Kampfansage gegen die Abschaffung der Pauschalsteuer
29.04.2010 Business, Tourismus, Kanton, Politik, Saanenland, GstaadMehr als 150 Personen waren dem Aufruf des Gewerbevereins gefolgt und liessen sich am Dienstagabend über die Pauschalsteuer, respektive über mögliche Auswirkungen bei deren Abschaffung informieren.
Sie hatten ein leichtes Spiel, die beiden Referenten Peter Geiger und Toni Amonn: Überzeugungsarbeit war nicht nötig, die über 150 Anwesenden schienen sich einig zu sein, dass eine Abschaffung der Pauschalsteuer im Saanenland verheerende wirtschaftliche Folgen hätte. Man rechnet mit 1500 Arbeitsplätzen, die im Saanenland gefährdet wären (siehe auch Ausgabe vom Freitag, 23. April). Abschaffungsbefürworter sind der Veranstaltung offenbar ferngeblieben oder haben sich nicht geoutet. Weit schwieriger dürfte es sein, die Stimmbürger im restlichen Kanton zu überzeugen – denn letztlich ist es der Souverän, der entscheidet. In der Aufklärung sehen die Gewerbler aus dem Saanenland und die beiden Steuerexperten denn auch die grösste Herausforderung für die nächsten Monate. «Wenn man die Pauschalsteuer abschaffen will, muss der Stimmbürger die Kosten kennen», betonte Peter Geiger.
Abwanderung befürchtet
Werde die Pauschalsteuer abgeschafft, würden viele Pauschalierte aus dem Kanton wegziehen, so die Befürchtung. Allein die Diskussion um die Pauschalsteuer führe bereits zur Abwanderung, wie das Beispiel in England gezeigt habe, betonte Geiger. «Es ging bei diesen Diskussionen nicht etwa um eine Abschaffung, sondern nur um eine Verschärfung und dennoch sind reiche Engländer in die Schweiz ausgewandert.» Die Diskussion im Kanton Bern habe auch bereits einen ihrer Klienten dazu veranlasst, ein geplantes Bauobjekt vorläufig zu sistieren und abzuwarten, so Geiger und Amonn. «Die Neuzuzüger würden per sofort ausbleiben», sind Geiger und Amonn sicher – mit fatalen Auswirkungen für die Region. «Die 1500 Arbeitsplätze im Saanenland hängen zum grossen Teil von Neuzuzügern ab.» Auf die drei zurückliegenden Jahre gerechnet, werde im Grossraum Saanenland jährlich ein Investitionsvolumen von 300 Millionen Franken ausgelöst. «Das muss man im Grossen Rat und auch im Nationalrat zur Kenntnis nehmen», betonten die beiden Referenten. «Diejenigen, die die Pauschalsteuer abschaffen wollen, haben kein Informationsdefizit, sie fordern die Abschaffung im absoluten Wissen, dass Jobs gekillt werden. Das ist das, was uns am meisten Mühe macht und uns emotional werden lässt», so Geiger.
«Absolute Steuergerechtigkeit gibt es nicht»
Pro und Kontra sollen offen diskutiert werden, betonte Moderator Hans Wanzenried zu Beginn der Veranstaltung. Mangels «Kontra» hat man versucht, die Argumente der Gegner der Pauschalsteuer aufzunehmen. Die Ungerechtigkeit ist eines der Hauptargumente der Gegner. «Gerechtigkeit ist nicht etwas Objektives», so Toni Amonn. Dass zum Beispiel neu angesiedelte Unternehmen für zehn Jahre von der Steuer befreit werden können, sei kein Thema. «In Bezug auf die Pauschalsteuer vergisst man, dass Pauschalierte ihre Einkünfte, die sie im Ausland einnehmen, in aller Regel in diesen Ländern auch versteuern müssen. Die Pauschalsteuer in der Schweiz ist daher nur ein kleiner Teil ihrer weltweiten Steuerbelastung.» Es wurde aber auch nicht verhehlt, dass es in dieser Branche schwarze Schafe gibt. Wichtig sei, dass die Pauschalsteuer auch für den Staat zu einer fairen Lösung führe und nicht missbraucht werde. Es gebe keine absolute Steuergerechtigkeit, und es sei gerechter, wenn diese Leute hier einen satten pauschalen Steuerbetrag ablieferten, als andernorts wie z.B. in Monaco überhaupt keinen, so Amonn.
