Ein Dorf im Käsefieber: Berner Alpkäsemeisterschaft in Saanen
23.09.2025 Saanen, LandwirtschaftEs riecht nach Tradition, Handwerk und Stolz: Bei der 26. Berner Alpkäsemeisterschaft, die bereits zum dritten Mal in Saanen stattfand, kürte eine Fachjury die besten Alpkäse des Kantons. Mit dabei waren auch zahlreiche Produzentinnen und Produzenten aus dem Saanenland ...
Es riecht nach Tradition, Handwerk und Stolz: Bei der 26. Berner Alpkäsemeisterschaft, die bereits zum dritten Mal in Saanen stattfand, kürte eine Fachjury die besten Alpkäse des Kantons. Mit dabei waren auch zahlreiche Produzentinnen und Produzenten aus dem Saanenland – und holten wertvolle Medaillen.
SONJA WOLF
Würziger Käseduft schlägt den Besuchenden der Berner Alpkäsemeisterschaft bereits auf der Treppe entgegen. Oben im grossen Saal des Landhauses Saanen schieben sich geduldig Schlangen von Käseliebhabern an langen Tischen mit Papptellern voller Käsewürfeli vorbei. An jedem Teller hängt fein säuberlich der Taxationsbericht der Jury. Die Spannung steigt: Die Besuchenden der Alpkäsemeisterschaft können in jeder der Kategorien – Hobelkäse, Coeur des Alpes und Mutschli – bereits die Siegerkäse sehen und degustieren, wissen aber noch nicht, von welchen Käsern und welcher Alp die Siegerkäse stammen.
Ein eingespieltes Team
«71 Teilnehmende reichten heuer 130 Käse ein – ein neuerlicher Beweis für die Beliebtheit des Wettbewerbs», sagt Marisa Pfander vom Casalp-Marketing. Die Sortenorganisation Casalp hat den deftig riechenden Anlass zusammen mit dem lokalen OK unter der Leitung von Willi Bach organisiert. Schon zum dritten Mal übrigens – nach 2012 und 2019 – fanden die Meisterschaften in Saanen statt. Ein eingespieltes Team also.
Jury beeindruckt von der Qualität
Einen Tag vorher hatte die Jury in stundenlanger minutiöser Arbeit und nach zahlreichen Diskussionen die zehn besten in jeder Kategorie bzw. die fünf besten bei den Mutschlis erkoren (siehe Interview). «Die Jury stellte fest, dass die Qualität der Käse erneut auf sehr hohem Niveau lag und sich im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesteigert hat», schreibt Casalp in ihrer Medienmitteilung.
Siegertreppchen auf hohem Niveau
Den hohen Standard konnte das interessierte Publikum auch bei der Rangverkündung feststellen: Gold in der Königskategorie des Berner Hobelkäses AOP ging mit 100 von 100 möglichen Punkten an Monika und Martin Stähli, Burgistein, Alp Schwalmfluh. Aber auch das Saanenland schnitt sehr gut ab: Cornelia und Ferdi Ziegler-Herrmann aus Lauenen holten in der Kategorie Coeur des Alpes Bronze und auch Martina Trachsel aus Feutersoey kam auf den dritten Platz in der Kategorie Mutschli.
Aus dem Saanenland erhielten die Käseproduzent:innen von insgesamt zehn Alpen eine der begehrten 25 Medaillen. Dabei spielten sich die Unterschiede zum jeweils Bestplatzierten im Zehntelbereich zwischen 98 und 100 Punkten ab.
Ein Fest auf ganzer Linie
Einen feierlichen Rahmen verliehen der Siegerehrung Nationalrat Ernst Wandfluh, Casalp Präsident Marcel Rubin und Chefjurorin Maike Oestreich mit ihren Reden. Und auch der Spass kam nicht zu kurz: Eingebettet war die Berner Alpkäsemeisterschaft in den Saaner Alpkäse- und Glockenmarkt, wo den Besuchenden an beiden Tagen ein abwechslungsreiches Programm mit Musik, Ständen und Käsedegustationen geboten wurde (siehe Seite 5).
Die Gewinnerinnen und Gewinner aus dem Saanenland: Hobelkäse (Berner Hobelkäse AOP, Produktion 2023 oder älter)/ 43 eingereicht: 6. Haldi Ueli, Feutersoey, Alp Seeberg; 9. Bach Daniela und Christoph, Turbach, Alp Frischenwert. Coeur des Alpes (Berner Alpkäse AOP, Produktion 2024)/ 49 eingereicht: 3. Ziegler-Herrmann Ferdi und Cornelia, Lauenen, Alp Parwengen-Kessel; 4. Haldi Ursula und Alfred, Grund, Alp Stalden; 5. Schläppi Michael, Grund, Alp Gfellalp; 6. Ryter Gery, Saanen, Alp Mittenbach; 8. Wimmer Pierrot, Saanen, Alp Kuhdungel-Langelauenen; 10. Perreten Marlies und Walo, Feutersoey, Alp Vorder Walig. Alpmutschli (Produktion 2025)/ 38 eingereicht: 3. Trachsel Martina, Feutersoey, Alp Martigny; Trachsel Ursula und Rudolf, Lauenen, Alp Stierendungel, innere Hütte.
JURYMITGLIEDER BARBARA GAFNER UND ERNST JAKOB IM INTERVIEW
«Nach 30 Käsen kommt das Sättigungsgefühl...»
