Die Saane darf wieder breiter fliessen

  10.11.2020 Region, Natur

Ende Oktober wurde auf der Höhe von Rougemont das rechte Ufer der Saane bepflanzt. Es handelte sich um eine weitere Etappe im Renaturierungsprojekt des Kantons Waadt.

SONJA WOLF
Verpackte Eichenbäumchen, Weidenbaumstecklinge – zwischen der Verneys-Brücke in Rougemont und der Talstation Videmanette wurde Ende Oktober fleissig gepflanzt. Eine Hecke soll hier entstehen als natürliche Barriere der Saane, die an dieser Stelle von augenblicklich rund 20 Metern auf 40 bis 43 Meter verbreitert werden soll. Warum aber?

Erosion aufhalten
Am rechten Ufer der Saane flussaufwärts der Brücke Route des Verneys ist das Ufer auf einem Abschnitt von mehr als 200 Metern durch Gabionen verstärkt. Das bedeutet, dass mit Steinen gefüllte Drahtkörbe dort zur Böschungsbefestigung dienen. Diese befanden sich allerdings in schlechtem Zustand, einige Gabionen waren sogar bereits zusammengebrochen. Es hatte sich auch eine relativ grosse Erosionsnische gebildet.

Schützenswertes Biotop
Daher hatte die Direction générale de l\\'environnement (DGE) im Frühjahr 2016 ein Ingenieursbüro mit der Untersuchung von Erosionsschutzmassnahmen am rechten Ufer der Saane beauftragt. Die Massnahmen sollten gleichzeitig auch die Umweltqualität der Saane verbessern und die Einhaltung der Vorschriften für das Gewässergebiet sicherstellen.

Gemäss der Gewässerschutzverordnung des Bundes und dem kantonalen «Gesetz über die Überwachung von Gewässern im öffentlichen Bereich» soll die Abgrenzung eines nicht bebaubaren Gewässerraumes einen wirksamen Schutz vor Überschwemmungen gewährleisten. Aber auch die biologischen, natürlichen und sozialen Funktionen der Gewässer sollen erhalten bleiben, insbesondere durch Renaturierungsmassnahmen.

Renaturiert in die breitere Form
Die Renaturierung schien der DGE als wesentlich nachhaltigere Methode als die Sanierung der aktuellen Uferböschung. Also «back to the roots». Tatsächlich sah die Saane bei Rougemont früher anders aus, wie aus dem technischen Bericht im Auftrag des DGE zu entnehmen ist. Auf historischen Karten von 1890 beispielsweise betrug die natürliche Breite der Saane im Untersuchungsgebiet durchschnittlich 45 Meter. Es handelte sich um ein flaches Gebiet, in dem der Fluss eine starke Dynamik und ein relativ breites Bett mit der Entwicklung von Mäandern und Nebenarmen aufwies. Aber wie konnte die Saane auf die aktuelle Breite von etwa 20 Metern schrumpfen?

«Entnaturierung» im letzten Jahrhundert
Die in den 1950er-Jahren durchgeführten Kanalisierungsarbeiten an der Saane führten zur Aufschüttung des Geländes auf der rechten Uferseite. Das Land entlang der Saane wurde eingeebnet, um eine landwirtschaftliche Nutzung (Beweidung) zu ermöglichen.

Diese Einebnung galt es in einer ersten Etappe des Renaturierungsprozesses wieder zu beseitigen. So wurden im Dezember 2016 zunächst durch Bohrlöcher die Art der Aufschüttungsmaterialien bestimmt. Man fand Inertabfällen wie Aushubmaterial, Schutt, Glasflaschen, Tonfliesen oder Holz- und Keramikabfälle. «Sondermüll wie Asbest, Brennstoff, Bitumen, Elektronik, Farbe oder Ähnliches war glücklicherweise nicht dabei», berichtet Olivier Stauffer, Leiter der Renaturierungsabteilung der DGE.

