«Für mich wäre eine Abrechnung nach Tarmed korrekt»

  09.03.2021 Interview, Coronavirus, Gesundheitswesen

Tracen, testen, impfen – so will es der Kanton Bern. Geimpft werden soll nicht nur in Impfzentren, sondern auch bei den Hausärzten. Die Impfpauschale von Fr. 24.50 pro Impfung sei nicht annähernd kostendeckend, moniert der Verband der Haus- und Kinderärzte.

ANITA MOSER
Das Bundesamt für Gesundheit BAG, die Gesundheitsdirektorenkonferenz und die Versicherer haben die Impfpauschale für Arztpraxen bis Mitte Jahr auf Fr. 24.50 pro Impfung festgelegt. «Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte wie auch die FMH waren von den Verhandlungen ausgeschlossen», heisst es in einer Medienmitteilung des Verbandes mfe. Der Entscheid, die Impfung mit Fr. 24.50 abzugelten, sei beschämend. Die Hausärzte seien von den Versicherern und Kantonen übergangen worden. «Diese sind sich unserer Loyalität gegenüber den Patientinnen und Patienten sehr bewusst – sie wissen, dass wir alles für deren Gesundheit und Schutz tun», heisst es weiter.

Wie sehen das die Hausärzte im Saanenland? Wir haben mit Dr. Gerhard Amiet von der Praxis Santé in Saanen gesprochen. Er betont: «Ich kann nur für unsere Praxis sprechen.»

Gerhard Amiet, kann man sich in jeder Hausarztpraxis gegen Covid-19 impfen lassen?
Nein, Hausarztpraxen brauchen eine Bewilligung vom Kanton – obwohl wir jeden Tag gegen Starrkrampf, Hepatitis oder Kinderlähmung impfen. Wie die Impfwilligen müssen sich Hausärzte, die impfen wollen, erst registrieren. Nach welchen Kriterien der Kanton die Bewilligungen erteilt, kann ich nicht beurteilen.

Ab wann können Hausärzte im Kanton Bern impfen?
Das ist noch offen.

Wie viele Impfdosen bekommt Ihre Praxis?
Auch das wissen wir heute noch nicht.

Mit welchem Vakzin kann man sich in Ihrer Praxis impfen lassen?
Im Moment sind in der Schweiz erst zwei Vakzine zugelassen. Jenes von Pfizer/Biontech sowie jenes von Moderna.

Was muss ich als Patient unternehmen, wenn ich mich bei meinem Hausarzt impfen lassen will?
Es gilt zu beachten, dass auch wir Hausärzte uns an den Impfplan des Kantons halten müssen. Daher sollte man sich zunächst im Internet auf www.be.ch/corona-impfung informieren, wer sich wann impfen lassen kann. Momentan ist Gruppe A – besonders gefährdete Personen ab 75 Jahren – an der Reihe. Wenn sich jemand dringend impfen lassen will, empfehle ich ihm, sich auf der kantonalen Plattform zu registrieren für einen Impftermin im Impfzentrum in Thun.

Kontaktieren Sie als Hausarzt Ihre Risikopatienten und fragen, ob sie sich impfen lassen wollen? Oder müssen sie sich selber melden?
Ja, wir kontaktieren unsere Patienten.

Werden die Daten der Geimpften an den Kanton/Bund weitergegeben?
Ja. Sämtliche Geimpften werden im Impfregister aufgenommen.

Kann ich als Patientin den Impfstoff wählen?
Theoretisch ja, sofern der gewünschte Impfstoff zur Verfügung steht. Ich hoffe, dass man bald genügend Impfdosen hat, die jede Hausarztpraxis lagern und bestellen kann, wie jede andere Impfung auch. Und dass wir sie jenen Patienten verabreichen können, die geimpft werden wollen.

Die Hausärzte werden mit 24 Franken 50 pro Covid-19-Impfung entschädigt. Das sei beschämend, kritisiert der Verband der Haus- und Kinderärzte. Was ist Ihre Meinung?
24.50 gibt es bis Mitte Jahr, danach soll es noch weniger sein. Das ist eine absolute Frechheit. Mir ist bewusst, dass es viele Menschen gibt, die durch Corona mit grossen finanzielle Einbussen leben müssen. Wir Ärzte durften immer arbeiten. Aber wir hatten viel weniger Patienten. Jene mit Infektionskrankheiten haben ganz gefehlt. Nun zu den 24 Franken 50: Wenn man überlegt, dass mindestens eine Medizinische Praxisassistentin und ein Arzt mit diesem Patienten 15 bis 20 Minuten zu tun haben, ist das nie und nimmer kostendeckend. Und dann sollten eigentlich auch das Material und die allgemeinen Praxiskosten mit diesem Betrag abgedeckt sein. Wir wollen ja nicht gewinnbringend impfen, aber wenigstens kostendeckend. Bei den Verhandlungen waren die Ärzte leider schlecht bis gar nicht vertreten.

Wie hoch müsste denn die Entschädigung sein?
Pauschal pro Impfung beziffern lässt sich das nicht. Für mich wäre eine Abrechnung nach dem Tarifsystem Tarmed korrekt, wie man auch alle andere Leistungen abrechnet. Es gibt Leute, die kommen nur für eine Impfung. Das gibt einen Aufwand von fünf bis zehn Minuten. Mit anderen muss man zuerst eine halbe Stunde über Vor- und Nachteile der Impfung sprechen. Wann sie wirkt und so weiter. Und bei der Covid- 19-Impfung ist es ja Pflicht, dass man die Geimpften noch 20 bis 25 Minuten in der Praxis überwacht. Auch das ist nicht inkludiert.

Ist die Beratung des Patienten in diesen 24 Franken 50 inbegriffen?
Meiner Ansicht nach nicht. Aber Bund und Kantone sind der Ansicht, dass der Aufwand mit 24.50 abgegolten ist.

Wie aufwendig ist die Impfung?
Der Arzt muss verschiedene Vorabklärungen machen. Der Patient muss gesund und einverstanden sein. Der Arzt muss von Vorerkrankungen wissen, welche Medikamente regelmässig eingenommen werden. Unsere eigenen Patienten kennen wir sehr gut, da ist der Aufwand klein. Müssen wir aber Leute aus anderen Praxen impfen, ältere Patienten oder Risikopatienten, die eine medizinische Vorgeschichte haben und viele Medikamente einnehmen müssen, ist das enorm aufwendig. 

 


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