Lernen mit KI: Warum Schüler ihr Hirn trotzdem einschalten müssen
14.03.2025 Interview, SchuleDie künstliche Intelligenz (KI) ist längst im Alltag der Jugendlichen angekommen – und in den Klassenzimmern des Gymnasiums in Gstaad. Wie geht man dort mit der digitalen Revolution um? Schulleiter Christoph Däpp erklärt im Interview, warum KI kein Ersatz ...
Die künstliche Intelligenz (KI) ist längst im Alltag der Jugendlichen angekommen – und in den Klassenzimmern des Gymnasiums in Gstaad. Wie geht man dort mit der digitalen Revolution um? Schulleiter Christoph Däpp erklärt im Interview, warum KI kein Ersatz für eigenes Denken ist, wie Schüler lernen, damit kritisch umzugehen, und welche Rolle die Lehrer in dieser neuen Lernwelt spielen.
SONJA WOLF
Christoph Däpp, warum arbeiten Sie mit den Schüler:innen mit KI?
Also, für mich ist klar: KI ist eine Realität heutzutage. Sie hilft, Aufgaben schneller zu erledigen. Und die Realität ist aus meiner Sicht nicht umkehrbar – so wie die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Dieser Realität muss man sich stellen, mit ihr arbeiten und die jungen Leute auf sie vorbereiten.
Und die Jugendlichen arbeiten privat ja sowieso mit KI, ob Sie das in der Schule mit ihnen besprechen oder nicht.
Genau, jeder Mensch, der ein Smartphone hat und nicht ausschliesslich in der analogen Welt lebt, hat heute mit KI zu tun. Man kann sich dem kaum verwehren. Jetzt geht es aus meiner Sicht darum, das möglichst clever und verantwortungsvoll zu machen.
Wie führen Sie die Schüler:innen im Unterricht ganz praktisch an die KI heran?
Die jüngsten Schüler bei uns am Gymer, also die in der 9. und 10. Klasse, haben zwei Lektionen pro Woche Informatik. Dort lernen sie, wie KI funktioniert: Du speist etwas ein, trainierst mit dem Material den Computer und dann spuckt er auf Anfrage etwas aus. Aber was genau im Inneren abläuft, wissen wir nicht, das bleibt eine Black Box. Die Schüler lernen, was KI ist und wo KI überall vorkommt – also das allgemeine Verständnis dafür. Auch machen sie konkrete Übungen mit allen gängigen KI-Tools wie ChatGPT, Gemini oder DeepL. Allerdings erfahren sie auch, dass viele Anfragen genauso gut gegoogelt werden können und damit im Hintergrund wesentlich weniger Energie verbraucht wird, denn KI benötigt Unmengen an Energie.
Arbeiten auch die Kolleg:innen anderer Fächer mit KI?
Natürlich, KI wird eigentlich in jedem Schulfach genutzt. Auch in Musik, in Bildnerischem Gestalten, in den Sprachfächern und überall, wo Videos gemacht werden. Auch bei mir in Biologie kommt sie zur Anwendung.
Haben die Schüler alle ihren eigenen Laptop?
Ja, sie haben einen Laptop oder ein Tablet und fast alle auch ein Smartphone. Manche haben sogar alle drei Geräte dabei. Wir sind aber nicht eine rein digitale Schule. Wir finden vielmehr, dass alle Lernformen, ob digital oder analog, ihre Berechtigung haben.
Läuft jede Unterrichtsstunde nur noch digital ab?
Nein, nein. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei mir im Biologieunterricht frage ich die Schüler, in welcher Form sie von mir Material erhalten wollen. Von 18 Schülern nehmen elf das Material auf Papier, sieben bevorzugen die digitale Form. In einer anderen Klasse, die ich unterrichte, ist das Verhältnis dagegen gerade umgekehrt. Es gilt aber schon, dass alle Schüler:innen sich in der digitalen Welt bewegen können müssen. Wir arbeiten beispielsweise mit dem Programm «Teams», wo ich alles, was wir im Unterricht gemacht haben, hochlade und auch Aufgaben stelle, Lernstoff oder Lernziele für die Probe hochlade oder die Schüler kleine kreative Apps bauen lasse.
