«Auch wenn man mich zu diesem Amt verknurrt hat, mache ich das Beste draus!»
29.06.2023 , Politik, GsteigGrundsätzlich hat der Kanton Bern 1999 bei der Revision des Gemeindegesetzes den sogenannten Amtszwang abgeschafft, doch es wurde den einzelnen Gemeinden überlassen, ob sie, so wie Gsteig, an diesem festhalten wollen oder nicht. Jüngst hat die Gemeinde – mit rund 1000 ...
Grundsätzlich hat der Kanton Bern 1999 bei der Revision des Gemeindegesetzes den sogenannten Amtszwang abgeschafft, doch es wurde den einzelnen Gemeinden überlassen, ob sie, so wie Gsteig, an diesem festhalten wollen oder nicht. Jüngst hat die Gemeinde – mit rund 1000 Einwohnenden und neun Gemeinderäten – zum unpopulären Mittel des Amtszwangs gegriffen. Getroffen hat es Cornelia Walker-Kübli. Sie stellt sich unseren Fragen.
KEREM S. MAURER
Cornelia Walker, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?
Ich habe mich nicht zur Wahl gestellt. Nachdem keine Wahlvorschläge bei der Gemeinde Gsteig eingegangen sind, um die vakante Stelle im Gemeinderat zu ersetzen und die Bemühungen des Gemeinderates für einen eigenen Wahlvorschlag ebenfalls erfolglos waren, sah sich der Gemeinderat gezwungen, jemanden, ohne dessen Einwilligung in das Amt zu wählen.
Aber Sie wollten eigentlich das Amt gar nicht ausüben?
Ich wurde schon im Vorfeld von Bürgern der Gemeinde für das Amt angefragt, habe mich aber bewusst nicht vorschlagen lassen, weil ich mir eine Wahl in den Gemeinderat erst in ein paar Jahren vorstellen konnte, wenn meine Kinder etwas grösser sind. Auch wenn man mich trotz ausführlichen Gesprächen mit Gemeindepräsident Markus Willen zu diesem Amt verknurrt hat, mache ich das Beste draus!
Das heisst, Sie sind nicht grundsätzlich gegen ein Amt im Gemeinderat.
Nein, ganz und gar nicht. Ich finde, wenn man in einer Gemeinde lebt und von allen Freizeitangeboten und Infrastrukturen profitiert, sollte man sich im Rahmen seiner Möglichkeiten und Ressourcen auch einbringen und die Gemeinde weiterentwickeln. Es macht mich nachdenklich, dass in Gsteig anscheinend niemand bereit ist, sich im Gemeinderat zu engagieren. Dies wäre ja nicht nur jetzt wichtig, sondern auch in Zukunft für unsere Kinder. Ich würde mir wünschen, dass sich jede und jeder in Gsteig Gedanken macht und sich fragt, ob nicht Ressourcen vorhanden wären, um sich in und für die Gemeinde zu engagieren.
Sie sind Ehefrau, Mutter, Co-Leiterin des Sportzentrums, Präsidentin der Dorforganisation und nun auch noch Gemeinderätin. Wie viele Stunden hat Ihr Tag eigentlich?
(Lacht) Ich bin noch Tochter, Schwester, Gotti und Freundin! Es wird sich zeigen, ob ich das neue Amt auch noch unter einen Hut bringe. Fakt ist, dass ich all dies nur schaffe, weil ich in jedem Bereich gute und aktive Menschen um mich habe. Seien dies die Mitarbeitenden im Sportzentrum, Vorstandsmitglieder in der Dorforganisation oder – ganz wichtig – Familie und Freunde, die mir den Rücken freihalten und mich unterstützen. Wichtig ist, Prioritäten zu setzen. Und an erster Stelle kommen für mich jederzeit meine Kinder, mein Mann und meine Familie. Aber ja, auch mein Tag hat nur 24 Stunden.
Gerade in Gsteig, wo unter neun Gemeinderäten nur eine Gemeinderätin waltet, schadet es vielleicht nicht, wenn das weibliche Element verstärkt wird?
Es sassen schon vor Barbara Kernen andere Frauen im Gemeinderat, welche sich für die Gemeinde einsetzten. Gerne verstärke ich das weibliche Geschlecht neben Barbara im Gemeinderat. Wichtiger finde ich jedoch, dass man mit Engagement für die Sache einsteht, unabhängig vom eigenen Geschlecht.
Welches Ressort würden sie denn gerne betreuen, wenn Sie wählen dürften?
Die Ressortverteilung ist noch nicht gemacht, die Entscheidungen fallen erst an der nächsten Ratssitzung. Mein Wunschressort wäre das Ressort Tourismus, weil ich dort meine Ressourcen wohl am besten einsetzen kann. Dieser Bereich interessiert mich und durch meine anderen Ämter bin ich hier bereits engagiert.
WAS BEDEUTET AMTSZWANG?
Amtszwang bedeutet, dass grundsätzlich jede stimmberechtigte Person in ein Organ der Gemeinde – auch gegen ihren Willen – gewählt werden kann und dieses Amt für mindestens zwei Jahre ausüben muss. Gründe für eine Nichtausübung sind fortgeschrittenes Alter (über 50 Jahre), gesundheitliche Probleme und eine etwaige Unzumutbarkeit des Amtes. Wer sich dem Amtszwang widersetzt, kann mit 5000 Franken gebüsst werden.