«Nicht lange fragen, einfach machen»

  26.10.2018 Interview, Bildung

Der junge Gstaader Severin Gafner verbrachte vier Wochen in New York. Im Rahmen seiner Ausbildung zum Informatiker arbeitete er in der Metropole als Volunteer für verschiedene Startup-Unternehmen. Der 18-Jährige schaut fasziniert auf das Leben und Arbeiten im «big apple» zurück.

JENNY STERCHI

Severin Gafner, sind Sie ganz und gar wieder angekommen in der Schweiz?
Drei Wochen sind seit meiner Rückkehr vergangen und mein Alltag hier lief relativ schnell wieder normal.

Kein Jetlag?
Kurz nachdem ich zurückgekommen war, hatte ich tatsächlich Mühe mit dem Schlafen. Aber ich habe meine Arbeit dennoch gleich wieder aufgenommen und dann ging es relativ gut, in den gewohnten Rhythmus zu finden.

Wo und als was arbeiten Sie hier in der Schweiz?
Ich mache eine Ausbildung zum Informatiker. Im Moment arbeite ich bei Bucher und Suter, einem Software-Entwickler für Kundenberatung in Worblaufen. Meine ersten beiden Ausbildungsjahre habe ich bei der Noser Young Professionals AG absolviert.

Warum mussten Sie wechseln?
Dieser Wechsel gehört zum Ausbildungsmodell meines Ausbildungsunternehmens. Die Noser Young Professionals (NYP) ist eine Aktiengesellschaft innerhalb der Noser Gruppe, die eine fundierte Grundausbildung zum Informatiker bietet. Neben der Basisausbildung legt die NYP grossen Wert auf den Praxisbezug und arbeitet daher mit verschiedenen Partnerunternehmen zusammen. Nachdem ich während zwei Jahren das grundlegende Wissen erworben habe, darf ich es in den beiden letzten Ausbildungsjahren bei Bucher und Suter als einem der Partnerbetriebe anwenden.

War für Sie schnell klar, dass Sie sich in der Informatikbranche wohlfühlen?
Meine Eltern arbeiten beide auf dem Gebiet der Informatik. Dort konnte ich während meiner Schulzeit schnuppern. Auch die Ausbildungen zum Elektroniker oder Hochbauzeichner haben mich interessiert. Aber schliesslich fand ich die Informatik dann doch spannender.

Und wie kam es dazu, dass Sie für vier Wochen in der Metropole an der Ostküste weilten?
Es gibt ein Programm, das von der NYP entwickelt wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, die in der Schweiz gängige duale Ausbildung in Amerika vorzustellen. Ich war einer von sechs Auszubildenden, die, begleitet vom Geschäftsführer der NYP und einer Studentin der ETH als Ansprechpersonen, für vier Wochen nach New York gingen. Wir haben dort für verschiedene Startup-Unternehmen gearbeitet.

Dann haben Sie in mehreren Firmen garbeitet?
Ja, ich war in drei Unternehmen im Einsatz. Bei zweien war ich nur ein paar Tage engagiert. Im dritten Unternehmen arbeitete ich zwei Wochen.

Haben Sie Lohn erhalten?
Wir waren als Volunteers unterwegs. Das heisst, unser Einsatz war gemeinnützig. Für die Zeit erhielten wir den normalen Lohn unserer Ausbildungsfirma.

Ist denn die Berufsausbildung als Kombination aus Schule und Betriebspraxis dort nicht bekannt?
Genau das ist das Problem, dem wir mit unserem Besuch entgegenwirken wollten. Für US-Amerikaner gibt es zwei Möglichkeiten der Berufsbildung. Entweder macht man eine College-Ausbildung mit Bachelor- oder Masterabschluss. Oder man beendet die Schule, hat einzig den regulären Schulabschluss und sucht sich irgendeinen Job, mit dem man Geld verdient, aber keinerlei Ausbildung bekommt.

Konnten Sie den Unternehmen denn zeigen, was Sie dank Ihrer Berufsausbildung alles können?
Die meisten der Unternehmer standen unserem Kenntnisstand anfangs skeptisch gegenüber, der Tatsache geschuldet, dass sie die Ausbildung nicht kennen. Dementsprechend erhielten wir mitunter wenig anspruchsvolle Aufgaben. Als Startup-Unternehmen musst du dich allerdings behaupten und schnell genug sein. Da stellen so günstige Mitarbeiter wie wir als Volunteers eine wertvolle Ressource dar. Und vielfach konnten wir doch im Laufe der vier Wochen zeigen, dass wir bereits über einiges Fachwissen verfügen.

