20 Jahre im Dienst der klassischen Musik

  15.08.2023 Kultur, Interview

Jacqueline Jaggi war zwei Jahrzehnte lang ein fester Bestandteil des Gstaad Menuhin Festivals. Nun verlässt sie als Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin den Verein Festivalfreunde. Im Interview blickt sie auf eine spannende Zeit zurück und gibt Einblicke hinter die Kulissen ihrer langjährigen Tätigkeit. Auch Doris Gehret hat demissioniert – zwei neue Gesichter folgen nun in den Vorstand. Wir waren bei der Generalversammlung dabei. 


Solide Mitgliederzahl und zwei Neue im Vorstand

Der Verein der Festivalfreunde des Gstaad Menuhin Festivals hält die Zahl seiner Mitglieder konstant bei rund 200 und präsentiert nach der Demission der Vorstandsmitglieder Doris Gehret und Jacqueline Jaggi die beiden Nachfolgenden Claudine Kunz und Hannes Bach.

JENNY STERCHI
Anders als in manchem Verein sorgt bei den Festivalfreunden des Gstaad Menuhin Festivals die Demission von zwei langjährigen Vorstandsmitgliedern weder für Stress noch für Lücken.

Langzeiteinsatz
Doris Gehret und Vizepräsidentin Jacqueline Jaggi hatten das Ende ihrer Vorstandstätigkeit bereits im letzten Jahr angekündigt. Ganze 20 Jahre stand Jacqueline Jaggi im Dienst des Vereins. Doris Gehret gehörte dem Gremium sechs Jahre an. An ihre Stellen traten, von Applaus begleitet, Claudine Kunz und Hannes Bach. Während die Pädagogin Claudine Kunz das Engagement als Ausgleich zur pensionsbedingten beruflichen Entlastung betrachtet, bewegt das Engagement der kommenden Generationen Hannes Bach, einen jungen Architekten aus Saanen, zum Mitwirken im Vorstand. Die Hauptaufgabe des Vorstands wird laut Caroline Schwenter, Präsidentin der Freunde des Gstaad Menuhin Festivals, auf den Erhalt bestehender und Zugewinn neuer Festivalfreunde ausgerichtet bleiben.

Im Gespräch bleiben
Mit den Jahresbeiträgen der rund 200 Mitglieder und zusätzlichen Sponsorengeldern konnte der Verein im vergangenen Geschäftsjahr über 450’000 Franken generieren und an das Festival weitergeben.

«Um den Nutzen unserer Beiträge transparent zu machen, sind wir immer im engen Austausch mit der Geschäftsleitung des Festivals», betont Caroline Schwenter, Präsidentin der Freunde des Gstaad Menuhin Festivals, am Rand der alljährlichen Vereinsversammlung. So sei der Verein, der mittlerweile 35 Jahre besteht, jeweils bestens informiert, was im Discovery, dem Musikvermittlungsprojekt des Festivals, und am Kinderkonzert jeweils geplant werde. «Dabei verlassen wir uns ganz auf die Expertise des Artistic Directors Christoph Müller und seines starken Teams.» Auch an den Konzerten der Jugend- und Amateurorchester beteiligen sich die Festivalfreunde finanziell.

Lukas Wittermann, Geschäftsführer des Gstaad Menuhin Festivals & Academy bestätigt die gute Zusammenarbeit und dankt für die finanzielle Unterstützung. Der Betrag sei eine wesentliche Stütze im Festivalbudget. Doch auch der Austausch des Vorstandes und der Geschäftsleitung bezüglich der Entwicklung und der Zukunft sei kostbar, so Schwenter. Die zukunftsorientierte Performance von Patricia Kopatchinskaja eine Woche zuvor hat auch bei den Festivalfreunden für kontroverse Unterhaltungen gesorgt. «Aber so bleibt das Festival im Gespräch», freut sich Caroline Schwenter. «Und es geht weiterblickend voraus, auch wenn es zunächst unbequem ist.»

Bistro im Festivalzelt
Im Jahresbericht macht die Präsidentin auf die Umgestaltung der Lounge bereits im letzten Jahr aufmerksam. Statt wie bis anhin in der Tennishalle gibt es jetzt neu im hinteren Teil des Zeltes eine ruhige Ecke, die mit Bistrocharakter zu den spannenden Konzerteinführungen und gemütlichem Verweilen bis zum Konzertbeginn einlädt und für alle offen steht.


«Die Idee Menuhins und die Wahrnehmung des Festivals berühren»

20 Jahre lang hat sie als Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin im Verein Festivalfreunde Gstaad Menuhin Festival bei Entscheidungen jeweils Stellung bezogen. Aber die Werbung vieler neuer Vereinsmitglieder war das eigentliche Metier für Jacqueline Jaggi, in dem sie gern unterwegs war und Grosses leistete. Nach 20 Jahren räumt sie ihren Platz für, wie sie selbst sagt, die nächste Generation von Festivalfreunden.

JENNY STERCHI

Wer hat bei Ihnen am meisten Eindruck hinterlassen während Ihrer Vorstandstätigkeit?
Ich bin vielen tollen Menschen begegnet. Leonz Blunschi war sicher jemand, der mich sehr beeindruckt hat. Mit seinem schier grenzenlosen Engagement für das Festival als Verwaltungsratspräsident und seinem Ehrgeiz, die Dinge, die er anpackte, zum Erfolg zu führen und Menschen zu begeistern, war er ein sehr besonderer Mensch.

