«Medienkompetenz stärken ist eine Erziehungsaufgabe»
03.11.2017 Saanen, Familie, GesellschaftÜber 30 interessierte Mütter und Väter trafen sich am Dienstagabend zu einem Informationsanlass über digitale Medien. Der Skaterraum im Oeyetli war bis auf den letzten Platz besetzt und Cornelia Meierhans, Psychologin und Fachfrau Prävention bei der Berner Gesundheit, wie auch Organisatorin Evelyne Moser-Hänni waren überwältigt von den vielen Besuchern.
MELANIE GERBER
Obwohl der Informationsabend wegen einer Halloweenparty kurzfristig in den neu entstandenen Skaterraum des Oeyetli verlegt worden war, fand jeder Besucher einen Platz und die Organisatorin Evelyne Moser-Hänni, Jugendarbeiterin bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit Saanenland-Obersimmental, eröffnete den Abend mit den Worten: «Digitale Medien – Faszination und Herausforderung. Faszination für die Jugendlichen, Herausforderung für die Eltern». Die Rednerin, Cornelia Meierhans, setzte den Fokus des Abends auf das Jugendalter, da die Mehrheit der anwesenden Eltern Kinder zwischen neun und zwölf Jahren haben und das Thema digitale Medien genau in diesem Alter aufgrund dessen an Wichtigkeit gewinne, dass das soziale Umfeld für das Kind beziehungsweise den Jugendlichen immer wichtiger werde.
Einbezug der Eltern
Cornelia Meierhans bezog gleich von Anfang an die anwesenden Eltern in das Gespräch mit ein. So warf sie Aussagen in den Raum und nahm die Reaktionen der Eltern auf. «In unserer Familie diskutieren wir viel über digitale Medien» oder «Wir haben klare Regeln bezüglich Mediennutzung» veranlassten die Teilnehmer/innen des Abends dazu, eigene Erfahrungen mitzuteilen. Nicht alle Familien machen die gleichen Erfahrungen, nicht alle haben die gleichen Regeln. Einige Kinder unter zwölf Jahren besitzen bereits ein Handy, während andere Eltern damit warten, bis ihre Kinder das Oberstufenzentrum besuchen und sich eine Anschaffung nur schon zwecks Klassenchat beinahe aufdrängt. «Ein Kind, das nicht im Klassenchat ist, kann dadurch auch ausgeschlossen sein», bestätigte die Rednerin. Die Eltern äusserten sehr offen ihre Sorgen hinsichtlich des Medienkonsums ihrer Kinder. So empfinden sie die täglichen Diskussionen um die innerfamiliären Regeln rund um den Medienkonsum als zehrend. Die zeitlichen Einschränkungen seien jeden Tag ein Thema, sagte ein Vater. Eine Mutter wies auf den Suchtfaktor hin. «Das ist fast wie eine Droge, sie muss die Filme jeden Tag schauen», sagte sie. Ein weiterer Vater machte sich Sorgen darüber, dass die Kinder und Jugendlichen einen uneingeschränkten Zugriff zu Inhalten haben, die nicht für ihr Alter bestimmt wären.
Chancen und Risiken diverser Apps
Genau diese Sorgen nahm die Spezialistin in den Informationsteil des Abends mit auf. So stellte sie die unter Kindern und Jugendlichen gängigsten Apps vor, um den Eltern ein klareres Bild davon zu geben, womit ihre Kinder sich die Zeit vertreiben. Ob Facebook, Instagram, Snapchat, Youtube oder Games, jede Anwendung biete nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Instagram beispielsweise animiere zu spielerischer Kreativität, lasse die Nutzer Filter ausprobieren und mit Bildkompositionen spielen. Ausserdem sei diese App kaum anders, als was man früher als Klatschheft konsumierte, denn die Jugendlichen würden dort ihre beliebtesten Stars verfolgen und sich über deren Leben auf dem Laufenden halten. Snapchat wiederum biete den Reiz, ein Netzwerk fast ohne Erwachsene zu sein. «Dies spricht die Jugendlichen sehr an, denn eigentlich wollen sie unter sich sein», so Cornelia Meierhans. Verstünden die Jugendlichen den Unterschied zwischen vergänglich und vergänglich – die Kommunikation via Snapchat läuft sehr schnell ab und verschwindet genau so schnell wieder, jedoch können Printscreens davon gemacht werden –, so sei diese App eine weitere Variante der Kommunikation zwischen Nutzern sozialer Medien. Als Vorteil von Youtube wurden die vielen Tutorials genannt, über die man ziemlich alles lernen könne. So können sich auch besorgte Eltern von Gamern zeigen lassen, wie Minecraft funktioniere.
Sich ehrlich interessieren
Auch wenn sich die Mehrheit der Eltern besorgt über den Umgang ihrer Kinder mit den neuen Medien zeigte, so gab es hie und da auch positive Stimmen. «Wenn man es verbietet, hat man mehr verloren als gewonnen», sagte eine Mutter und erklärte, sie sei selber in diesen Medien unterwegs und hoffe, sie würde es sehen oder durch Bekannte erfahren, wenn ihre Tochter etwas Unpassendes posten würde. Die Rednerin betonte immer wieder, dass darüber sprechen, sich von den Kindern mit ehrlichem Interesse Apps und deren Funktionen zeigen lassen, der Schlüssel zum Erfolg sei. Es sei wichtig zu verstehen, warum Jugendliche zu speziellen Zeiten gamen wollen, beispielsweise weil ein Online-Game mit Teilnehmern aus aller Welt gespielt werde und dies auch mal mitten in der Nacht stattfinden könne, oder heftig reagieren, wenn von aussen bestimmt wird, dass das Gerät ausgeschaltet werden muss, obwohl eine Spielsequenz noch nicht beendet sei. Hier biete es sich an, ein Wochenkontingent an Spielzeit zu vereinbaren und dem Jugendlichen die Verantwortung zu übertragen, selber zu entscheiden, an welchem Tag er wieviel davon braucht.
Medienkompetenz stärken
Den Ängsten, die den Austausch unter den Eltern prägten, begegnete die Rednerin mit einer Diskussionsrunde zu Lösungen. Von WLAN ausschalten über Geräte wegsperren zu Alternativen anbieten wurden viele Vorschläge genannt. Als weiteres Risiko jeglicher Nutzung sozialer Medien nennt die Rednerin die sogenannte Filterblase. Durch spezielle Algorithmen werde berechnet, für welche Themen der Nutzer sich interessiere. Daraufhin werde er, beispielsweise auf seiner Facebookseite, immer mehr mit ähnlichen Beiträgen konfrontiert und bekomme das Gefühl, die Welt sei genau so, wie er sie sich vorstelle. Und genau da seien die Eltern gefragt, betonte die Rednerin. «Ihr Eltern steht euren Kindern am nächsten» sagte sie und wies darauf hin, dass die Jugendlichen mehrheitlich überlegen seien, was technische Kompetenzen oder die Nutzung der verschiedenen Medien angehe. Die Erwachsenen hingegen seien sehr gefordert, wenn es um Rezeptions- und Reflexions- sowie soziale und ethische Kompetenzen gehe. Oder in anderen Worten, wer seine Kinder eng begleite, im Austausch bleibe, der könne sie auf Themen wie Filterblasen oder Inhalte, die nicht öffentlich gezeigt werden sollten, sensiblisieren.
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