«Gefährliches Paket»
Für sie sei die Pauschalsteuer nicht ungerecht, betonte Bethli Küng. «Die Pauschalbesteuerten sind in der Schweiz nicht erwerbstätig. Wenn sie in einem anderen Land Geld verdienen, ist es der Auftrag dieses Landes dafür zu sorgen, dass sie dort Steuern bezahlen.» Kritik übte sie an den Initianten der Initiative «Faire Steuern – Für Familien». Die Initiative besteht aus drei Elementen: Abschaffung der Pauschalsteuer, Erhöhung des Kinderabzuges und Rückgängigmachung der vom Grossen Rat in der März-Session beschlossenen allgemeinen Einkommens- und Vermögenssteuersenkung. Sie hoffe, so Grossrätin Küng, dass die Stimmbürger sehen, dass man den «einfachen Bürger prellen will». In den Augen von Bethli Küng ist die Initiative ein gefährliches Paket. «Einerseits will man mit der Abschaffung der Pauschalsteuer 20 Millionen Franken aufs Spiel setzen und andererseits will man dem Steuerzahler das eine Zehnteli nicht gewähren.»
«Im Interesse aller»
Viele hätten das Gefühl, dass das Thema nur ein paar Reiche und die sowieso reiche Gemeinde Saanen – die auf die Steuereinnahmen verzichten könnte – betreffe, sagte Gemeindepräsident Aldo Kropf. «Viele realisieren nicht, dass es viel mehr betrifft.» Wesentlich mehr als die Hälfte der Steuereinnahmen durch die Pauschalbesteuerten gehe an den Kanton und damit profitiere jeder im Kanton von der Pauschalsteuer. «Wenn es uns wirtschaftlich gut geht, können wir auch ein relativ hohes Steuereinkommen in den kantonalen Lastenausgleich bezahlen.» Die Gemeinde Saanen stehe diesbezüglich an dritter Stelle. «Wir bezahlen so viel in den Lastenausgleich, wie das ganze Ober- und Niedersimmental aus dem Steuerausgleich bekommt», betonte Kropf. «Damit profitiert auch diese Region, es gibt Arbeitsplätze, diese generieren Steuern, was wiederum allen zugute kommt.»
«Nutzniesser wären andere Länder»
Wird die Pauschalsteuer abgeschafft, sind aus Sicht von Geiger und Amonn Länder wie Monaco, England, Luxemburg, verschiedene Inselstaaten, aber auch Österreich die Nutzniesser. «Die Österreicher haben eine ganz ausgeschlafene Lösung», so Geiger. «Der Innenminister kann per Dekret entscheiden, wie viel ein Pauschalierter zu bezahlen hat – das kann auch null sein.» Dem Kanton würde die Abschaffung keine Vorteile verschaffen, man könne dabei nur verlieren.
Pauschalsteuer soll angepasst werden
Einig war man sich am Montagabend, dass die Berechnungsgrundlage der Pauschalsteuer angepasst, sprich erhöht werden könnte. Laut Amonn schlägt die Finanzdirektorenkonferenz eine Erhöhung des Mindestberechnungsfaktors von heute 5 auf 7 Mal den Mietwert vor. «Die Stossrichtung ist zwar gefährlich, aber vertretbar, denn es muss ein satter Betrag sein, den die Pauschalierten bezahlen», sind auch Amonn und Geiger überzeugt. Allerdings sei der Spielraum nach oben begrenzt, weil die Pauschalsteuer in der Regel schon heute relativ teuer sei. Viele Neuzuzüger bezahlten pauschal in der Schweiz mehr als vorher in London oder Monaco.
Bethli Küng sprach sich für eine Erhöhung aus – es könne sogar das 10-fache sein. Genauso wichtig sei jedoch eine schweizweit einheitliche Berechnungsgrundlage. «Der Grosse Rat hat dem Finanzdirektor einen entsprechenden Auftrag erteilt.»
«Es ist fünf vor zwölf»
«Diese Initiative muss bekämpft werden», betonte Andreas Hurni im Namen von Gstaad Saanenland Tourismus und kritisierte die «populistische Art und Weise», wie die Gewerkschaften und linken Parteien das Thema angehen. Gefährlich sei, dass Gegner der Pauschalsteuer in Kantonen wie Basel Stadt, Schaffhausen, Luzern, Thurgau, St. Gallen, in denen die Pauschalsteuer nur eine mässige oder gar keine Rolle spiele, Erfolg haben könnten. «Es ist fünf vor zwölf», betonte Geiger. «Wenn die nächste Abstimmung nicht gewonnen wird, wird es schwierig. Man muss erklären, um was es geht und was auf dem Spiel steht.» Man müsse den Städtern klar machen, was die Pauschalsteuer für die Berggebiete bedeute und auf deren Solidarität hoffen. Man müsse auch sehen, dass die Ansiedlung von wohlhabenden Privatpersonen in der Schweiz im heutigen wirtschaftlichen Umfeld von strategischer Bedeutung sei. Die Frage sei, ob man diese Personen in der Zukunft hier noch wolle oder nicht.
Anita Moser