Wie finanzieren sich die vielen Startups?
Sie müssen sich Investoren suchen. Dafür gehen sie «pitchen». Das bedeutet, dass die Gründer der Startups bei den potenziellen Geldgebern fünf Minuten Zeit haben, ihre Idee vorzustellen und dafür zu begeistern. Sobald man einen Investor gefunden hat, kann man loslegen und die Idee in die Tat umsetzen.

Wurde Ihnen der Aufenthalt freigestellt oder ist er obligatorischer Bestandteil ihrer Ausbildung?
Der Aufenthalt war freiwillig, aber es wäre dumm gewesen, dieses Angebot abzulehnen.

Wie lange vorher wussten Sie, dass Sie dorthin gehen können?
Ich erhielt die Information etwa vier Monate vorher.

Was ist so anders an New York?
Die Leute sind viel flexibler und spontaner. Wenn du eine gute Idee hast, kannst du sofort loslegen und diese umsetzen. Es scheint, es wäre viel mehr in kurzer Zeit möglich, als wir es hier kennen. In den Startups zu arbeiten, war super, denn die Leute dort sind sehr motiviert. Es geht in erster Linie um die Sache selber, begleitet von weniger Formalitäten, als man es von der Schweiz oder Europa her kennt.

Und was ist anders an der Lebensart in New York?
In New York ist einfach alles anders. Es ist eine riesige Stadt. Ich konnte es mir vorher gar nicht vorstellen, aber eine Stadt mit 20 Millionen Einwohnern beeindruckt schon sehr. Man stelle sich vor, dass alle Bewohner der Stadt Bern in einem New Yorker Hochhausblock Platz finden würden.

Man hört immer wieder, dass New York die Stadt sei, die niemals schläft. Haben Sie das so erlebt?
Ja, das ist so. Beinahe alles ist zu jeder Tageszeit zu haben.

Aber findet man dann auch mal Ruhe?
Ich musste mich zunächst daran gewöhnen, dass es nie ganz still wird. In unserer WG, die wir in Brooklyn bezogen hatten, wurde es am Abend schon ruhiger als zum Beispiel am Times Square.

Wie haben Sie sich fortbewegt?
Wir waren mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Allein die New Yorker U-Bahn ist sehens- und erlebenswert.

Haben Sie sich mal verfahren?
Ja, am Anfang schon. Aber man findet sich schnell zurecht. Letztendlich ist es ein gut strukturiertes Streckennetz, das einfach zu verstehen ist.

Und die Amerikaner selber sind Ihnen wie begegnet?
Sie haben viel Verständnis für fremde Leute, die neu in der Stadt sind. Ich habe sie als sehr hilfsbereit und offen erlebt, auch jene, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Mit einigen von ihnen habe ich nach wie vor Kontakt. Sie sind in jedem Fall spontaner und es geht irgendwie immer vorwärts.

Als Programmierer kommt man ja vermutlich mehr mit der englischen Sprache in Berührung. War die Kommunikation entsprechend einfach für Sie?
Ich bezeichne mich nicht als überaus gut im Englischen, aber als Informatiker kommt man regelmässig mit dieser Sprache in Kontakt. Auch in meinem Ausbildungsbetrieb in Worblaufen werden viele Meetings in Englisch abgehalten.

Sie werden voraussichtlich im nächsten Jahr fertig mit Ihrer Ausbildung. Wäre es nach diesem faszinierenden Aufenthalt denkbar, dass Sie nach Amerika gehen, um dort zu arbeiten?
So einfach ist es eben nicht. Da unser Ausbildungsabschluss in Amerika nicht existiert, wissen die amerikanischen Unternehmen nicht, was wir können. Ich fasse eher ein Informatikstudium an der Höheren Fachschule ins Auge. Aber nach New York möchte ich auf jeden Fall noch einmal, ich habe ja noch lange nicht alles gesehen. Und Amerika an sich ist aufgrund seines Entwicklungspotenzials in der IT-Branche für jeden Informatiker ein attraktives Arbeitsfeld.


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