Die ehemalige Schuttdeponie wurde dann im Mai und Juni saniert. Das gesamte Terrain, das zur Verbreiterung dienen soll, wurde mit Maschinen abgetragen und die Abfälle fachgerecht entsorgt.

Was ist die ideale Breite für die Saane?
Waren die ehemaligen 45 Meter durchschnittlicher Breite für die Saane natürlich? Waren sie ideal? Die Saane im Untersuchungsabschnitt hat eine grössere Sohlenbreite als 15 Meter, sie wird demnach als grosser Wasserlauf klassifiziert. Da die Saane als Biotop von kantonaler Bedeutung eingestuft ist (kantonales Inventar der Naturdenkmäler und NSI-Standorte), solle gemäss Gewässerschutzverordnung «die Breite der Fliessgewässerfläche mindestens die Breite der Gewässersohle + 30m» betragen. Auch die Regimebreite (siehe Kasten) wurde auf 40 Meter berechnet. Eine Breite der Saane von 40 bis 43 Metern an dieser Stelle wiederherzustellen, scheint also gerechtfertigt.

Natürliche Begrenzung
Die Idee für eine neue natürliche Barriere war, eine fünf Meter breite bewaldete Hecke am Rande des künftigen verbreiterten Gebiets zu pflanzen. Diese besteht einmal aus wasserliebenden Weiden, die relativ schnell ein stabilisierendes Wurzelgeflecht bilden. Etwas weiter aussen wurden hochstämmige Eichen gepflanzt. Im Moment wird die Erosionsnische noch behelfsmässig mit einer losen Steinschüttung geschützt. Wenn in etwa vier Jahren das Wurzelsystem der Baumhecke ausreichend sein wird, werden die Gabionen und Notfallsicherung der Erosionsnische abgerissen. Der Wasserlauf kann sich dann frei bis zur Heckenbarriere ausbreiten. «Zur Erleichterung müssen wir das Uferterrain dann mit Maschinen noch ein bisschen mehr abtragen», präzisiert Olivier Stauffer.

Flussbett wird sich leicht heben
Die künftige Erweiterung der Saane wird zu einer Verlangsamung der Fliessgeschwindigkeit führen. Dadurch wird die Transportkapazität fester Bestandteile wie Steine und Äste reduziert, was zu einer lokalen Anhebung des Bettes führt. Diese Hebung selbst führt zu einer Zunahme des Gefälles und damit zu einer Erhöhung der Feststofftransportkapazität. Dann ist laut Bericht ein neues Gleichgewicht erreicht. Was die Wasserfauna betrifft, so werden die geplanten Massnahmen weder ihre Lebensbedingungen noch ihre Migration beeinträchtigen.

Überschwemmung an der Talstation Videmanette vermeiden
Um sicherzustellen, dass der Anstieg des Flussbettes im verbreiterten Gebiet nicht flussaufwärts in der Nähe der Kläranlage und der Gondelbahn Videmanette zu einer Überschwemmungsgefahr führt, wird in der Studie vorgeschlagen, alle fünf Jahre eine Überwachung anhand eines Querprofils durchzuführen. Bei Bedarf könnten dann Baggerarbeiten in die Wege geleitet werden.

Die Verbreiterung selbst und ihre Ufer benötigen keine weiter Instandhaltung, da die natürliche Dynamik des Flusses wiederhergestellt wird. Lediglich die Standardpflege der Ufervegetation und der bewaldeten Hecke wird erforderlich sein.

Landbesitzer kooperativ
Die insgesamt 5130m² Grundfläche für die Flussverbreiterung hat der Kanton Waadt den Landbesitzern der betroffenen Parzellen abgekauft. Es handelte sich grösstenteils um Heuwiesen. «Die Verhandlungen haben etwa zwei Jahre gedauert, wir konnten aber die Landbesitzer von der Notwendigkeit der Renaturierung überzeugen», so Olivier Stauffer.


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