Chämet zu üns id Rueh vor Natur

  19.05.2020 Tourismus, Destination

«Wo verbringen wir dieses Jahr unsere Sommerferien?» ist eine der meistgehörten Fragen dieser Tage. Die Unsicherheit ist noch gross. Der Bundesrat ist mit den Grenzöffnungen in Europa beschäftigt, während sich die Schweizer Destinationen für die Sommersaison rüsten. Andreas Wandfluh, Geschäftsführer von Gstaad Marketing, und Claudia von Siebenthal, Leiterin Marketing Kommunikation, geben einen Einblick, wie sie mit ihrer Sommerkampagne den Tourismus in der Destination Gstaad ankurbeln wollen.

SONJA WOLF

Das Appenzeller Land bietet dem potenziellen Sommertouristen eine kostenlose Anund Rückreise an, das Wallis will die Lockdown-überdrüssigen Schweizer mit dem humorvollen Clip «Chum, wie dü bisch» überzeugen. Das Buhlen um den Schwei- zer Touristen hat begonnen. Wie macht die Destination Gstaad auf sich aufmerksam?
Claudia von Siebenthal (CvS):
Preisdumping wird es bei uns nicht geben, wir stellen uns dem Wettbewerb mit klaren Botschaften. Gleichzeitig stellen wir mit verschiedenen Partnern spezielle Angebote zusammen – insbesondere für Familien. Generell setzen wir auf die Themen Wellbeing, Kulinarik und Wandern. Wobei Wellbeing nicht nur Wellness meint. Wir animieren die Urlaubswilligen durch stimmungsvolle Bilder dazu, zu uns in die schöne Natur zum Entschleunigen und Auftanken zu kommen. Im Sommer heben wir uns vor allem durch unsere wunderschönen Bergseen und Gewässer klar von den anderen Destinationen ab – hoffen wir mal auf eine erneute Hitzewelle!

Die Corona-Phase ist ja extrem schnelllebig. Aus dem «Bleiben Sie zu Hause» des Bundesrates ist dank tiefer Infektionszahlen inzwischen ein «Machen Sie Urlaub in der Schweiz!» geworden. Das kommt der Destination Gstaad mit ihrem ohnehin grossen Anteil an Schweizer Urlaubern doch sehr gelegen?
Andreas Wandfluh (AW):
Auf alle Fälle. Das Segment der Touristen aus der Schweiz war mit 65 Prozent schon immer wichtig, gewinnt jetzt aber noch mehr an Bedeutung. Wir haben hervorragende Produkte für den Schweizer Markt und einen Grossteil unserer Werbemittel auch in den vergangenen Jahren in der Schweiz eingesetzt. Führende Schweizer Medien wie die «NZZ», «Le Temps» oder die «Schweizer Illustrierte» spielen dementsprechend in unserer Kampagne eine grosse Rolle.

Wie sieht die Sommerkampagne für die Destination Gstaad konkret aus?
AW:
Wir haben sie zweigeteilt. Die erste Phase ist die aktuelle, in der die Menschen stark eingeschränkt von Restriktionen und unsicher sind: Wann geht welches Hotel auf? Wann wird das Versammlungsverbot tatsächlich aufgehoben? Auch Homeoffice ist ja noch empfohlen und die öffentlichen Verkehrsmittel sind noch nicht so stark frequentiert. In dieser Phase sind die Menschen öfter zu Hause und haben mehr Zeit, redaktionelle Inhalte zu lesen. Jetzt ist die perfekte Zeit, die Destination emotional mit hochwertigen Inhalten zu präsentieren. Vor allem auch einmal die «Sommerseite» von Gstaad. Sonst sind wir ja eher als Skidestination bekannt.

Werden auch bestimmte Produkte herausgestellt?
CvS:
Für diese Anfangsphase konnten wir keine bestimmte Produktwerbung planen, weil gar nicht sicher war, wann die Hotels, die Restaurants oder die Bergbahnen aufgehen, also ist unser Ziel in der ersten Phase, die Menschen generell «gluschtig» auf die Destination und ihr Angebot zu machen. Wir machen ihnen die Destination mit angemessenen und hochwertigen Inhalten schmackhaft. Nach wochenlangem Arbeiten im Homeoffice oder Homeschooling laufen viele Menschen am Limit. Der Drang nach Auftanken in der Natur und danach, etwas Gutes für sich zu tun, wird gross sein. Wir inspirieren die Menschen mit wunderschönen Plätzen in unserer Natur. Wasserrauschen tut unserer Seele gut. Das Thema Gewässer in der Destination steht im Fokus. Passend zur Kampagne setzen wir auf die Botschaft «Id Rueh vor Natur».