Unter der Leitung von Maike Oestreich, Leiterin Alpkäsereiberatung am INFORA-MA Oberland, degustierten am Tag vor der Siegerehrung eine Fachjury all die eingereichten Käse. Die Jury besteht aus Alpkäsereiberatern und -taxateuren, Produzenten, Vorstandsmitgliedern der Casalp, Vertretern der Agroscope und OIC sowie Konsumentenvertretern. Kurz vor der Bekanntgabe der Sieger gaben zwei Jurymitglieder Einblick, wie sie bei der Bewertung vorgehen.
SONJA WOLF
Wie viele Käse kann man degustieren, ohne dass die Geschmacksnerven überfordert sind?
Barbara Gafner (BG): Wir neutralisieren unseren Geschmack zwischendurch immer wieder mit Wasser, Brot, Süssmost oder Äpfeln. Besonders schwierig ist es, wenn man nach einem intensiven Käse wieder einen milderen degustiert. Aber tatsächlich hat man nach 30 Käsen schon ein Sättigungsgefühl... Es braucht auch Pausen dazwischen.
71 Teilnehmende, 130 eingereichte Käse – wie gehen Sie in der Praxis vor?
BG: Als Juror ist man für eine Kategorie zuständig. Ich selbst war für die Kategorie Coeur des Alpes zuständig mit insgesamt 49 eingereichten Käselaiben. Erst trafen wir jeweils in kleinen Dreiergruppen eine Vorauswahl. Käse mit gröberen Fehlern schieden sofort aus. In die engere Auswahl beim Coeur des Alpes kamen dann etwa 20 Käse. Diese wurden dann in einer grösseren Gruppe von neun Juroren degustiert. Die Juroren diskutieren miteinander und müssen sich einig sein. Die Nuancen sind bei den besten Käsen nur noch minimal.
Woher haben Sie die Expertise?
BG: Es ist vor allem die Erfahrung. Wir machen das beide schon sehr lange.
Ernst Jakob (EJ): Ich war 20 Jahre in der Käseforschung tätig. Da macht man fast wöchentlich Degustationen und schaut, welche Kultur besser ist als die andere.
BG: Die Sensorik kann man natürlich auch üben.
EJ: Aber Menschen sind Individuen und Bitterkeiten nimmt nicht jeder Mensch gleich wahr. Deshalb gibt es ja auch die Diskussionen in der Grossgruppe am Schluss über die Feintarierungen.
Wie lange haben Sie am Samstag gebraucht, um alle Käse zu bewerten?
BG: 18 Jurymitglieder – vier Stunden lang.
EJ: Wenn Sie da alle 130 degustiert haben, dann sind Sie ausgeknockt!
WIE WERDEN DIE KÄSE BEWERTET?
Die Käse werden nach folgenden vier Positionen beurteilt:
– Lochung
– Teigbeschaffenheit
– Geschmack und Aroma
– Äusseres, Postur und Lagerfähigkeit
SWO
DIE BRONZEGEWINNER MARTINA TR ACHSEL SOWIE CORNELIA UND FERDI
ZIEGLER-HERRMANN IM INTERVIEW
«Wertschätzung für unsere Arbeit»
SONJA WOLF
Gratulation zum Podestplatz in der Kategorie Coeur des Alpes und Mutschli! Haben Sie zum ersten Mal mitgemacht?
Martina Trachsel (MT): Nein, ich habe schon mehrmals mitgemacht, aber heute zum ersten Mal einen Preis gewonnen. Ich freue mich sehr über den Podestplatz!
Cornelia Ziegler-Herrmann (CZH): Auch wir haben schon mehrmals mitgemacht und auch schon Preise gewonnen, wie zum Beispiel vor zwei Jahren den ersten Rang in der gleichen Kategorie Coeur des Alpes.
Freuen Sie sich dann gleichwohl über den heutigen dritten Rang?
CZH: Ja, dieser Preis ist uns sehr viel wert, weil die Spitze immer sehr breit ist. Die Bewertungen lagen auch dieses Mal sehr eng beieinander.
Hat eine Auszeichnung bei den Alpkäsemeisterschaften Auswirkungen auf den Verkauf Ihres Käses? Wie war es bei Ihren vergangenen Siegen?
Ferdi Ziegler-Herrmann (FZH): Der Sieg hat eher symbolischen Charakter. Die Verkaufszahlen schiessen nach den
Meisterschaften nicht in die Höhe.
CFH: Einige Leute wissen es aber und fragen nach. Der Preis bringt also auf jeden Fall Wertschätzung für unsere Arbeit.
Welche besonderen Herausforderungen brachte dieser Alpsommer?
MT: Es war Ende Juni zu trocknen, es hatte vier Wochen nicht geregnet und das Gras ist nicht mehr gewachsen.
CZH: Auch hatten wir zweimal Hagel.
Sie haben den Hof alle von den Eltern bzw. Schwiegereltern übernommen. Ist das Käsen Ihre Traumbeschäftigung?
MT: Ja, ich bin gelernte Käserin, es war von Anfang an mein Ziel, selbst «z Bärg» zu gehen.
CZH: Ich bin gelernte Lehrerin und Landwirtin, führe im Moment aber nur den elterlichen Hof – zum Unterrichten bleibt keine Zeit! Schon als Kind habe ich die Leidenschaft für das Käsen und das Handwerk von meinem Vater mitbekommen.
FZH: Und ich bin gelernter Metzger. Im Winter mache ich auch Kuhtrockenwürste und Trockenfleisch und kümmere mich um die Direktvermarktung der Alpschweine und Kälber.