Wie viel Zeit haben Sie investiert für den Verein?
Der Vorstand kommt sechs Mal im Jahr zusammen. Strategische Entscheide und der Kontakt zu den Mitgliedern stehen dabei im Vordergrund.

Und jeder kann Mitglied werden in diesem Verein?
Ja unbedingt, willkommen! Egal ob einheimisch oder auswärtig. Bei der Werbung neuer Mitglieder griff ich immer auf mein Netzwerk zurück. Mein Mann hatte ein Architekturbüro und da konnte ich sehr viele Bauherren als Festivalfreunde gewinnen. Und jeder von ihnen war schliesslich begeistert von diesem Festival. Und wenn man das Festival einmal lieb gewonnen hat, dann hat man das fürs ganze Leben.

Wie haben Sie für den Verein geworben?
Man muss nicht zwangsläufig Fan klassischer Musik sein. Die Idee Menuhins und die Wahrnehmung des Festivals heute sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Saanenlandes berühren den potenziellen Festivalfreund. Die Mitglieder erhalten für ihren Beitrag von 2200 Franken im Jahr zum einen Tickets für vier Konzerte ihrer Wahl. Zum anderen erfahren wir an einem Dinner im Winter aus erster Hand, was das nächste Festival bereithält. Dazu verrät Christoph Müller, Artistic Director des Gstaad Menuhin Festival, seine Geheimtipps und liefert kostbares Hintergrundwissen zu den Künstlern. Und viele Konzerte hätte ich vermutlich ohne den Input von Christoph Müller verpasst. Während des Festivals, also im Sommer, empfängt das Palace Gstaad die Festivalfreunde nach einem gemeinsamen Konzertbesuch im Festivalzelt für ein nächstes Dinner. Mich begeistert jeweils das wunderbare Ambiente, an dem wir uns zur eben gehörten Musik, dem Festival an sich oder über etwas völlig anderes austauschen können. Es ist wirklich ein Abend unter Freunden. Auch hier liefert Christoph Müller spannende Details zu den laufenden Konzertwochen und schon ein wenig Ausblick auf die nächste Ausgabe.

Gab es noch andere Aufgaben für Sie?
Bevor ich die Vorstandstätigkeit aufnahm, durfte ich die Ehrengäste und Sponsoren an den Konzerten des Festivals betreuen. Das hat mir immer sehr gefallen, ihnen zu zeigen, was es am Festival alles zu entdecken gibt und was sie erwartet. Ich bin der Ansicht, dass die nationale Politik am Festival gegenwärtig stärker vertreten sein dürfte. Ohne unseren Kommunalpolitikern, die zum Glück vielfach zu Gast sind, zu nahe zu treten. Umso mehr hat mich in diesem Jahr die Anwesenheit der beiden Alt Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Adolf Ogi sehr gefreut. Eine Aufgabe, die ich als Vorstandsmitglied sehr gern übernommen habe, war die Tischordnung am Dinner zusammenzustellen. Zu wissen, wer es neben wem drei Stunden lang gut aushält und entsprechend zu platzieren, war für mich immer eine unterhaltsame Herausforderung.

Wie gestaltet sich bei den Festivalfreunden die Suche nach neuen Vorstandsmitgliedern?
Erfreulicherweise sehr unproblematisch. Wir hatten nie Schwierigkeiten, Nachfolgende für frei gewordene Vorstandspositionen zu finden.

Was oder wer hat Sie dazu bewegt, diese Vorstandstätigkeit aufzunehmen?
Als ich vor 20 Jahren in den Vorstand kam, war Thomas Thoenen Präsident. Er überzeugte mich vom Nutzen des Vereins und warb mich so, wie ich in den Jahren darauf zahlreiche Mitglieder gewinnen konnte, für die Teilnahme im Verein.

Und warum ist jetzt Schluss?
Ich höre schon ein wenig wehmütig auf mit meiner Vorstandstätigkeit bei den Freunden. Aber ich bin jetzt 71 Jahre alt und finde, dass es an der Zeit ist, das Ganze in jüngere Hände zu geben. Ich habe viele andere ehrenamtliche Engagements daneben gehabt und für meine Mann diverse Büroaufgaben erledigt. Das bescherte mir jedoch auch ein grosses Netzwerk, von dem ich bei der Suche nach neuen Festivalfreunden profitieren konnte. Jetzt freue ich mich, meine neue Freizeit meinem Grosskind zu widmen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Vereins?
Die Jungen und ihr Engagement sind unsere Zukunft. Es ist die Idee des Vorstandes, eine Art «Young Circle» zu kreieren, mit dem junge Menschen nachhaltig für das Festival begeistert und gewonnen werden können. Ich würde mich freuen, wenn die nächsten Generationen so zum Mitmachen bewegt werden. Denn ich halte das Festival für eine unglaubliche Bereicherung für das Saanenland. Und die Solidarität der Festivalfreunde ist heute genauso spürbar wie vor Jahren.

Was macht Ihrer Meinung nach das Festival aus?
Es ist natürlich ein ungeheures Glück gewesen, dass Yehudi Menuhin Saanen als seinen Lebensmittelpunkt ausgewählt hat. Und dass viele Menschen, ob nun Einheimische oder Gäste, den Geist und die Idee Menuhins verinnerlicht haben, sorgt für den Fortbestand. Und das wäre ja ganz im Sinne Menuhins. Ich beobachte das jetzt an meinen Kindern, die nicht mehr daheim wohnen. Sie lieben es, ins Saanenland zu kommen und Festivalkonzerte zu erleben.


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