewilligung des Platzeigentümers
Brand und Spychiger wissen, dass das Vorgehen vom Alphüsli rechtlich absolut korrekt ist. «Es ist einfach schade, dass private Grundeigentümer für schnelles Geld ihr Grundstück zur Verfügung stellen, damit dort Produkte aus einer anderen Ferienregion angeboten werden können», sagt Brand.
Die Hauseigentümerin hat mit dem Bündner Alphüsli einen Vertrag unterzeichnet und damit die Bewilligung erteilt. Von der Gemeinde braucht es keine Bewilligung, da der Stand auf privatem Grund steht und es sich dabei nicht um einen festen Bau handelt. «Ein Stand, der mobil ist, braucht einzig die Bewilligung des Platzeigentümers» , erläutert Armando Chissalé, Verwaltungsdirektor der Gemeinde Saanen. «Das ist ein Verkaufsstand wie andere Verkaufsstände auch. Beispielsweise der von den Landfrauen Saanen. Dort werden zwar Lebensmittel gekauft, aber niemand lässt sich da nieder, um Speisen und Getränke zu konsumieren. Die Frage, ob Toiletten und Sanitäranlagen notwenig sind, erübrigt sich also», sagt Chissalé. «Alle Grund- und Ladeneigentümer haben das Recht, nach draussen zu gehen mit ihren Produkten.»
«Neues ausprobieren, Chancen geben»
Gabriela Matti, die als Hauseigentümerin dem Alphüsli das Grundstück zur Verfügung stellt, geht es nicht um das «schnelle Geld»: «Das Team, das hinter dem Alphüsli steckt, ist ein dynamisches Team. Ich habe mich mit diesen Leuten getroffen, bevor ich zugesagt habe. Ich bin von den Produkten überzeugt und möchte diesen jungen Leuten, die wirklich arbeiten wollen, eine Chance geben», sagt sie. «Wir reden doch hier von Schweizer Produkten und ich denke, darauf sollten wir alle stolz sein. Die Promenade ist nur während weniger Wochen belebt und fröhlich. So ein Hüsli schadet dem Image von Gstaad ganz sicher nicht», ist sie überzeugt. Gabriela Matti bemüht sich ausserdem, dass der Stand dem Outfit der Promenade besser angepasst wird. «Ein einheimischer Schreiner wird einen neuen Stand bauen. Das Hüsli wird dann aussehen, wie ein typisches Gstaader Chalet», berichtet Gabriela Matti. Das bestätigt auch Bruno Schwyter, vom Unternehmen Alphüsli in Schweizersholz/TG. Schon jetzt arbeite man an einem neuen Standoutfit, um das bisherige Alphüsli in Gstaad durch ein optisch schöneres zu ersetzen. Schwyter zeigt sich kooperativ: «Wenn irgendwelche Bedenken von der Gemeinde kommen, lassen wir doch mit uns reden», sagte er gegenüber dem «Anzeiger von Saanen». «Meiner Meinung nach passen diese Produkte und dieser Stand sehr gut nach Gstaad», wiederholt Matti. «Querstellen will ich mich aber nicht. Ich habe Michel Brand von der Dorforganisation vorgeschlagen, dass wir uns doch nach einer gewissen Zeit unterhalten können, ob dieser Stand eine Bereicherung ist oder nicht. Aber man muss auch mal etwas Neues ausprobieren und jungen Menschen eine Chance geben.»
Bruno Schwyter wundert sich über die Missgunst einiger Gstaader. «Das haben wir so noch nie zu spüren bekommen. Es gibt doch die freie Marktwirtschaft. Wir haben offiziell einen Platz bekommen und nun sollte es doch auch möglich sein, dort zu arbeiten.» Schwyter sagt, er wolle einfach ein gutes Produkt lancieren und dabei noch Arbeitsplätze schaffen. Das Konzept der Marke Alphüsli ist der Direktvertrieb von Spezialitäten aus dem Kanton Graubünden und der Ostschweiz. Mit Anhängern in Form von rustikalen Chalets und offenen Standwagen werden öffentliche Märkte, Messen und Standorte in der ganzen Schweiz beliefert. Seit sechs Jahren touren die Alp-hüsli durch die Schweiz. «Das Echo, das wir bekommen, ist im Allgemeinen positiv», so Schwyter. Wie lange der Standwagen in Gstaad bleibt, sei noch unklar. «Wir richten uns da ganz nach der Besitzerin des Grundstücks. Wir sind ja sozusagen nur geduldet. Wenn die Hauseigentümerin und die Gemeinde mitmachen, wollen wir natürlich möglichst lange bleiben.»
Tourismusförderungsabgabe ist Pflicht
Auch Tourismusdirektor Roger Seifritz steht dem Bündner Alphüsli kritisch gegenüber: «Das sind Profiteure, die sich hier in das gemachte Nest setzen, Umsatz machen, nicht die gleichen Lasten und Kostenstrukturen zu tragen haben wie einheimische Betriebe und dann wieder verschwinden. Mit Bereicherung aus Destinationssicht hat das wenig zu tun.» GST habe dem Unternehmen, wie jedem anderen Gewerbetreibenden auch, eine TFG-Rechnung (Tourismusförderungsabgabe) gestellt.
Die Mitarbeiter, die im Alphüsli auf der Promenade ihre Produkte verkaufen, haben hauptsächlich positives Feedback bekommen. «Es gab in der ganzen Zeit, in der wir jetzt hier sind, vielleicht zwei Leute, die gesagt haben: Nein, danke. Wir kaufen nur Produkte aus dem Saanenland», sagt Verkäufer Marcel Scherer. «Wir machen doch keine Werbung für St. Moritz», sagt Marcel Scherer. «Wir wollen Gstaad ganz bestimmt keine Touristen wegnehmen, sondern einfach mit unseren Produkten das Angebot bereichern.» Michel Brand von der Dorforganisation Gstaad sieht darin auch nicht so sehr das Problem. «Ich glaube nicht, dass ein einziger Stand aus dem Bündnerland Gstaad Touristen wegnehmen kann. Aber das gilt doch nur, so- lange es nur ein Stand ist. Angenommen, das Konzept von Alphüsli hat nun Vorbildfunktion und irgendwann stünden hier zehn solcher Stände – dann hätten wir ein echtes Problem», ist Brand überzeugt.
von Christine Eisenbeis
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