«Abstellen ist keine Option»

  13.10.2022 Politik, Politik

Den Strom für ihre Bahnen hat die Bergbahnen Destination Gstaad AG bereits eingekauft – noch zu moderaten Preisen, zumindest bis Mitte 2024. Doch den Strom für die Beschneiung muss die Unternehmung am Spotmarkt, das heisst zu den Tagespreisen einkaufen. Und diese schwanken massiv, die Differenz innerhalb eines Tages kann bis zu 50 Rappen und mehr pro kW/h variieren. Ist die Beschneiung noch bezahlbar?

ANITA MOSER
Matthias In-Albon, Geschäftsführer der BDG, nimmt es vorweg: Die Bahnen und die technische Beschneiung wegen der Energiekrise im Winter abzustellen, sei keine Option. Auch Wintersport soll wenn immer möglich betrieben werden können. «Die BDG hat eine volkswirtschaftliche Verantwortung», hält In-Albon fest. «Die Mehrkosten sind eine grosse Herausforderung für uns. Aber stellen wir die Bahnen ein, wäre der Schaden immens.» Der Tourismus, der Motor der Destination, würde einbrechen und viele Arbeitsplätze verloren gehen.

Mehrkosten von eineinhalb Millionen Franken innerhalb von zwei Jahren
In-Albon gibt sich auch (selbst-)kritisch. Früher habe man mit wenig Rücksicht auf den Strompreis beschneit. «Dieser war zu billig, der Einkauf von Strom bei den Bergbahnen oft eine Nebensache», sagte er im «Echo der Zeit» von Radio SRF vom 29. September. Heute sei Energie Chefsache. Rund vier Gigawatt Strom braucht die BDG pro Jahr für die Beschneiung. Das ist die Hälfte ihres gesamten Stromverbrauchs. Während die Unternehmung den Strom für die Bahnen wie erwähnt zum Voraus einkaufen kann, muss sie den Strom für die Beschneiung am Spotmarkt einkaufen. «Ein Termingeschäft abschliessen kann man nur für einen kontinuierlichen Strombezug», erklärt In-Albon. Der Stromverbrauch für die Beschneiung erfüllt diese Vorgabe nicht, da man nicht weiss, während welchen Stunden, Tagen und Wochen beschneit wird und die Anlagen nur auf Hochtouren laufen, wenn es kalt genug und windstill ist und wenn genügend Wasser (im Speichersee) vorhanden ist.

Während die BDG den Strom für den Bahnbetrieb bis 2023 für einen Kilowattstundenpreis von 6 bis 8,5 Rappen eingekauft hat und bis Mitte 2024 für 13 Rappen, wird der Strom auf dem Spotmarkt aktuell für bis zu einem Franken pro Kilowattstunde gehandelt. Die Differenzen innerhalb eines Tages können bis zu 50 Rappen betragen. «Es ist ein Pokerspiel», so In-Albon.

Die grossen Schwankungen des Tagespreises haben grosse Folgen für den Betrieb. Einerseits finanziell: Bereits im Winter 2021/22 stiegen die Kosten für die Beschneiung um eine halbe Million Franken gegenüber dem Vorjahr. Und aktuell rechnet In-Albon nochmals mit Mehrkosten von mindestens einer Million Franken gegenüber dem Vorwinter.

Vollbetrieb mit möglichst wenig Schneeerzeugern
Auch betrieblich wird es Anpassungen geben. «Nicht nur das Wetter und die Temperatur sind massgebend für die Beschneiung, sondern auch der Preis», so In-Albon. «Es werden weniger Beschneiungsanlagen gleichzeitig in Betrieb sein, diese dafür mit Volllast.» Und ist der Preis zu hoch, wird die Beschneiung eingestellt. Das heisst, jemand muss die Strompreise den ganzen Tag im Auge behalten. Mit einer entsprechenden Programmierung der Software sollen das die Beschneiungsanlagen in Zukunft selber übernehmen. «Wir bestimmen dann, in welcher Bandbreite des Strompreises beschneit wird und in welcher nicht.»

Auswirkungen auf Bezüger noch ungewiss
Die BDG ist aber nicht nur Stromeinkäufer, sondern gibt teils den Strom im weiteren Sinn weiter. Bezüger sind zum Beispiel die Skischulen für die Förderbänder, Private, andere Bahnbetreibende oder Ski Future. «Bisher haben die Bezüger eine Pauschale bezahlt», erklärt In-Albon. Mit den aktuellen Strompreisen müsse man über die Bücher. Viele seien sich der möglichen Konsequenzen noch gar nicht bewusst. «Wir werden nun mit jedem Einzelnen den Dialog suchen.»

Moderate Preiserhöhungen
Für die BDG werden immense Strommehrkosten zur Herausforderung. «Bei einem Umsatz von 30 Millionen Franken sind Mehrkosten von einer Million kein Pappenstiel», so In-Albon. Die Branche reagiert auf die saftigen Strompreise auch mit Preiserhöhungen. «Wir erhöhen zwar die Preise für Tageskarten um ca. drei, das einheimischen Saisonabo um vier und das Top4-Abo um neun Prozent», sagt In-Albon und hält fest: «Aber die Preiserhöhungen stehen in keinem Verhältnis zu unseren Mehrkosten beim Energieeinkauf.

Licht aus, Heizung runter
Gegen die hohen Strompreise könne die BDG direkt nichts ausrichten. «Hingegen können wir Projekte umsetzen, die wenig Strom brauchen, und sparen, wo es möglich ist.» So habe die BDG dieses Jahr zwei neue Stromheizungen durch Wärmepumpen ersetzt und damit rund 60 Prozent Energie eingespart. «Sparen und Effizienz sind in unserer Branche schon länger ein Thema.» Man werde überall, wo möglich, den Stromverbrauch senken. Zum Beispiel die Bahnen, wenn wenig los ist, langsamer fahren lassen. «Die Grenze aller Einsparungen ist aber dann überschritten, wenn man bei kalten Temperaturen im Bergrestaurant friert. Der Gast käme dann wohl nicht mehr», sagte In-Albon gegenüber dem «Echo der Zeit».

Kein Zurück zur früheren «Normalität»
Auch wenn der Strom wieder deutlich günstiger werde, dürfe man nicht wieder zurück zur Normalität, sagt In-Albon dezidiert. Er ist überzeugt: «Dieser Schock muss ein Treiber sein für gute Ideen.» Und an Ideen mangelt es ihm nicht. Seine Vision: den lokalen, dezentral produzierten Solarstrom der Region – auf Dächern von privaten Häusern – für die Bahnmotoren nutzen. Die nötigen Änderungen im Gesetz werden derzeit im Stände- und Nationalrat diskutiert. «Der Solarstrom könnte in einem Grossbatteriespeicher gespeichert werden und während unseren Betriebszeiten abgerufen werden. Wir könnten den Privaten eine Abnahmegarantie geben und die Stromgrosskonzerne vom Geschäft ausschliessen. Nach dem Motto ‹In der Region produziert und auch in der Region direkt verbraucht›.» Als Vorbild dient das Pionierprojekt «Quartierstrom» im sankt- gallischen Walenstadt. In einer ersten Stufe könnten damit die teuren «Stromstundenfenster» überbrückt oder einzelne Bahnen betrieben werden, so In-Albon. Und später wäre vielleicht ein Bergbahnbetrieb ohne «externen Strom» denkbar.


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