Konzertauftritt als Bestandteil des Akademiealltags

  26.02.2021 Konzert, Kultur, Musik

Für das traditionelle Konzert, das die Internationale Menuhin Musik Akademie IMMA ihren Gönnern widmet, musste heuer coronabedingt eine andere Lösung gefunden werden. Es wird wie geplant heute Freitag in der Kirche Saanen durchgeführt, allerdings ohne Publikum.

LOTTE BRENNER
Einesteils ist der jährliche Konzertauftritt der Akademieabsolventen der IMMA ein Dankeschön an ihre Gönner, andernteils ein pädagogisches Muss. Denn der öffentliche Auftritt ist Bestandteil der Abschlussausbildung. Die Akademie fördert Ausnahmetalente aus aller Welt, Musikerinnen und Musiker, die bereits im Besitz eines Diploms sind und einen Namen haben. Die gesamte Ausbildung an der IMMA wird von der Stiftung bezahlt, inklusive Kost, Logis und Sackgeld. In diesem Sinne war es für die Veranstalter wichtig, das vorgesehene Konzert durchzuführen – wenn auch unter besonderen Umständen. Die Camerata der IMMA wird heute Freitag also mit 18 Musikerinnen und Musikern antreten.

Einzig der Konzertbeginn wurde vorverschoben. Somit können Gönner und Musikinteressierte das einstündige Konzert ab 17 Uhr via Livestream verfolgen. Gespielt werden ein Mozartquintett mit fünf Solisten (zwei Geigen, zwei Bratschen und ein Cello) und ein Stück von Schostakowitsch: eine Transkription von Rudolf Barschaï vom Quartett Nr. 8 in eine Kammersinfonie. Abgerufen werden kann es unter: www.menuhin. com.

Eine neue Herausforderung
Wie viele andere Kulturbetreibende steht auch die IMMA vor einer völlig neuen Situation, einer überlebenswichtigen Herausforderung. Angefangen hat es bereits vor einem Jahr, als das Konzert kurzfristig abgesagt werden musste, da ursprünglich ehemalige Absolventen aus dem Ausland eingeladen waren und das Risiko zu gross geworden war. Die IMMA gehörte zu den allerersten Veranstaltern, die einen Anlass absagten. Während drei bis vier Tagen wurden dann mit rund einem halben Dutzend Absolventen Kurse im Le Rosey in Rolle durchgeführt, wo es in der Concert Hall dann zum ersten Livestream-Konzert kam. Solche «Concerts du dimanche» wurden in der Folge monatlich durchgeführt. Es fanden zwischen 20 bis 30 Konzerte statt. Die Vorbereitung auf öffentliche Anlässe, das Gewöhnen an den Bühnenbetrieb und das Auftreten mit externen Solisten ist Teil des Akademiebetriebes, ein integraler Bestandteil einer perfekten Abschlussausbildung. Und weil die Belastung durch die vorhandenen Kameras und Mikrofone eher noch steigt, liegt ein enormer Leistungsdruck auf den Musikerinnen und Musikern. Das Lampenfieber schwingt also mit. Besonders schwierig für die Ausführenden ist das Fehlen der gegenseitigen Beziehung zum Publikum, das Gemeinschaftserlebnis. Auch für die Konzertgäste ist die Erlebniseinbusse gross. Jeder Einzelne sitzt vor dem Bildschirm und kann sich nach dem Konzert nicht mit andern austauschen.

Alle stehen dahinter
Die grosse Frage beim Konzert 2021 lautet: Wie kann dieses für die IMMA-Absolventen so wichtige Konzert durchgeführt werden? Den Veranstaltern ging es vor allem auch darum, den Gönnern etwas zu bieten. Und das ist in Zeiten von Corona nur via Livestream möglich. Der Verein Saaner Freunde der IMMA verhandelte mit dem Stiftungsrat. Die Stiftung übernimmt grosszügig die gesamten Kosten dieses aufwendigen Anlasses. Weiter wurden Gespräche mit der Kirchgemeinde geführt, die den längst reservierten Termin vom 26. Februar bestätigte. Die Musikkommission der Kirchgemeinde hat das Livestream-Konzert in der Kirche Saanen bewilligt. Sehr konstruktiv verliefen auch die Abklärungen mit den kantonalen Behörden. Nun steht nichts mehr im Weg, das Konzert heute Freitag vernünftig, angenehm, sicher und coronakonform zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund stellten sich viele Fragen in Bezug auf die Ausführung und Machbarkeit dieses coronabedingt etwas anderen Konzerts. Çetin Köksal, Präsident der Saaner Freunde und Stiftungsratsmitglied der IMMA, gibt Antworten.

Çetin Köksal, um die komplette Technik inklusive der Synchronisierung von Musik und Bild zu erlangen, braucht es Fachleute. Wer ist das? Welche technischen Instrumente braucht es dazu? Welche Kosten fallen dabei an?
Die Livestreams der IMMA-Konzerte werden im Auftragsverhältnis von der PSP Media & Communication unter der Leitung von Paul Sutin durchgeführt. Dem erfahrenen Tonmeister stehen jeweils zwei Mitarbeitende zur Seite, welche unter anderem die Kameras (2 bis 3) und das Mischpult bedienen. Kostenpunkt: 4000 Franken pro Konzert – ein nicht unerheblicher Betrag, weshalb wir im Vorstand der Saaner Freunde sehr erfreut darüber waren, dass die IMMA-Stiftung sofort bereit war, die Streaming-Kosten unseres Gönnerkonzerts zu übernehmen.

