Gefährden wirtschaftliche Vorgaben die öffentlichen Aufgaben der Spitex?

  20.06.2022 Region, Saanenland, Gesundheitswesen, Obersimmental

Schwierige Zeiten für die Spitex und ein grosses Loch in der Kasse: Für den fusionierten Verein Spitex Saane-Simme bot das letzte Geschäftsjahr einige Herausforderungen – und auch die Zukunft dürfte schwierig werden.

KEREM S. MAURER
«Das letzte Geschäftsjahr war für den Verein Spitex Saane-Simme ein Kampf an vielen Fronten», sagte Vereinspräsident Beat Michel anlässlich der ersten physisch durchgeführten Hauptversammlung seit der Fusion der beiden Spitex Vereine vor zwei Jahren. Die Zusammenführung dieser Vereine mit unterschiedlicher Geschichte und Kultur entpuppte sich als schwieriger als gedacht. «Diese Fusion hat im vergangenen Jahr dem ganzen Betrieb viel Zeit, Geduld und Energie abgefordert», sagte Michel und betont, dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen. Zu diversen inneren Herausforderungen gesellten sich äussere Faktoren wie die Covid-Pandemie mit ihren Massnahmen, die nicht nur einen höheren personellen und materiellen Aufwand mit sich brachten, sondern auch die Auftragslage negativ beeinflussten. Dies alles zusammen führte zu einem «erheblichen Defizit» von 180’000 Franken im vergangenen Geschäftsjahr.

Griff in die Spendenkasse
Von den rund 15 Anwesenden waren nur gerade sieben stimmberechtigt. Diese genehmigten diskussionslos sämtliche statutarischen Geschäfte. Erklärungsbedarf gab es seitens des Präsidenten beim ausserordentlich hohen Defizit von über 138’000 Franken in der Spendenbilanz. Dieses Minus käme davon, dass die einstige Spitex Saanenland über etliche Jahre vom Kanton zu viel Geld erhalten habe, erklärte Michel. Nun habe der Kanton alle zu viel ausbezahlten Beträge auf einmal zurückgefordert. Um diesen Betrag zu decken, habe man auf das Spendenkonto zurückgegriffen, erklärte der Präsident. Dies sei zwar spendenrechtlich bedenklich, wäre aber in Ordnung, wenn die Hauptversammlung dieses Vorgehen gutheisse, indem sie den Vorstand entlaste. Der Vorstand wurde einstimmig entlastet.

Anne Speiser und Alexander Gäumann
Die Vorstandsmitglieder Marianne Messerli und Andreas Müller mussten aufgrund ihrer Demissionen ersetzt werden. Mit Anne Speiser, welche die Spitex Obersimmental einst selbst präsidierte und als Grossrätin politisch gut vernetzt ist, habe man jemanden mit exquisiten Kompetenzen gefunden, freute sich Beat Michel. Ebenso habe man in der Person von Alexander Gäumann, dem Geschäftsführer der Gesundheit Simme Saane (GSS), jemanden mit hervorragenden administrativen und betriebswirtschaftlichen Kompetenzen gewinnen können. Beide wurden per Akklamation in ihre neuen Ämter gewählt.

Qualität versus Spardruck
Als Erbringer von Spitex-Leistungen stehe man in Zukunft von vielen Seiten unter Druck, führte Beat Michel aus. Man erfülle eine öffentliche Aufgabe in einem Gebiet, in dem die Leistungsaufträge schwankend und kaum vorherzusehen seien. Gleichzeitig fordere der Kanton als Auftraggeber wirtschaftliches Denken und knappes Kalkulieren, damit möglichst kostengünstig gearbeitet werde. Dies erfordere insbesondere im Personalmanagement, wo die höchsten Ausgaben generiert würden, eine grosse Flexibilität. Doch genau das sei sehr schwierig, weil es bekanntermassen im Gesundheitswesen eine grosse Personalknappheit gebe. Zudem fordere der Kanton einen immer grösseren administrativen Aufwand, der nichts zur Produktivität beitrage, sondern nur die Betriebskosten steigere.

Man beschäftige sich derzeit im Vorstand mit verschiedenen Szenarien, um auch in Zukunft die ambulante Pflege zu gewährleisten, sagte der Präsident. Man engagiere sich in diesem Sinne auch für ein Zusammengehen mit anderen Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen im Rahmen der Gesundheit Simme Saane. Die grösste Herausforderung aber bleibe, die öffentliche Aufgabe der Spitex nicht durch wirtschaftliche Vorgaben zu gefährden.

 


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