† Ruth Reichenbach–Hählen

  10.10.2017 Familie, Region, Gstaad

Dein ganzes Leben war nur Schaffen,
warst immer gut und hilfsbereit.
Du konntest bessere Tage haben,
doch dafür nahmst du dir nie Zeit.
Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden,
hab tausend Dank für deine Müh,
wenn du auch bist von uns geschieden,
vergessen werden wir dich nie.

Mama wurde am 17. Oktober 1921 geboren. Zusammen mit ihren Eltern, Karoline und Alfred Hählen, und ihren beiden Halbgeschwistern Berthi und Marie wuchs sie in Gstaad auf.

Ihr Vater arbeitete als selbständiger Schreiner. Oft erzählte uns Mama, wie sie während der Schulzeit ihrem Vater immer wieder beim Materialtransport mit einem zweirädrigen Karren geholfen hatte. Dies sei für sie oft sehr anstrengend gewesen.

Nach der obligatorischen Schulzeit, welche sie in der Rütti absolviert hatte, arbeitete sie ein halbes Jahr bei Cadonau. Sie erzählte, dass sie dort etliche Kilometer zu Fuss bewältigte, um den Kun-den ihr Material zu bringen und somit, wie sie immer sagte, viele Schuhe durchgelaufen hat. Anschliessend begann Mama ihre zweieinhalbjährige Lehre als Damenschneiderin. Da ihre Lehrmeisterin nur französisch sprach, erlernte sie diese Sprache. Während der Lehrzeit habe sie nichts verdient. Immer wieder erwähnte sie, dass sie während dieser Zeit ausgenutzt worden sei. Anstelle ordentlich den Beruf erlernen zu dürfen, musste sie immer wieder für die Lehrmeisterin die Eier vertragen. Diese habe ihr mehrmals zu verstehen gegeben, dass sie den Lehrabschluss sowieso nicht bestehen würde. Dementsprechend gross war natürlich die Freude über die erzielte, sehr gute Abschlussnote.

Nach der Lehre arbeitete unsere Mama als Damenschneiderin zu Hause. Sie übte ihren Beruf noch lange nach der Pensionierung aus. Auch ergriff sie während ihrer beruflichen Laufbahn die Möglichkeit, Englisch zu lernen und damit ihre ausländischen Kunden besser verstehen und bedienen zu können. Zu ihrer Tätigkeit als Schneiderin pflegte sie während mehreren Jahren ihren an Krebs erkrankten Vater. Dies sei eine sehr anstrengende Zeit für sie gewesen.

Am 9. Juni 1956 heiratete unsere Mama Werner Reichenbach. Ihnen wurden eine Tochter, Dori, und ein Sohn, Hansueli, geschenkt. Viele Sorgen sind in dieser Zeit auf Mama zugekommen. Zuerst der Unfall von Hansueli, bei welchem er eine bleibende Sehbehinderung davongetragen hat, dann der Arbeitsunfall ihres Ehemannes Werner, Probleme mit ihrem Haus und zu allem hinzu pflegte sie während dieser Zeit noch ihre eigene Mutter über viele Jahre. All dies stellte für sie eine weitere grosse Herausforderung und Belastung dar.

Mama genoss es sehr, zusammen mit ihren vier Grosskindern im gleichen Haus zu wohnen. Es bereitete ihr grosse Freude, sie aufwachsen zu sehen und an ihrem Leben teilhaben zu können. Ebenfalls freute sie sich über ihre drei Urgrosskinder. Mama kümmerte sich immer gut und mit ganzem Herzen um ihre Familie, war stets besorgt, dass es allen gut ging. Auch in ihrem fortgeschrittenen Alter pflegte sie so gut es ging ihren Ehemann, welcher am 8. Juli 2007 verstarb. Unsere Mama fand bei all ihren Herausforderungen und Hürden stets Kraft bei Gott. Bis zuletzt sagte sie, dass Jesus Christus ihr Halt sei und sie mit ihren Anliegen im Gebet immer zu ihm gehen könne.

Ihr kirchliches Zuhause fand Mama während den Jugendjahren beim Evangelischen Gemeinschaftswerk EGW im Ebnit. Sie unterrichtete die Kinder über mehrere Jahre in der Sonntagschule des EGWs. Zudem sang sie gerne in dessen Chor mit, in welchem sie auch als Sekretärin tätig war. Von ganzem Herzen setzte sich Mama auch beim Blauen Kreuz ein. Sie gehörte dem Vorstand an und half so bei etlichen Veranstaltungen mit. In den letzten Jahren ging unsere Mama mit ihrem Sohn und Familie zusammen in die evangelischmethodistische Kirche in Gstaad. Auch dort besuchte sie gerne den Gottesdienst und fand dort ebenso ein neues kirchliches Zuhause.

Ihr Blumengarten und das Lesen von Büchern gehörten zu Mamas grossen Leidenschaften. Auch war sie sehr am Weltgeschehen interessiert. Sie verfolgte die neusten Meldungen in der Zeitung, im Radio und Fernsehen. Noch bis ins Alter von fast 93 Jahren ging sie gerne zum Teil selbständig einkaufen. Jeden Tag machte sie ihren Spaziergang ins Dorf.

Im Januar 2016 musste unsere Mama nach einem Sturz zu Hause ins Spital Zweisimmen eingeliefert werden. Nach diesem Vorfall war es für sie nicht mehr möglich – auch nicht mit der bisher gewohnten Hilfe, welche sie von diversen Orten erhalten hatte – zu Hause zu wohnen.

Um einmal nahe bei ihrer Tochter sein zu können, bewohnte sie bis Ende Mai 2016 ein Zimmer im Altersheim Lauterbrunnen. Jedoch vermisste sie das Saanenland zu sehr. So entschied sie sich, am 1. Juni 2016 zurück in ihre Heimat zu ziehen und fand im Maison Claudine Pereira ein neues Zuhause. Sie genoss die wunderbare Aussicht von ihrem Zimmer aus sehr und freute sich über jeglichen Besuch. Während des Sommers 2017 schwanden Mamas Kräfte zusehends.

Am 28. August 2017 schloss sie hier auf Erden ihre Augen und durfte zu ihrem himmlischen Vater heimgehen.

DIE TRAUERFAMILIEN


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