Interne Weiterbildung der Bergquelle – unterstützte Kommunikation

  10.11.2017 Zweisimmen, Bildung

Drei Referentinnen boten gesetzlichen Vertretern, Eltern und Mitarbeitern der Werkstatt an der obligatorischen Personalfortbildung der Bergquelle Einblick in das Gebiet der unterstützten Kommunikation.

Wie kann ein Mensch selbstbestimmt leben, wenn er nicht sprechen kann? Können wir von Selbstbestimmung sprechen, wenn gesprochene Sprache inhaltlich nicht verstanden wird, oder es einem in schwierigen Situationen «die Sprache verschlägt»? Erst wenn der Einzelne sich mitteilen kann, können wir beginnen, Selbstbestimmung zu ermöglichen. Mit unterstützter Kommunikation (UK) bietet die Bergquelle in Zweisimmen die Möglichkeit, diese Lücke zu schliessen.

Am 2. November boten drei Referentinnen Einblick in das sehr komplexe Gebiet der unterstützten Kommunikation. Nebst gesetzlichen Vertretern und Eltern durften die Verantwortlichen in diesem Jahr auch Mitarbeiter der Werkstatt zur obligatorischen Personalfortbildung begrüssen. Durch den Morgen führte Prof. Dr. Dorothea Lage, Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Expertin im Bereich der UK mit über 30-jähriger Erfahrung. Die Teilnehmer erfuhren etwas über die Geschichte und die Entstehung von unterstützter Kommunikation sowie darüber, welche Formen der Unterstützung existieren. Grob gesagt kann die Unterstützung in drei Gebiete eingeteilt werden: Zum einen kann mit Bildern/Piktogrammen gearbeitet werden oder es kommen elektronische oder elektrische Hilfsmittel zum Einsatz oder es wird mit Gebärden (nicht zu verwechseln mit der Gebärdensprache der Gehörlosen) unterstützt. Am Nachmittag wurde in Workshops zu den drei Themen gearbeitet. Manchmal sind es die ganz kleinen Wörter, die eine sehr grosse kommunikative Wirkung im sozialen Geschehen zeigen. Sie sind der Motor dafür, dass Menschen kommunizieren lernen. Diese Erkenntnisse aus der Sprachentwicklung wurden von Dr. Lage kurz vorgestellt, denn sie dienen inzwischen als Grundlage für die Auswahl des Wortschatzes, um mit der UK zu beginnen. Die daraus abgeleiteten Methoden und Prinzipien für die UK wurden erläutert und im Workshop selbst ausprobiert. So zeigte sich schnell, wie anspruchsvoll es ist, eine einfache Mitteilung ohne Worte, nur mit Bildern zu vermitteln. Ebenfalls erfuhren die Teilnehmer, dass der Wortschatz der deutschen Standardsprache ca. 75 000 Wörter umfasst, dass eine durchschnittlich gebildete Person jedoch nur auf ca. 4000 bis 10 000 Wörter zurückgreift und im Alltag 400 bis 800 Wörter genügen, um sich zu verständigen. In neueren Kommunikationsbereichen wie z.B. SMS oder Chatrooms werden sogar nur 100 bis 200 Begriffe benutzt.

Rahel Wälti, Beraterin bei der Firma Active Communication und Heilpädagogin, stellte im zweiten Workshop verschiedene elektronische Kommunikationsgeräte vor, die zur Unterstützung eingesetzt werden können, um umfangreiche Partizipationsmöglichkeiten für Menschen mit einer Beeinträchtigung zu schaffen. Diese reichen vom einfachen Sprachwiedergabegerät bis zum individuell programmierbaren Tablet oder PC. Die Anfänge der Kommunikationshilfen gehen auf den Schweizer Jean-Claude Gabus zurück, welcher Anfang der Achtzigerjahre «Hector», den ersten Sprachcomputer, welcher noch stolze zehn Kilogramm auf die Waage brachte, entwickelte.

Im dritten Workshop erfuhren die Mitarbeiter von Anita Portmann, heilpädagogische Fachberaterin und Mutter einer kognitiv beeinträchtigten Tochter, wie mit Hilfe von Gesten, Handzeichen und Gebärden mit Menschen mit einer kognitiven Behinderung, welche sich lautsprachlich nicht oder nur ungenügend verständigen können, eine wirksame Kommunikation aufgebaut werden kann. Anita Portmann entwickelte die Gebärdensammlung «wenn mir die Worte fehlen», welche nun mit den Gebärden der Stiftung Tanne zu den Porta-Gebärden zusammengefasst werden. Die Porta-Gebärden sind sprachunterstützende Gebärden und nicht zu verwechseln mit der Gehörlosensprache.

Zum Schluss konnten im Plenun offene Fragen gestellt werden. Allgemein wurde der Tag als sehr interessant und lehrreich empfunden. Von Patrick Anderegg, Bereichsleiter Wohnen in der Bergquelle, welcher die Weiterbildung organisiert hat, war der Tenor zu hören, dass das Gelernte – insbesondere das Sprechen mit Gebärden – möglichst sofort im Alltag eingesetzt werden soll. Mit einem kleinen Präsent wurden die drei Referentinnen verabschiedet und man liess den Tag bei einem gemütlichen Fondueabend ausklingen.

BERGQUELLE, KATHRIN UELTSCHI


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