Talentschau an den «Rencontres Musicales»

  20.08.2021 Gstaad, Interview

Die International Menuhin Music Academy (IMMA) führt bis zum 21. August die «Rencontres Musicales» durch und nutzt die Gelegenheit traditionell, um neue Studenten auszuwählen.

BLANCA BURRI
Die International Menuhin Music Academy (IMMA) ist eine Non-profit-Organisation, die früher in Gstaad und heute in Rolle beim Campus Le Rosey ansässig ist. Sie wurde 1977 gegründet und ermöglicht talentierten Musikern auf höchstem Niveau eine Vorbereitung für die internationale Musikszene. Die Studenten erhalten ein Stipendium, das spendenbasiert finanziert wird. Individuelle Stunden, Kammermusikkurse und Konzerte mit dem Orchester der Menuhin Academy ermöglichen reelle Übungsfelder und Erfahrungen. Seit 2019 liegt die künstlerische Leitung in den Händen des französischen Stargeigers René Capuçon. Bis 2008 trug Mitbegründer Alberto Lysy die Verantwortung, ab 2011 Maxim Vengerov. Langjährige Professoren wie Oleg Kaskiv oder Ivan Vukcevic unterrichten die 16 Studenten aus aller Welt.

Talentschau an den «Rencontres Musicales»
Vom 15. bis 21. August finden die traditionellen «Rencontres Musicales» in Gstaad statt. An den Meisterkursen werden die Studenten der IMMA und 27 internationale Talente unterrichtet. Einige der Talente bewerben sich auch für ein Stipendium an der IMMA. «Während den Meisterkursen beobachten die Professoren die Bewerber und wählen fünf bis sechs Talente aus, welche in die Schule passen», erklärt Çetin Köksal, Stiftungsratsmitglied der Akademie. Die Niveaudichte hat indes in den vergangenen Jahren abgenommen, wie Professor Ivan Vukcevic gegenüber dieser Zeitung schildert.

Konzerte:
Sonntag, 22. August 2021, 18 Uhr, Kirche Saanen, Orchesterkonzert, Renaud Capuçon & The Menuhin Academy Soloists
Dienstag, 24. August 2021, 19.30 Uhr, Temple de Château-d’Œx, Kammermusikfest, Oleg Kaskiv & The Menuhin Academy Chamber Players


OLEG KASKIV, MUSIKALISCHER LEITER AN DER IMMA, IM INTERVIEW

«Ich liebe es, zu teilen, was ich von den alten Meistern gelernt habe»

Oleg Kaskiv kam 1996 als 16-jähriger Student an die IMMA. Der Ukrainer hat inzwischen die Gesamtleitung der Akademie inne. Er unterrichtet zudem Geige.

BLANCA BURRI

Die IMMA wurde in Gstaad gegründet, ist heute jedoch in Rolle angesiedelt. Was verbindet sie noch immer mit Gstaad?
Wir spielen jedes Jahr drei bis vier Konzerte im Saanenland und die Meisterkurse «Rencontres Musicales» finden hier statt. Wir sind sehr glücklich, dass wir immer wieder zu den Wurzeln zurückkehren können.

Weshalb unterrichten Sie an der IMMA?
Ich hatte das Glück, unter Professor Alberto Lysy das traditionelle Gedankengut aufsaugen zu können. Die Akademie war der einzige Platz ausserhalb der Ukraine, an dem ich studierte, er prägte mich also sehr. Ich interessierte mich immer fürs Unterrichten, doch das ist etwas, das man lernen muss, wie das Spiel auf der Geige selbst. Alberto Lysy führte mich ins Metier ein. Erst beobachtete ich seine Meisterkurse, dann beförderte er mich zum Assistenten, später wurde ich Professor. Das ist ein grosses Privileg.

Was macht Ihre Arbeit spannend?
Ich liebe es, zu teilen, was ich von den alten Meistern Alberto Lysy und sogar von Yehudi Menuhin, bei dem ich auch Meisterkurse besucht habe, gelernt habe. Es ist grossartig, das Leben von jungen Musikerinnen und Musikern zu begleiten und ihnen das Gedankengut der alten Meister, aber auch die Art des Spiels näherzubringen.