Wie genau nutzen Sie die KI im Unterricht? Haben Sie da ein Beispiel?
Ich lege im naturwissenschaftlichen Unterricht grossen Wert darauf, dass die Schüler:innen nicht nur Fakten auswendig lernen, sondern die wissenschaftliche Methodik verstehen: Wie geht man an ein Problem heran, wie wertet man Daten aus und schreibt eine wissenschaftliche Arbeit? Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber wichtig – auch später für die Uni. Mit KI hat sich meine Herangehensweise verändert. Die Schüler:innen führen weiterhin Experimente durch und analysieren Daten, aber das Schreiben des Berichts lassen wir teilweise von der KI erledigen. Danach schauen wir uns gemeinsam an: Ist die Einleitung gut? Fehlen wichtige Inhalte, wo hat die KI fantasiert, wo Dinge erfunden? KI ist ein nützliches Tool – aber nur, wenn man einschätzen kann, ob der Output auch wirklich vernünftig ist.
Und nicht vergisst, selbst zu denken...
Ganz genau! Auch das lernen wir mit der Klasse. Mir ist es wichtig, dass sie trotz der Nutzung von KI ihr eigenes Hirn einschalten. Eine meiner Methoden ist ein dreistufiger Ansatz: Nach Abschluss einer Unterrichtseinheit stelle ich den Schülern eine Frage, die sie zuerst ohne Unterlagen beantworten müssen, also nur mit dem, was sie im Kopf haben. Danach dürfen sie die gleiche Frage mit Arbeitsblättern und Biobüchern bearbeiten. Und zum Schluss stellen sie die gleiche Frage der KI. So können sie vergleichen, was die KI sagt und was sie selbst herausgefunden haben. Sie merken, wo die KI «halluziniert» und lernen, ihr nicht blind zu vertrauen. Sie lernen, dass sie von der KI generierte Inhalte stets kritisch hinterfragen und mit ihrem eigenen Wissen abgleichen müssen. Und dass sie selbst lernen und üben müssen! Sonst ist das Wissen nicht im Hirn, sondern nur auf dem Papier.
Sie lassen Ihre Schüler:innen also immer noch Faktenwissen auswendig lernen?
Ja, natürlich. Denn das Wissen bildet die Grundlage, um überhaupt ein vernünftiges Gespräch führen zu können. Die Schüler:innen müssen sich ja zum Beispiel bei der Matur in mündlichen Prüfungen mit biologischen Fachbegriffen korrekt ausdrücken können. Wenn ihnen das Wissen und die Definitionen fehlen, verstehen sie nicht einmal die Frage.
Sie scheinen ja sehr versiert und auch offen gegenüber der Arbeit mit der KI. Wie steht es um die anderen Lehrpersonen? Wie finden sie die Arbeit mit KI und den digitalen Medien im Unterricht?
Es gibt da die Zeit vor Corona und nach Corona. Damals während der Coronazeit hat es einen Boost gegeben. Da sind viele Kritiker etwas verstummt, weil es einfach nicht anders ging. Wir durften ja alle nur online unterrichten. Jetzt aber nimmt es mich wunder, wie es mit der Digitalisierung weitergehen wird. Denn aktuell kommt meiner Ansicht nach eine frische Welle: Man schaut beunruhigt und zum Glück auch kritisch in die USA. Dort findet gerade eine Zeitenwende statt, in der die Macht der Demokratie sinkt und gerade im Bereich der Digitalität viel Einfluss vom Staat zu Grosskonzernen übergeht. Es gibt zwar immer noch einzelne Regulierungen in Form von Gesetzen, die Macht wandert aber zu den Datensammlern – den Grosskonzernen wie zum Beispiel Microsoft, Google, Meta, Amazon und Apple. Das ist die gefährliche Seite der digitalen Entwicklung.
Wie schaffen Sie es, dass alle Lehrpersonen der Schule wissenstechnisch auf dem gleichen Stand sind?
