«Musikschaffende kann man nicht einfach ersetzen!»

  23.02.2021 Kultur, Musik

Die Nachricht vom Tod des grossen Pianisten Armando Anthony «Chick» Corea löste weltweit Bestürzung aus – auch im Saanenland, wo er anlässlich des Gstaad Menuhin Festivals & Academy zu seinem 80. Geburtstag am 25. Juli für ein Birthday-Concert engagiert war.

KEREM S. MAURER
«Zuerst dachte ich, es handle sich bei der Nachricht von Chick Coreas Tod um Fake News», erklärt Christoph Müller, Artistic Director des Gstaad Menuhin Festivals auf Anfrage. Zu Coreas Tod kursierten viele kontroverse Meldungen im Internet, bevor sich das Gerücht letztlich bestätigt habe. «Das stimmt mich sehr traurig», sagt Müller, der noch bis vor Kurzem in intensivem Kontakt mit Chick Coreas Büro gestanden hat. «Es führt einem einmal mehr vor Augen, wie zerbrechlich das Leben ist.» Christoph Müller würdigt Chick Corea als «umfassenden Künstler, der nicht einfach nur ein grossartiger Pianist» gewesen sei, sondern auch ein grosser Künstler, für den Grenzen zwischen den einzelnen Genres keine Rolle gespielt hätten.

Anderes Konzert geplant
Für Konzertveranstalter ist es besonders herausfordernd, wenn gebuchte Kunstschaffende vor dem vereinbarten Auftritt sterben. Marcel Bach, OK-Präsident der Gstaad Country Night, erklärt auf Anfrage die rechtliche Situation: «Verträge und Vereinbarungen werden in so einem Fall hinfällig.» Ihm sei dies in der über 30-jährigen Geschichte der Country Night zum Glück nie passiert. Natürlich seien auch bei ihm durch Krankheit oder Unfall schon Musikschaffende ausgefallen. Das komme vor und sei für die Organisatoren zwar auch ungünstig, doch darauf sei man vorbereitet und könne sich nach einem Ersatzmusiker oder einer Ersatzmusikerin umschauen. Aber beim Tod einer Künstlerin oder eines Künstlers von grossem Bekanntheitsgrad gehe das nicht so einfach. «Jede Künstlerin und jeder Künstler ist einmalig und kann nie durch andere ersetzt werden», weiss Christoph Müller. Im Fall von Chick Corea plane das Gstaad Menuhin Festival ein anderes Konzert zu programmieren, welches durch einen Künstler mit ähnlichem Profil geprägt ist. Doch weiter liess er sich nicht in die Karten blicken. «Zu gegebener Zeit werden wir über die Details informieren», verspricht Müller, für den es das erste Mal ist, dass er ein Konzert infolge eines Todesfalls absagen muss. Wie die Corona-Krise überhaupt mache einem ein solches Ereignis klar, dass auch Musiker und Musikerinnen nur Menschen aus Fleisch und Blut seien, keine Maschinen, sinniert der künstlerische Leiter des Gstaad Menuhin Festivals. Musikschaffende seien Menschen, die man «sehr hoch schätzen und achten muss, weil sie zuweilen Übermenschliches leisten, das nicht erklärbar ist».

Reproduktion als Trauerbewältigung
Wie gehen eigentlich Kunstschaffende damit um, wenn jemand von ihnen plötzlich stirbt? «Ich glaube, das beste Mittel gegen die Trauer um einen grossen Musiker wie Corea ist das Reproduzieren seiner Errungenschaften in der eigenen Tätigkeit: Improvisationskunst, Offenheit, Brillanz und Sensibilität», vermutet Müller. Als Jazzpianist war Chick Corea kein Interpret klassischer Musik. Wie ist es denn zu diesem geplanten Geburtstagskonzert gekommen? Christoph Müller: «Im Geiste Menuhins, der als einer der ersten klassischen Musiker des 20. Jahrhunderts wagte, sich mit Musikern anderer Stile und Genres zu treffen, lade ich regelmässig Musiker ein, die ähnlich offen sind, wie er es war.» Unter diesem Leitgedanken spielten am Gstaad Menuhin Festival in den letzten Jahren zum Beispiel auch Bobby McFerrin, Ute Lemper, Jacques Loussier, Nigel Kennedy, Roby Lakatos, Subramaniam, das Janoska-Ensemble, Gilles Apap und andere. Eine Tradition, die Müller nach eigenen Angaben gerne fortsetzen will.


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