«Wir wollen und müssen haushälterisch umgehen mit Bauland»

  05.03.2021 Interview, Schönried, Turbach

Marieke Kruit ist im Turbach aufgewachsen. Im Herbst wurde sie in den Gemeinderat der Stadt Bern gewählt und bildet dort mit ihren vier Amtskolleginnen und -kollegen die Exekutive. Sie setzt sich für vielfältig nutzbare öffentliche Räume ein und erholt sich zwischendurch gerne auch in Schönried.

BLANCA BURRI

Erlauben Sie uns bitte folgende Frage: Werden Sie die ersten Bundesrätin mit Wurzeln im Saanenland?
Ich bin sehr zufrieden damit, dass ich zur Berner Gemeinderätin gewählt worden bin – und auch voll damit ausgelastet, mich in dieses Amt einzuarbeiten.

Und in ein paar Jahren?
Ich konzentriere mich voll und ganz auf mein noch neues Amt und plane nicht bereits weiter.

Nun sind wir bereits mitten in der Politik. Sie richten Ihr ganzes Leben nach dem Politbetrieb aus. Was fasziniert Sie daran?
Politik heisst für mich mitgestalten. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass die Stadt Bern für alle Menschen viel Lebensqualität bietet.

Wer ist Ihr Vorbild?
Es gibt einige Menschen, deren Einsatz ich bewundere. In der Politik sind es zum Beispiel alt Bundesrätin Ruth Dreifuss für ihren Einsatz für die Geschlechtergleichstellung oder alt Ständerat Ernst Leuenberger für seine Bodenständigkeit.

Im vergangenen Herbst haben die Wahlen in den Gemeinderat stattgefunden. Wie haben Sie diese erlebt?
Es war sehr emotional. Und wegen der Corona-Situation auch besonders. So durften zum Beispiel bei der Verkündigung der Wahlresultate nicht einmal die nächsten Familienmitglieder anwesend sein. Mein Mann musste vor dem Rathaus warten. Ich hätte diesen Moment gerne mit ihm geteilt.

Die Türen haben sich geöffnet. Seit dem 1. Januar sind sie in der Exekutive der Stadt Bern. Haben Sie sich bereits ein wenig eingelebt?
Ich bin mich natürlich nach wie vor am Einleben und Einarbeiten. Zum Glück habe ich ein sehr gutes und engagiertes Team, das mich unterstützt. Ein Vorteil ist auch, dass ich viele Geschäfte schon aus meiner Zeit als Stadträtin kenne.

Ihr Departement beschäftigt sich mit dem Tiefbau, dem Verkehr und mit Stadtgrün. Wie sehen Sie die Stadtentwicklung in diesem Bereich?
Wir sollten den begonnenen Weg weitergehen und eine Stadt mit hoher Lebensqualität für alle gestalten – das heisst zum Beispiel, einen öffentlichen Raum, der vielfältig genutzt werden kann, oder eine nachhaltige Mobilität mit öffentlichem Verkehr, Fussverkehr und Velo.

Können Sie etwas konkreter werden?
Vielleicht ein Beispiel aus dem öffentlichen Raum: Es ist wichtig, dass sich hier Jung und Alt wohlfühlen und den Raum nutzen können. Für Kinder heisst das, dass sie in ihrer Wohnumgebung Orte vorfinden, an denen sie gefahrlos spielen können. Für ältere Menschen sind beispielsweise hindernisfreie Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum wichtig oder ein gut funktionierender öffentlicher Verkehr. Weiter befassen wir uns auch aktiv mit dem veränderten Stadtklima.

Themenwechsel: Welches ist Ihr Herzensort im Saanenland?
Da gibt es natürlich viele! Skifahren auf dem Wasserngrat. Und besonders schöne Erinnerungen habe ich an Wanderungen mit meinen Eltern zur Geltenhütte.

Was sagen die Berner über das Saanenland?
Ich würde sagen, sie verbinden mit dem Saanenland die schöne Natur, Erholung, wunderbare Ski- und Wandergebiete oder Anlässe wie das Menuhin Festival oder das ATP-Tennisturnier in Gstaad.

Manchmal hat man das Gefühl, dass die Berner auf den Erfolg des Saanenlandes neidisch sind …
Also sicher auf das tolle Skigebiet. Da kann der Skilift auf dem Gurten überhaupt nicht mithalten (lacht).

Was macht die Gemeinde Saanen gut, was weniger?
Ich glaube, es ist nicht an mir, das zu bewerten. Was zum Beispiel Gstaad sicher gut getan hat, ist, dass die Umfahrung realisiert worden ist.

Welche Themen sollte der Kanton Bern aus Ihrer Sicht dringend angehen?
Die Themen Klima und Verkehr sind sehr wichtig. Diese sind natürlich auch bereits auf der politischen Agenda. Aber da sollten wir alle dranbleiben – Gemeinden und Kanton.

In welche Richtung soll die Verkehrspolitik gehen?
Wir setzen auf eine nachhaltige und stadtverträgliche Mobilität für alle. Verkehrspolitik hört aber nicht an der Gemeindegrenze auf. Es ist deshalb zentral, bei wichtigen Verkehrsvorhaben den Dialog mit der Region und dem Kanton sowie dem Bund aktiv zu pflegen.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kanton?
Als gut und konstruktiv. Selbstverständlich vertreten Stadt und Kanton auch unterschiedliche Interessen. Wichtig ist, dass wir miteinander im Dialog bleiben.

Wir Bergler haben ab und zu das Gefühl, im Mittelland wird verschwenderisch mit dem Bauland umgegangen, während man in den Berggebieten verdichtet bauen oder nur wenig bauen soll, damit die Natur erhalten bleibt.
Ich kann vor allem für die Stadt Bern sprechen. Und hier ist die innere Verdichtung ein Ziel. Wir wollen und müssen haushälterisch umgehen mit Bauland.

Ihr Ehemann Peter Lauener ist Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset. Die Pandemie fordert viel. Wie meistert er die Herkulesaufgabe?
Mit viel Ausdauer. Wir gönnen uns auch hin und wieder kleine Auszeiten. Kürzlich zum Beispiel in Schönried.

Welchen Rat geben Sie allen Pandemie-Müden?
Durchhalten, sich an den kleinen und schönen Dingen des Lebens freuen und Kontakte pflegen übers Telefon und Internet. Hoffentlich sind bald auch wieder direkte Kontakte im kleinen Rahmen möglich.


ZUR PERSON

Marieke Kruit ist gebürtige Holländerin. Sie ist in Ilanz (GR) geboren und mit rund vier Jahren mit der Familie ins Saanenland gezogen. Sie ist im Gastwirtschaftsbetrieb der Eltern in Turbach aufgewachsen. Mit zwölf Jahren wurde sie eingebürgert. Nach der kaufmännischen Lehre im Tourismusbüro ist die heute 52-Jährige ins Unterland gezogen, wo sie erst bei Radio BeO und später bei Radio Extra Bern und TeleBärn arbeitete. Berufsbegleitend erwarb sie die eidgenössische Matura mit Schwerpunkt Wirtschaft und studierte klinische Psychologie sowie Psychotherapie an der Universität Bern. Von 2016 bis 2020 war sie Co-Bereichsleiterin der vier Ambulatorien Psychiatrische Dienste SRO Oberaargau. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Bern. Von 2013 bis 2020 war sie im Stadtparlament und seit Neujahr Gemeinderätin der Stadt Bern, Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün.


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