Alles für den Fussballtraum

  24.11.2020 Interview, Sport

Auf dem Weg an die Spitze: Sina Hauswirth aus Saanen kickt mit ihren 16 Jahren nicht nur bei den Young Boys (YB) in der U17, sondern auch in der Schweizer Nationalmannschaft.

NADINE HAGER

Sina Hauswirth, was fasziniert Sie am Fussball?
Eigentlich ist es mehr Leidenschaft als Faszination: Ich liebe es, nach einem anstrengenden Arbeitstag noch kurz an die frische Luft zu gehen, um ein paar Bälle zu kicken und mit den Kollegen Zeit zu verbringen. Aber ich liebe auch einfach den Sport selbst, das Bewegen.

Was möchten Sie im Fussball erreichen?
Ich möchte so weit aufsteigen wie möglich. Fast jede Fussballerin der Schweiz hat denselben Traum: irgendwann im Ausland spielen zu können, weil man als Frau in der Schweiz momentan noch nicht vom Fussball leben kann. In England zum Beispiel ist das mittlerweile möglich, wenn auch begrenzt.

Sie spielen bereits im Nachwuchs der Schweizer Nationalmannschaft.
Ja. Es ist ein Privilieg, dort in so jungen Jahren spielen zu dürfen und ein Traum, eines Tages sein Land vertreten zu dürfen an einer Europa- oder Weltmeisterschaft. Ich bin momentan beim Nachwuchs. Mit zunehmendem Alter wird es je länger, je schwieriger, in der Nati zu bleiben. Momentan spiele ich nämlich nur mit den Besten des Jahrgangs 2004. In der A-Nati hingegen spielen die Besten von 20 Jahren aufwärts – das sind viel mehr. Man kann jederzeit wieder ausscheiden und es ist nie sicher, dass man ein Aufgebot für den nächsten Zusammenzug bekommt.

Das bedeutet, dass Sie stark unter Leistungsdruck stehen.
Ja. Den Druck macht man sich selbst, man will immer besser werden und vergleicht sich mit anderen: Dadurch vergisst man manchmal, dass man nicht nur auf die anderen schauen sollte, sondern auf sich selbst. Wenn mal ein Training nicht läuft, mache ich mir Vorwürfe, obwohl es nicht so ist, dass jedes einzelne Training über meine Zukunft entscheidet. Ich weiss, dass es Leute gibt, die an mich glauben, das stärkt mich.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?
Manchmal muss ich ein paar Nächte darüber schlafen und mir dann überlegen: Was habe ich gut gemacht? Dann überlege ich mir, was ich nicht gut gemacht habe und versuche, dies im Training umzusetzen.

Das Positive zu sehen und sich daran zu motivieren ist essenziell für eine gute Leistung.
Ja, doch es ist oft schwieriger, das Gute zu sehen als das, was schiefgelaufen ist. Aber wenn man nur das herauspickt, was man nicht gut gemacht hat, drückt man sich runter. Ich verfolge den Ansatz, auch nach dem Positiven zu fragen und nicht nur nach dem Negativen.

Je besser Sie werden, desto höher werden aber bestimmt auch Ihre Anforderungen an sich selbst.
Das stimmt. Ich möchte immer besser sein als gestern.

Ist der Druck im Mannschaftssport höher als im Einzelsport?
Nein, nicht direkt, das ist das Schöne daran. Manchmal läuft es besser, manchmal schlechter: Trotzdem weiss ich, dass meine Teamkolleginnen hinter mir stehen. Es ist wichtig, sich gegenseitig aufzumuntern und nicht runterzuziehen.

Die Einstellung kann über Sieg und Niederlage entscheiden.
Das Mentale ist sehr wichtig im Sport, ja, es ist entscheidend, auch im Kopf weiterzukommen und nicht nur körperlich. Dass Fehler passieren, ist normal – aber das muss man lernen.

Nun noch einmal zurück zum Anfang: Wie sind Sie in den Fussball eingestiegen?
Ich habe sieben Jahre lang mit den Jungs des FC Sarina gespielt. Unser Trainer Patrick Bill hat mich schon früh zum Fussballspielen animiert und gefördert. Auch jetzt schaue ich manchmal noch bei den Spielen des FC Sarina zu.

Ihre Trainings liefen immer parallel zur Schule.
Ja, mit dem FC Sarina hatte ich zweimal in der Woche Training und als ich in der Regionalauswahl spielte, pendelte ich einmal alle zwei Wochen nach Bern. Später trainierte ich zweimal pro Woche mit YB-Wyler, zweimal mit dem FC Sarina und ging jeweils montags ins Skisprungtraining, um meine Sprungkraft zu steigern.

Und wo stehen Sie heute?
Im August dieses Jahres, nach meinem Schulabschluss, bin ich nach Bern zu meiner wunderbaren Gastfamilie gezogen. Kurz darauf habe ich meine Sport-KV-Lehre bei Energie Wasser Bern begonnen: Das ist eine Ausbildung, die darauf ausgelegt ist, dass ich genug Zeit für den Fussball habe. Mit meiner Ausbildungsstelle habe ich einen Wochenplan entworfen, der die Präsenzzeiten im Betrieb, die Trainings, die Schulzeit und die Lernzeit festlegt, damit ich alles schaffe.

