Schlafen statt Schäfchen zählen

  14.09.2021 Gesellschaft, Gstaad, Gesundheitswesen

«Besser schlafen im Alter» verhiess die Veranstaltung, zu welcher der Förderverein von Pro Senectute Saanenland und «Zwäg ins Alter» der Pro Senectute Kanton Bern Anfang letzter Woche einluden. Entspannungsübungen, Tipps zur Schlafhygiene und eine Medikamentenübersicht standen auf dem Programm.

SONJA WOLF
«50 Prozent aller Schweizer behaupten von sich selbst, sie würden schlecht schlafen – altersunabhängig. Und 13 Prozent leiden unter einer diagnostizierten Schlafstörung», präsentierte Katrin Lerch, Koordinatorin von «Zwäg ins Alter», gleich einmal die weniger angenehmen Fakten. Dazu komme, dass sich der Schlaf mit zunehmendem Alter verändert. Bei einigen Menschen beginne dies schon mit 50 Jahren, bei anderen erst ein paar Jahre später. Auch die rund 40 Personen, die vergangenen Montag ihren Weg ins Kirchgemeindehaus gefunden haben, scheinen sich von Zeit zu Zeit schlaflos im Bett zu wälzen, das Interesse an der Thematik jedenfalls war gross.

Viel gelernt und wichtige Grundsätze wiederholt
Die Koordinatorin und Pflegefachfrau Lerch führte amüsant durch die Themen, warum der Mensch eigentlich schläft, welcher Chronotyp eine Person ist – Lerche oder Eule – und welche Schlafphasen man in der Nacht durchläuft. Und genau hier liege das Problem: Wenn man älter wird, verringert sich der Tiefschlaf und die Leichtschlafphasen dehnen sich aus, so Lerch. Der ältere Mensch werde anfälliger für äussere Störungen und wache häufiger auf. Aber nicht nur die nächtlichen Wachphasen verlängerten sich, auch die Einschlafphase könne länger dauern. Dadurch reduziere sich die Gesamtschlafzeit. «Ältere Menschen sollten dennoch darauf achten, mindestens sechs Stunden zu schlafen. Hierbei wird aber auch das Mittagsschläfchen mitgezählt.»

Die leidigen Alterszipperlein
Fast hätte es das schlafsuchende Publikum schon geahnt: Ein junger Mensch wacht kaum auf zwischen den 90-minütigen Schlafphasen, und wenn, dann schläft er augenblicklich problemlos weiter, weiss die Referentin. Den älteren Menschen dagegen könnten in seinen ohnehin ausgedehnten Leichtschlafphasen zusätzlich noch Schmerzen stören, häufiges Wasserlassen, «restless legs», Schnarchen oder sogar Atemaussetzer, die sogenannte Schlafapnoe. Wenn dann noch körperliche und geistige Anspannung, Belastungen, Sorgen und Ängste dazukommen, wirken sich diese zusätzlich negativ auf den Schlaf aus.

Eine eigentliche Insomnie (Schlaflosigkeit) liege vor, wenn die Person mindestens viermal pro Woche 30 Minuten oder länger zum Einschlafen braucht oder 30 Minuten oder länger nachts wach liegt. «Wenn die Schlaflosigkeit länger als einen Monat anhält, sollte ein Arzt konsultiert werden», rät Katrin Lerch.

Tiefenentspanntes Publikum
Damit das Publikum nicht in Versuchung kam, während der nachmittäglichen Infoveranstaltung den verpassten Nachtschlaf nachzuholen, wurde der Vortrag durch mehrere Praxisteile von der Physiotherapeutin Monika Iseli-Trachsel aufgelockert. Sie übte mit den Schlafsuchenden drei Methoden ein: die progressive Muskelentspannung nach Jacobson kombiniert mit Atemtechniken und mentalem Training. Ziel der Übungen sei, den Parasympathikus zu unterstützen, der ein Teil des vegetativen Nervensystems darstellt und für die Erholung und Regeneration zuständig ist. Das vegetative Nervensystem funktioniert Monika Iseli zufolge weitgehend autonom, kann also nicht direkt aktiviert und kontrolliert werden. «Die Übungen können jedoch helfen, Atem- und Pulsfrequenz sowie Muskeltonus gezielt herunterzudrosseln und damit Einfluss auf die Aktivität des Parasympathikus zu nehmen und folglich das Einschlafen zu fördern.»

Und so atmete das Publikum bereitwillig mit der Physiotherapeutin durch die Nase ein und lange durch den Mund aus, hob die Arme wechselseitig an oder spannte verschiedene Körperteile sekundenlang an, um dann die anschliessende Entspannung aktiv zu spüren.

Welche anderen Tricks helfen?
Schäfchen zählen muss nicht sein. Die schlaflosen Zuhörer erfuhren von der Pro-Senectute-Referentin neben dem empfohlenen Gang zum Hausarzt noch von der Wirksamkeit eines Schlafprotokolls, der Möglichkeit, eine Schlafsprechstunde zu besuchen und bekam viele Tipps und Tricks zur Schlafhygiene (siehe Kasten).

Auch Medikamente können schlafunterstützend eingenommen werden. Hier gilt es aber zu differenzieren: Elisabeth von Grünigen-Huber von der gleichnamigen Drogerie stellte Medikamente vor wie Benzodiazepine und Antihistaminika, warnte aber gleichzeitig vor deren Risiken, insbesondere vor dem Abhängigkeitspotenzial oder der Sturzgefahr. Besonderen Wert legte die Drogistin auf pflanzliche Helfer wie Baldrian, Passionsblume, Hopfen oder auch Cannabis, auf beruhigende Tees, homöopathische Mittel oder Schlafkissen mit Kräutermischungen.

Tiefenentspannt, mit einem Packen von Infobroschüren in der Hand, einem wohltuenden Schlaftee und einem offerierten Nussgipfeli im Bauch machte sich das Publikum auf den Heimweg, um sich weiter im besseren Ein- und Durchschlafen zu üben.


13 REGELN FÜR GUTEN SCHLAF

1. Jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen (auch am Wochenende).
2. Kein Schläfchen nach 15 Uhr.
3. Regelmässige körperliche Betätigung am Abend (Spaziergang, Gartenarbeit, aber keine grossen Anstrengungen).
4. Abends kein Koffein, kein Nikotin, keinen Alkohol.
5. Kein schweres Essen zwei Stunden vor der Schlafenszeit.
6. Nichts mehr trinken nach dem Nachtessen.
7. Stimulierende, lärmige Orte nach 17 Uhr meiden.
8. Zum Entspannen nie das Bett, sondern einen Sessel benützen.
9. Eine Zubettgeh-Routine einhalten.
10. Das Bett nur für den Schlaf und die Liebe nutzen.
11. Kein Fernsehen vom Bett aus.
12. Im Schlafzimmer ist wichtig für guten Schlaf: kühle Temperatur, Dunkelheit, Ruhe (evtl. Ohrpfropfen benützen), gute Matratze.
13. Nach dem Zubettgehen an etwas Angenehmes, Ruhiges denken. BROSCHÜRE VON PROSENECTUTE KANTON BERN


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