Und wann beginnt die zweite Phase?
CvS:
Die zweite Phase beginnt, wenn die Leute dann hoffentlich mehr oder weniger im normalen Alltag zurück sind und wieder konkret planen können. Das wird hoffentlich Ende Sommer sein, die zweite Kommunikationsphase bezieht sich konkret auf die Herbstaktivitäten. Die Themenschwerpunkte sind die gleichen, aber alles wird produktspezifischer sein, zum Beispiel werden wir spezielle herbstliche Wander- und E-Bike-Routen vorstellen oder im Kulinarikbereich lokale Produkte und Wildspezialitäten bewerben. Mit passenden Massnahmen wollen wir die Kurzentschlossenen für Naherholung und Kurzurlaube in unserer Destination gewinnen.

Die Sommersaison beginnt aber bereits jetzt mit der Öffnung vieler Hotels Ende Mai. Kommt die zweite Phase dann nicht zu spät?
CvS:
Nein. Denn wir bieten ganzjährig immer ergänzende Angebote parallel zu unseren Kampagnen an. Im Verlauf der nächsten Wochen werden wir analog zu den einzelnen Lockerungen der Schutzmassnahmen laufend zusätzliche Produkte wie die Bergbahnen kommunizieren. Generell aber gewinnt die Herbstsaison an Gewicht.

Wann wurden diese Phasen geplant?
CvS:
Eigentlich schon zehn Tage nach dem Lockdown. Nach Abschluss der Krisenkommunikation haben wir uns entschlossen, etwas Neues aufzugleisen. Die Plakate, die man seit dem 1. Mai in der Destination sieht, sind zum Beispiel ein Ausdruck davon. Wir wollten ursprünglich eine andere Kampagne fahren.

Dann hatten Sie durch den Lockdown und die fehlenden touristischen Bewegungen also nicht weniger zu tun?
AW:
Nein, ganz im Gegenteil. Es war vermarktungstechnisch noch nie so arbeitsintensiv wie im Moment, da wir nicht nur die bereits geplante Sommerkampagne anpassen mussten, sondern parallel die Wintersaison vorbereiten plus die Sommersaison 2021. Filme und Fotos für den nächsten Sommer werden ja jetzt produziert. Es wäre auch das falsche Zeichen für die Leistungsträger gewesen. Man muss auch und gerade dann Werbung machen, wenn es einmal nicht so gut läuft. Wenn sich die Lage entspannt, möchten wir ja wieder die Touristen hier haben.

Alle Touristiker sprechen momentan von den Schweizer Touristen. Ist die Auslandsmarktbearbeitung auf Eis gelegt?
AW:
Nein, für die Kollegen aus der Marktbearbeitung ist die aktuelle eine dankbare Phase. Im Tagesgeschäft kommt die Beziehungspflege zu den einzelnen Reiseunternehmen oft zu kurz. Das geht jetzt auch gut per Telefon und Internetkonferenzen. Natürlich sind viele Aktivitäten zurückgefahren worden: Messen, Besuche von Reiseunternehmern, ausländischen Journalisten und so weiter. Aber wir machen nach wie vor auch im Ausland Werbung für unsere Destination mit Fokus im High-End-Segment. Zum Beispiel publizieren wir nach wie vor in passenden ausländischen Zeitschriften.

Hätten Sie auch während des Lockdowns aktiv Werbung machen dürfen, um die Menschen zu überzeugen, in die Destination zu reisen?
CvS:
Ja, das hätten wir gedurft. Aber eine solche Phase hat von uns noch niemand erlebt. Daher gibt es auch keine Patentlösung für erfolgreiches Marketing in diesen Zeiten. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung und waren dankbar für die Handlungsempfehlungen unserer Regierung. «Zu Hause bleiben» wäre mit einer aktivierenden Werbekampagne nicht vereinbar gewesen

Seit dem 1. Mai dürfen die Hotels wieder Seminare mit Sitzungscharakter anbieten und durchführen. Dabei ist die Teilnehmerzahl unbegrenzt, solange die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Pushen Sie diese Art von Tourismus aktuell mehr?
AW:
Das finde ich im Moment noch heikel und verfrüht. Aber wir haben den Meeting- und Seminartourismus sowieso auf dem Schirm und pushen ihn wieder, wenn die epidemiologische Lage günstiger wird.

Sind im Moment Ferienwohnungen stärker gefragt, wo die Familien eher für sich bleiben können?
CvS:
Wir haben im Moment noch keine genauen Buchungszahlen, aber wir sehen am Suchverhalten, dass die Nachfrage nach Ferienwohnungen grösser ist als letztes Jahr.

Hat die Destination Gstaad Ihrer Meinung nach Chancen auf einen zufriedenstellenden Sommertourismus?
CvS:
Wir sind überzeugt, dass viele Schweizerinnen und Schweizer diesen Sommer Inlandferien in der Natur und den Bergen machen werden. Dementsprechend haben wir das perfekte Produkt. Wir haben viel Platz, unsere Angebote und Produkte sind auf den Individualgast zugeschnitten. Wir haben endlose Wanderwege, super Infrastrukturen, eine vielseitige Hotellerie und Gastronomie und vieles mehr. Auch stützen wir uns auf die Prognose vom Bundesrat, dass am 8. Juni die Bergbahnen wieder öffnen dürfen. Das ist für uns ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück zur Normalität.

 

 


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