Wir haben sogenannte InnoScouts. Die sollen Innovation fördern im Bereich der digitalen Transformation. Das ist ein Projekt, das vom Kanton lanciert wurde.
Sind die InnoScouts Digitalisierungsspezialisten, die an die Schulen kommen?
Nein, es sind Leute von uns, also Lehrpersonen, die digital sehr affin sind. Bei uns sind das eher junge Lehrpersonen. Die absolvieren auch Weiterbildungen und probieren im Unterricht neue Sachen aus. Und geben den anderen Lehrpersonen in Inno-Cafés – also beim gemeinsamen Mittagessen – diese News weiter. Dann haben wir noch schulinterne Weiterbildungen, zum Beispiel über das Thema: Wie gehen wir in den Maturaarbeiten mit KI um?
Werden diese Weiterbildungen auch von internen Leuten abgehalten?
Das ist unterschiedlich. Wir haben auch schon Leute von anderen Gymnasien geholt. Wie handhabt es das Gymnasium Kirchenfeld zum Beispiel? Da kamen auch schon Referenten hierher.
Gibt es an Ihrer Schule bereits ein Regelwerk, wie Schüler und auch Lehrpersonen mit KI umgehen sollen?
Ja, für das Gymnasium gilt schweizweit das Maturaanerkennungsreglement, MAR. Basierend auf dem MAR hat der Kanton Bern ein Merkblatt erstellt, das für Mittelschulen wegweisend ist. Darin heisst es zum Beispiel, Schülerinnen und Schüler müssen eine eigenständige schriftliche Maturaarbeit erstellen und mündlich präsentieren. Das bedeutet, sie müssen den Text selber schreiben und all das, was sie nicht selber geschrieben haben, nach allen Regeln der Kunst deklarieren, also auch den Einsatz von KI. Ich selbst ermutige Kandidaten, die ich bei der Maturaarbeit betreue, KI sinnvoll einzusetzen – zum Beispiel zur Kontrolle auf Kommata und Orthografie oder als kreativen Helfer bei Schreibblockaden.
Und wie sieht es für die Lehrpersonen aus? Gibt es Regeln bezüglich deren KI-Verwendung?
Nein, abgesehen von den Vorgaben in Sachen Datenschutz können die Lehrer die KI brauchen, wie sie es für richtig halten. Manche brauchen sie für die Unterrichtsvorbereitung, andere für die Testerstellung, wieder andere für einzelne kreative Ideen, wiederum andere gar nicht. Es ist ein Abbild der Gesellschaft: Die einen brauchen sie mehr, die anderen weniger.
HALLO CHATGPT, ...
...erklär dich doch einmal selbst, deine Stärken und Schwächen, und wie du trainiert wirst.
ChatGPT antwortet:
«Ich bin eine Künstliche Intelligenz (KI), die darauf spezialisiert ist, Sprache zu verstehen und sinnvolle Antworten zu geben. Meine Hauptaufgabe ist es, Wissen bereitzustellen, Texte zu analysieren und kreative Ideen zu generieren.
Meine Stärken: Ich kann riesige Datenmengen blitzschnell verarbeiten, komplexe Zusammenhänge erklären und dir bei vielen Aufgaben helfen – von wissenschaftlichen Analysen bis hin zu kreativen Texten.
Meine Schwächen: Ich verstehe Inhalte nicht wirklich, sondern erkenne nur Muster in Sprache. Ich kann Fehler oder Vorurteile aus meinen Trainingsdaten übernehmen und habe weder eigene Meinungen noch echtes Bewusstsein.
Kreativität und emotionales Verständnis sind bei mir begrenzt.
Wie werde ich trainiert? Ich lerne aus grossen Mengen an Texten aus Büchern, Artikeln und dem Internet. Dabei analysiere ich sprachliche Strukturen und Muster, um möglichst sinnvolle Antworten zu geben. Mein Training erfolgt nicht in Echtzeit, sondern in regelmässigen Updates, bei denen mein Wissen auf den neuesten Stand gebracht wird.
Kurz gesagt: Ich bin ein leistungsfähiges Werkzeug – aber ohne eigenes Denken oder echtes Verständnis :-) »
CHATGPT/SWO