Und die Trainings?
Momentan habe ich eigentlich sechsmal Training die Woche und dann noch ein Spiel, welches meistens samstags stattfindet. Aber weil ich mir in einem Camp der Nationalmannschaft im September 2019 das Kreuzband gerissen habe, bin ich noch nicht voll einsatzfähig. Momentan trainiere ich deshalb nur fünfmal pro Woche.

Sie haben einen vollen Terminkalender und sind mit 16 Jahren ausgezogen, um sich auf den Fussball konzentrieren zu können. Stecken Sie das einfach so weg?
Zu Beginn hatte ich gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken, ich habe einfach funktioniert. Jetzt gewöhne ich mich daran: Ich überlege gar nicht, was das genau bedeutet, da ich mich bereits darauf eingestellt habe. Aber Zeit für Kollegen habe ich schon nicht wirklich.

Ist es denn in Ordnung für Sie, dass Ihnen Zeit für so etwas Wichtiges fehlt?
Schon seit Langem sah ich meine Kollegen nicht so viel aufgrund der Trainings und der langen Wege. Auf eine Art funktioniere ich einfach, und das habe ich so gewählt. Es stimmt für mich.

Finanziell ist das Ganze aber bestimmt auch nicht so leicht zu stemmen.
Ja. Meine Eltern zahlen mir die Miete, aber es wird langsam relativ schwierig, nebenher auch noch Material wie Fussballschuhe sowie den Clubbeitrag bei YB zu bezahlen. Deshalb habe ich ein Crowdfunding gestartet – so kann ich hoffentlich Sponsoren für meine Miete finden.

Könnten Sie vom Fussball leben, wenn Sie jetzt als Mann auf demselben Weg wären?
Es gibt bei den Männern nur Ausnahmen, die in meinem Alter bereits einen Vertrag haben. Ich habe das Gefühl, bei den Männern verdient man vielleicht ab der U19 etwas – Frauen frühestens in der National League, und dann so wenig, dass man nicht davon leben kann. Man muss nebenher arbeiten, deshalb sind Sponsoren sehr hilfreich.

Hat sich die Situation für den Frauenfussball nicht verbessert?
Doch, auf jeden Fall: Seit diesem Jahr wird beispielsweise die Super League des Frauenfussballs zwischendurch auf SRF 2 ausgestrahlt. Sie versuchen wirklich, den Frauenfussball populärer zu machen – aber es ist noch ein weiter Weg, bis die Wertschätzung für Frauenfussball auf dieselbe Ebene kommt wie für Männerfussball.

Was liegt jetzt noch vor Ihnen?
Ich würde sagen: hartes Training. Ich möchte weiterkommen. Es gibt immer wieder Ausscheidungen, bei YB wie auch der Nati. Nur die Besten kommen weiter und um zu diesen zu gehören, muss man viel trainieren.

Trotz dieser Unsicherheit arbeiten Sie unbeirrt auf Ihren Traum hin.
Auf jeden Fall! Bei keinem Traum kann man sich sicher sein, dass er in Erfüllung geht, aber wenn man es nicht probiert, kann man es auch nie erreichen.

Das bedeutet: Sie stürzen sich leidenschaftlich in Ihren Traum und geben einfach Ihr Bestes.
Ja. Ich werde alles geben um meinen Traum zu verwirklichen, nach dem Motto: Realisiere deinen Lebenstraum!

Das Crowdfunding-Projekt von Sina Hauswirth finden Sie auf ibelieveinyou.ch.


ZUR PERSON

Sina Hauswirth ist 16 Jahre alt und wohnt eigentlich in Saanen – unter der Woche jedoch lebt sie seit diesem Sommer bei einer Gastfamilie in Bern. Sie macht das Sport-KV bei Energie Wasser Bern (EWB), wodurch ihr genug Zeit für fünf bis sechs Fussballtrainings pro Woche bleibt.

Mit dem Fussball begonnen hat Sina Hauswirth mit acht Jahren im FC Sarina. Dann hat sie parallel dazu angefangen, bei der Regionalauswahl des Kantons Bern zu trainieren. Als sich diese aufgrund von Trainermangel auflöste, wechselte sie als 13-Jährige zu Young Boys-Wyler. Zwei Jahre später wurde diese Mannschaft geteilt und die Young Boys nahmen ihren Frauennachwuchs zu sich. Seit dann ist Sina Hauswirth vollumfänglich bei den Young Boys dabei. 2020 hat sie den FC Sarina verlassen und konzentriert sich seither ganz auf die Young Boys. Daneben hat sie die Aufnahme in die U17 der Schweizer Nationalmannschaft geschafft und gehört dort zur Top 24, welche zu Spielen und Trainings aufgeboten wird.


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