Können wir die IMMA mit einem Konservatorium vergleichen?
Das würde ich nicht sagen. Wir sind sehr klein, familiär und international. Wir konzentrieren uns auf das Musikalische, auf Violine-, Bratsche- und Cellounterricht. Wir musizieren als Kammermusikformationen und in der Camerata Lysy. Einige der Studenten haben bereits ein Konservatorium abgeschlossen, bevor sie sich bei uns bewerben. Bei uns lernen sie den letzten Schliff, bevor sie in die Berufswelt einsteigen.

Auf welchen Schüler sind Sie am meisten stolz?
Ich bin auf sehr viele Studenten der IMMA stolz. Die meisten Abgänger finden nach der Akademie tolle Arbeitgeber auf der ganzen Welt. Schweizer, europäische und amerikanische Orchester. Viele von ihnen sind Stimmführer. Andere starten eine Quartett-Karriere oder unterrichten an renommierten Institutionen und Konservatorien.

Was verbindet Sie mit Lord Menuhin?
Ich lernte ihn 1996, drei Jahre vor seinem Tod, kennen. Er besuchte die Akademie zwei- bis dreimal pro Jahr und unterrichtete uns. Einmal spielten wir «Souvenir de Florence» von Tschaikowsky. Der 80-jährige Menuhin probte acht Stunden am Stück, ohne je zu sitzen. Er ist ein grosses Vorbild – auch wegen seiner Liebe zur Musik.

Wie war er als Lehrer?
Er war eine strahlende Persönlichkeit, bescheiden, aufrichtig und sehr einfach. Er wollte, dass wir nicht nur technisch sauber, sondern vor allem mit dem Herzen spielen. Er wirkte auf die Studenten unterstützend und interessiert. Natürlich war er als Professor sehr fordernd.

Lord Menuhin war ein grosser Yogafan. Bietet die Akademie ihren Schülern Yogalektionen an?
Unbedingt. Es ist zwar kein Pflichtfach, aber viele Studenten machen Yoga. Es ist anspruchsvoll. Yoga hilft bei der Konzentration. Man lernt die Energie zu zentrieren und von der Körpermitte heraus freizugeben – auch an den Konzerten.


BRATSCHESTUDENT YAT LEE IM INTERVIEW

«Ich möchte in einem guten Orchester spielen»

Yat Lee studierte in Wien, als er 2018 seinen heutigen Professor Ivan Vukcevic an einem Klassikfestival in Finnland kennenlernte. Er bewarb sich im Herbst desselben Jahres und wurde an der Akademie akzeptiert.

BLANCA BURRI

Ist die IMMA international ein Begriff?
Mein Bratschenlehrer in Hongkong empfahl mir Ivan Vukcevic als Professor. Also ja, sie hat ein internationales Renommee.

Was ist Ihr musikalisches Ziel?
Ich möchte die Zuhörer mit meiner Musik berühren. Mein Kammermusiklehrer inspirierte mich mit folgender Aussage: «Stell dir einen Zahnarzt im Publikum vor, der müde von der Arbeit und vom Leben ist. Wenn es dir gelingt, dass er schon nach wenigen Takten wieder voller Hoffnung und Lebensfreude ist, hast du dein Ziel erreicht.»

Was ist Ihr Karriereziel?
Ich möchte in einem guten Orchester mit einem tollen Dirigenten spielen.

Können Sie Namen nennen?
Nein, auf keinen Fall, das möchte ich nicht. Ich bin mit jeder Anstellung zufrieden. Egal ob in Europa, Asien oder in den USA.

Kann man also sagen, dass Ihre Familie die Musik ist?
Meine Familie ist in Hongkong (lacht). Musik ist etwas anderes, die kann überall sein.

Weshalb suchten Sie die IMMA aus und keine andere Talentschule?
Viele Akademien haben tolle Professoren, aber die IMMA überzeugt durch ihre familiäre Grösse, was sehr rar ist. Ab und zu kann ich einen Professor an Konzerte begleiten und wir spielen dann auch gemeinsam vor Publikum. Diese Erlebnisse machen die Schule aus.

Ist die IMMA ein Türöffner?
Unbedingt. Wir arbeiten sehr intensiv und so habe ich grosse Fortschritte gemacht.

 

 


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