Wie reagieren die Sponsoren und Gönner auf diesen Mehraufwand bei weniger Ertrag? Hat es bisherige, die abgesprungen sind? Gab es zusätzliche Spenden?
Glücklicherweise sind uns die Gönner bis jetzt treu geblieben. Sie verstehen, dass dieser Mehraufwand in der gegenwärtig sehr schwierigen Lage eine gute Investition ist. Zum einen sind öffentliche Konzertauftritte fester Bestandteil der dreijährigen Weiterbildung an unserer Akademie. Unsere professionellen Musiker sollen möglichst optimal auf ihr späteres Bühnenleben vorbereitet werden. Zum anderen ist es für uns von grosser Wichtigkeit, dass wir gerade auch jetzt präsent, sicht- und hörbar bleiben. Für alle IMMA-Freunde, -Liebhaber und -Unterstützer, aber ebenso für alle zukünftigen potenziellen Musiker, welche sich bei uns bewerben möchten. Die Livestreams sind ja weltweit über verschiedene (Social-) Media-Kanäle abrufbar.

Kürzlich erschien in den Tageszeitungen eine Todesanzeige: «Nach langem Leiden hat uns unser einzigartiges Berner Kulturleben viel zu früh auf immer verlassen …» Am Schluss steht, dass anstelle von Blumen Spenden an einen kulturellen Lieblingsbetrieb besonders willkommen seien («Vermerk: Trauerfall Berner Kulturleben»). Hat die IMMA eine solche Spende erhalten?
Mir ist bis jetzt kein solcher Spendeneingang bekannt. Da unsere Stiftung im Kanton Bern, seit Neustem im Salzhüsy in Saanen, ihren Sitz hat, dürfen wir uns auch als Teil des Berner Kulturlebens fühlen. Hingegen würde ich die IMMA eher als freudiges Ereignis bezeichnen, denn mit vereinten Kräften ist es uns bis anhin gelungen, den Akademiebetrieb im Grossen und Ganzen beinahe regulär weiterzuführen. Konzerte wurden zwar abgesagt oder verschoben und gewissen Meisterkursen erging es gleich, doch die Haupttätigkeit unserer Institution, die Weiterbildung von sehr talentierten Geigern, Bratschisten und Cellisten, konnte ohne Verzögerung stattfinden. Dennoch liegt es in der Natur der Sache, dass die Finanzierung einer solchen Institution immer eine Herausforderung bleibt, weshalb wir uns natürlich über jede Spende freuen – nicht nur finanziell, sondern auch als nicht minder wertvolles Bekenntnis zu unserer einmaligen IMMA.

Wie muss ein Orchester coronagerecht aufgestellt werden? Was bedeutet das für die Musiker?
Unsere Camerata tritt aktuell konsequent mit Gesichtsmaske auf und die Abstände zwischen den Musikern sind auch grösser geworden. Wenn von der Mimik nur noch der Augenkontakt übrig bleibt, erleichtert dies die Kommunikation im Zusammenspiel natürlich nicht unbedingt. Da gilt es noch besser «die Ohren zu spitzen …».

Die Kirche Saanen zeichnet sich für eine gute Akustik aus. Was ist damit vor leeren Reihen?
In der Tat ist die Akustik in der Mauritiuskirche vorzüglich. Glücklicherweise mussten unsere Musiker bis jetzt noch nie vor leeren Bänken spielen – wir wissen also nicht genau, wie sich das anhören wird. Wir rechnen aber mit mehr Schall, wobei sich unser musikalischer Direktor Oleg Kaskiv zusammen mit dem Tonmeister Gedanken über eine Verteilung der Musiker auch im Zuschauerraum machten. Schauen wir mal, welche Lösung die beiden finden werden!

Wie sieht gegenwärtig der Akademiebetrieb der IMMA aus? Befinden sich die internationalen Teilnehmer alle in der Schweiz?
Wie gesagt, konnten wir den Lehrbetrieb mit geringen Einschränkungen aufrechterhalten. Während des ersten Lockdowns mussten wir eine gewisse Zeit auf Hometeaching/-learning umstellen, da teilweise weder die Musiker noch die Professoren in die Schweiz einreisen konnten. Zwei neue IMMA-Mitglieder stiessen aus demselben Grund im Herbst – zu Beginn des neuen akademischen Jahres – etwas verspätet zu uns. Unsere Administration ist praktisch permanent damit beschäftigt, den diesbezüglichen zusätzlichen Formularaufwand zu bewältigen, zumal die Bestimmungen ja immer wieder ändern. Nun sind wir jedoch schon seit vielen Wochen wiederum alle vereint.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und beste Wünsche für ein erfolgreiches Durchhalten.

 


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