Corona-like Nationalfeier in Saanen

  04.08.2020 Saanen, Tradition

In vielen Gemeinden und Städten in der Schweiz wurden die traditionellen Nationalfeiern aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Nicht so in Saanen. Die Organisatoren sind auf den Pfrundacher ausgewichen und es galt eine Maskenpflicht – auch während des Umzugs.

ANITA MOSER
Ausser der Maskenpflicht, die auf dem Festplatz und auch während des Umzugs galt, verlief die Feier nicht anders als in anderen Jahren. Den Auftakt machte die Brass Band «Harmonie» Saanen (BBHS) mit dem Aufmarsch durchs Dorf. «Die Umstände dieses Jahr sind speziell. Und darum sind wir auf den früheren Austragungsort Pfrundacher ausgewichen», begrüsste Niclas Baumer die Festbesucherinnen und -besucher und ersuchte alle Besucher, die Maskenpflicht einzuhalten.

Endlich wieder vor Publikum
Nach dem ebenfalls traditionellen Glockengeläute vom Glockenturm der Mauritiuskirche gaben die BBHS unter der Leitung von Michael Bach und die Ländlerformation «Silberhorn» ein kleines Konzert. «Wir sind froh, wieder einmal vor Publikum spielen zu können», betonte ein Formationsmitglied. Auch die BBHS konnte monatelang weder proben noch auftreten. «Es ist das erste Konzert seit acht Monaten», sagte BBHS-Dirigent Michael Bach. «Umso glücklicher sind wir, hier und heute vor Publikum spielen zu dürfen.» Und das Publikum erschien überraschend zahlreich, trotz Maskenpflicht. Diskussionslos und ohne Aufhebens wurden Masken getragen – zahlreiche aus Stoff, zum Beispiel mit weissem Schweizer Kreuz auf rotem Grund, und die Organisatoren schützten sich mit «Saaner Masken»: weisse Saanengeissen auf blauem Stoff.

Pfiffige Festrede eines «Ausgewanderten»
Festredner Georg Horn ist in Schönried aufgewachsen und lebt seit fünf Jahren in München.«Er weist mit seinen sehr jungen 31 Jahren einen doch bereits prall gefüllten und abwechslungsreichen Rucksack auf», so Niclas Baumer. Nach seinem ersten Start-up «Ikonspeak» hat Georg Horn 2018 seinen sicheren Beraterjob aufgeben, um ein weiteres Unternehmen aufzubauen. «Ein für unsere zukünftige Meinungsbildung äusserst interessantes Unternehmen», wie Baumer betonte. Ziel des Software-Start-ups Varia sei es, zu Newsthemen automatisiert verschiedene Perspektiven aufzuzeigen und so zu mehr Ausgewogenheit im Journalismus beizutragen. «Innovative junge Leute in der Region zu behalten, wird immer schwieriger. Und ich bin gespannt auf seine Ausführungen und den Einblick eines Einheimischen aus der Distanz», so Baumer.

Er wurde ebenso wenig enttäuscht wie das Publikum. Seine Festrede – «haltet euch fest», wie Horn witzelte – war spritzig, direkt, aber auch tiefgründig, horizonterweiternd und da und dort auch etwas zynisch und ironisch. Die sanften und weniger sanften Seitenhiebe wurden vom Publikum mit zustimmendem Gelächter quittiert. Dem einen oder anderen mochte aber hinter der Maske wohl auch der Mund offen geblieben sein …

Niclas Baumer dankte Georg Horn «für die erfrischende und gleichzeitig tiefgründige Ausführung zu unserer Heimat, nämlich dem Saanenland». Genauso habe er sich das vorgestellt: «Ein junger, ambitionierter und innovativer Saaner, seit Jahren wohnhaft im Ausland, öffnet uns die Augen. Nicht primär auf etwas Neues oder auf Versäumnisse. Sondern darauf, was wir jeden Tag sehen, spüren, riechen: unser schönes Zuhause. Das Zuhause, das wir manchmal vor lauter Trubel und vielleicht auch Glamour nicht mehr sehen und nicht mehr zu schätzen wissen.» Den «Anzeiger von Saanen» vom Dienstag werde er aufbewahren und in getrübten Momenten hervornehmen, «draussen auf dem Bänkli, mit Blick in die Sterne und mit beiden Füssen auf dem Boden».

Mit einem kleinen Präsent aus dem Saanendorf bedankten sich die Verantwortlichen beim Festredner. Die ansonsten übliche Gage wird auf seinen Wunsch und in seinem Namen an «Room to Read» gespendet. «Diese Stiftung versucht, allen Kindern der Welt den Zugang zu Bildung zu ermöglichen», erklärte Niclas Baumer.

Fackelumzug zum lodernden Feuer
Traditionsgemäss spielte die BBHS anschliessend den Berner Marsch und die Nationalhymne. Das Publikum war aufgefordert, mitzusingen – trotz Maske. Und zum Schluss folgte der Höhepunkt für die Familien mit kleinen Kindern. Angeführt von der Dorfmusik – wie immer mit strammen Schritten – führte der in die Länge gezogene Fackelumzug durchs Dorf und via Mittelgässli und Bahnhofstrasse zum lodernden 1.-August-Feuer an der Campingstrasse.

Aufgrund der aktuellen Situation haben die Verantwortlichen auf eine Festwirtschaft verzichtet und riefen dazu auf, für den Ausklang die lokalen Gastbetriebe zu berücksichtigen.

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/y6qprmw6
Video: https://tinyurl.com/y64nmo2v


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