Nachfolger gesucht! Viele Höfe stehen vor der Übergabe

  10.09.2021 Landwirtschaft, Gesellschaft

Wenn Betriebsleitende von landwirtschaftlichen Betrieben pensioniert werden, stellt sich die Frage nach geeigneten Nachfolgern. Auch im Saanenland. Doch die richtigen zu finden, ist nicht immer einfach – wie auch das Zusammenleben mehrer Generationen auf einem Hof.

KEREM S. MAURER
Laut Agroscope Science erreichen rund 30 Prozent der Betriebsleitenden in den nächsten zehn Jahren die Altersgrenze von 65 Jahren und sind damit nicht mehr zum Bezug von Direktzahlungen berechtigt. Ausnahmen bilden Betriebsleitende von Sömmerungsbetrieben. Matthias Engimann, Ressortleiter Beratung beim Inforama Berner Oberland, geht aufgrund der in der Landwirtschaft herrschenden demografischen Struktur davon aus, dass es im Saanenland in naher Zukunft viele Hofübergaben geben werde. Er begleitet von Berufes wegen Landwirte bei Hofübergaben.

Ideallösung innerfamiliär?
Der Saaner Landwirt Willi Bach führt den elterlichen Bauernbetrieb zusammen mit seiner Frau in der zweiten Generation. Für zwei ihrer drei Söhne stand von Anfang an fest, dass sie den Hof nicht übernehmen wollten, während sich der dritte Sohn Lukas nach einer Elektronikerlehre auf ein Leben als Bauer eingelassen hatte. Er führte während der letzten zehn Jahre zusammen mit seinem Vater den Hof. Doch dann entschied auch er sich gegen eine Hofübernahme. «Man braucht sehr viel Leidenschaft und Einsatzbereitschaft für diesen Beruf», begründet Lukas Bach. Diese Leidenschaft habe er in sich nie gespürt. Erst dachte er, sie entwickle sich mit der Zeit. Doch das war ein Irrtum. Zudem wollte er vermeiden, dass sein Familienleben unter der landwirtschaftlichen Dauerbelastung leidet, und: «Mir fehlt die spezielle Tierliebe, die es braucht, um die Tiere auf dem Hof tagtäglich korrekt zu versorgen.» Lukas rechnet es seinem Vater hoch an, dass dieser ihn nie zu der Hofübernahme gedrängt hatte. Trotz dem Entscheid seines Sohnes hat Willi Bach gut lachen: Ein Sohn seiner Schwester wollte schon als Bub Bauer werden und springt glücklich in die Bresche. Gegenwärtig absolviert er auf dem zweiten Bildungsweg die entsprechenden Ausbildungen. «Bis mein Neffe den Betrieb übernimmt, fahren wir bis zu meiner bevorstehenden Pension weiter», erklärt Willi Bach und betont, dass es für ihn wie auch für seine Frau ein Geschenk sei, einen Nachfolger innerhalb der Familie gefunden zu haben.

Verpachten ja, verkaufen nein
Keine Lösung innerhalb der Familie gab es für Theres und René Chappuis aus der Feutersoey. Sie bewirtschafteten ihren Hof in der dritten Generation, als sich herausstellte, dass sie eine ausserfamiliäre Nachfolgeregelung finden mussten. «Wir haben den Hof an einen tüchtigen Mann aus dem Nachbardorf verpachtet», erzählt Theres Chappuis und räumt ein, dass es sie zu Beginn schon manchmal traurig gemacht habe, den Hof in fremde Hände geben zu müssen. Doch mittlerweile habe sie gelernt loszulassen. «Man kann viele Dinge auch auf andere Arten erledigen, als man es selber immer gemacht hat – und sie kommen trotzdem gut», sagt sie lachend und sieht im sechsten Sommer nach der Verpachtung ihres Hofes auch Vorteile. «Es ist schön, wenn man nicht mehr immer alles auf einen bestimmten Termin hin fertig haben muss. Jetzt müssen andere entscheiden!»

Theres und René Chappuis sind froh, einen geeigneten Pächter gefunden zu haben, der seine Sache «wirklich sehr gut macht». Denn die letzte Option, den Hof zu verkaufen, wäre für sie nicht in Frage gekommen. «Schon mein Vater hat immer gesagt: ‹Land verkauft man nicht›», hält die pensionierte Bäuerin fest. Man müsse einen Hof in der Familie behalten, schliesslich wisse man ja nie, was noch komme.

Schwierigkeiten gibt es viele
Wer einen Hof übernehmen will, muss je nach Hof richtig tief in die Tasche greifen. Doch an dieser Stelle Zahlen zu nennen, wäre falsch, meint der Experte vom Inforama. Denn der Preis für einen Hof sei von verschiedenen Faktoren wie Grösse, Fuhrpark, Anzahl der Wohnungen im Wohnhaus, Scheunen, Tieren und allenfalls noch Waldstücken abhängig. Dabei könne es schnell um mehrere Hunderttausend Franken gehen.

Auch innerfamiliäre Nachfolgeregelungen bieten Zündstoff, weiss der Experte. Es komme nicht in jedem Fall gut heraus, wenn verschiedene Generationen auf einem Hof und im selben Wohnhaus zusammen lebten, gibt er zu bedenken und spricht den weitverbreiteten Schwiegermutter-Schwiegertochter-Konflikt an. Oftmals stünde sich die hofübergebende Generation aber auch selber im Weg. Nämlich dann, wenn sie partout keinen der potenziellen Nachfolger für geeignet erachte. Aber: «Ich erlebe nicht nur komplizierte Hofübergaben, sondern möchte festhalten, dass in vielen Fällen die Generationen einander stark unterstützen und gerade durch diese Struktur voneinander profitieren», sagt Engimann und ergänzt, dass sich über alles gesehen die Vorund Nachteile im Zusammenleben der Generationen in der Regel die Waage hielten.

Für Landwirtinnen und Landwirte, die auf der Suche nach einer ausserfamiliären Nachfolgeregelung sind, hat Theres Chappuis gute Nachrichten: «Es gibt noch viele tüchtige, junge Landwirte im Saanenland, die arbeiten wollen und bereit sind, einen Hof zu übernehmen.»


IN DER SCHWEIZ GIBT ES IMMER WENIGER BAUERNHÖFE

In der Schweiz schlossen – gestützt auf die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS), landwirtschaftliche Strukturerhebung STRU – in den vergangenen drei Jahren täglich 1,3 landwirtschaftliche Betriebe ihre Tore. Auch im Kanton Bern, dem grössten Agrarkanton der Schweiz, nimmt die Anzahl Bauernbetriebe ab. Laut dem Amt für Landwirtschaft und Natur (LA-NAT) schrumpfte die Zahl der Betriebe ohne Sömmerung zwischen 2018 und 2020 von 9793 auf 9454 Betriebe (–339). Auch das Saanenland ist von dieser Entwicklung betroffen. In den Gemeinden Saanen, Gsteig und Lauenen hat sich die Zahl der LBV (= Landwirtschaftliche Begriffsverordnung) anerkannten Betriebe im selben Zeitraum von 255 auf 247 verkleinert. PD

 


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