Jonas Hählen: vom Saanenland auf die Weltbühne des Skisports
25.03.2025 Gstaad, SportDer ursprünglich aus Gstaad stammende Jonas Hählen lebt heute in Kanada und ist dort als Trainer des kanadischen Ski-Weltcup-Speedteams tätig. Die gerade beendete Speed-Weltcupsaison 2024/25 war für das Team von Höhen und Herausforderungen geprägt. Im ...
Der ursprünglich aus Gstaad stammende Jonas Hählen lebt heute in Kanada und ist dort als Trainer des kanadischen Ski-Weltcup-Speedteams tätig. Die gerade beendete Speed-Weltcupsaison 2024/25 war für das Team von Höhen und Herausforderungen geprägt. Im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» erzählt Hählen von seiner Kindheit im Saanenland, seinen sportlichen Anfängen und den Anforderungen im internationalen Skisport.
ELISA OPPERMANN
Obwohl Jonas Hählen bereits als einjähriges Kleinkind mit seiner Familie nach Kanada zog, ist seine Verbindung zum Saanenland immer stark geblieben. Seine Paten leben noch heute in Gstaad, und früher besuchte er die Region mindestens einmal pro Jahr. Heute ist er zwar meist beruflich in Europa unterwegs, schafft es jedoch durch den strengen Zeitplan der Weltcuprennen etwas weniger oft in die Region. Seine Eltern waren beide vor seiner Zeit als Skilehrer an der Skischule Schönried tätig und gaben Hählen auch nach ihrem Umzug in Kanada bereits in jungen Jahren die Leidenschaft für den Skisport mit. Die Wochenenden verbrachte er meist auf der Piste. Zu Hause in Lethbridge in Südalberta konnte er den Skisport nicht so einfach ausüben wie in der Schweiz. Castle Mountain, das nächstgelegene Skiresort, ist eine anderthalbstündige Autofahrt entfernt.
Vom Rennfahrer zum Trainer
Als Jugendlicher entschloss sich Hählen dazu, in den Skiclub einzutreten und erhielt dort die ersten Chancen, sich im Rennen zu beweisen. Mit 14 Jahren trat er offiziell ins Rennteam ein und blieb dem professionellen Rennsport bis zum Alter von 21 Jahren treu. Er startete im Continental Cup sowohl in Nordamerika als auch in Europa, musste sich jedoch nach diversen Verletzungen und stagnierender Entwicklung entscheiden, ob er weitermachen oder einen anderen Weg einschlagen sollte. Die Wahl fiel auf eine Trainerkarriere. Parallel dazu studierte er an der Mount Royal University in Calgary, wo er sich auf Gesundheits- und Sportwissenschaften mit Schwerpunkt «Physical Literacy» spezialisierte. Seine Trainerkarriere begann beim Alberta Regional Development Ski Team und nach vier Jahren dort folgten drei Jahre im kanadischen Nationalteam, bei dem er noch heute als Trainer arbeitet.
Die kanadische Skiszene: Herausforderungen und Unterschiede
Als Teil des Trainerteams der kanadischen Weltcup-Speedmannschaft ist sein Alltag geprägt von intensiven Reisen: von Kanada nach Europa, von Trainingseinheiten bis zu den Weltcupfinals. «Wir haben sechs Vollzeitathleten im Team», erzählt er. Die enge Zusammenarbeit sei eine Besonderheit des kanadischen Systems – im Gegensatz zu europäischen Teams, die nach den Rennen oft nach Hause zurückkehren können, verbringen die kanadischen Athleten und Trainer fast die gesamte Saison miteinander. «Das schweisst uns zusammen und schafft eine fast freundschaftliche Bindung.» Laut Hählen unterscheidet sich die Skikultur in Kanada stark von der in der Schweiz. Während Skirennen in der Schweiz eine lange Tradition haben, erhält der Sport in Kanada meist nur während der Olympischen Spiele grössere Aufmerksamkeit. Hinzu kommt, dass Skifahren in Kanada ein exklusiver Sport ist: «Es ist sehr teuer, an allen FIS-Rennen teilzunehmen. Viele junge Talente gehen uns verloren, weil es finanziell kaum machbar ist.» Zudem gibt es keine Gletscher für das Training im Sommer – ein deutlicher Nachteil im Vergleich zu europäischen Nationen. «Um junge Athlet:innen zu unterstützen, müssen die Familien Reisen nach Europa bezahlen, hinzu kommt das Material und alles was eben nötig ist. Das ist schnell sehr teuer und erreicht ein Ausmass, das für eine normale Familie kaum stemmbar ist», fügt er hinzu.
Erfolge und Herausforderungen als Trainer
Als ganz besonderen Moment seiner Trainerkarriere beschreibt er den diesjährigen Triumph in Kitzbühel, wo James Crawford die Abfahrt gewann – ein Meilenstein für das kanadische Team, das dort erstmals seit 42 Jahren gewann. «Es war ein unglaubliches Erlebnis für das gesamte Team», erinnert sich Hählen. Doch der Trainerjob bringt auch Herausforderungen mit sich. Eine der grössten ist die mentale Stärke der Athleten. «Im Speedbereich, wie in jedem Spitzensport, ist der Kopf entscheidend. Diejenigen, die offen für neues Lernen sind, ihren Trainern gut zuhören und sich gut in ein Team integrieren, haben die besten Chancen auf langfristigen Erfolg. Kein Athlet sollte denken, er habe ausgelernt», so Hählen.
Bilanz der Weltcupsaison 2024/25 und Zukunftspläne
Die gerade zu Ende gegangene Saison 2024/25 war für das kanadische Speedteam eine intensive Reise mit Licht und Schatten. Besonders im Fokus stand James Crawford, der bereits im Vorjahr mit seinem Weltmeistertitel in der Super-G-Disziplin für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. In dieser Saison konnte er erneut starke Leistungen abrufen und beendete die Saison auf Platz 5 der Abfahrts-Disziplinenwertung. Hählen betont, dass im Weltcup oft Kleinigkeiten über Sieg oder Enttäuschung entscheiden – gerade in einer Disziplin, in der Hundertstelsekunden den Unterschied machen. Auch jüngere Athleten konnten wichtige Erfahrungen sammeln, was laut Hählen entscheidend für die langfristige Entwicklung ist.
Obwohl Kanada heute seine Heimat ist, bleibt Jonas Hählen der Schweiz eng verbunden. Er zieht es zwar nicht aktiv in Betracht, zurückzukehren, doch sollte sich eine spannende Möglichkeit ergeben, wäre er offen dafür. «Meine Familie und mein Freundeskreis sind in Kanada, aber die Schweiz bleibt ein Teil von mir.» Seine nächsten grossen Ziele? Die Olympischen Spiele im kommenden Jahr. Für junge Athlet:innen und angehende Trainer:innen hat Jonas Hählen eine klare Botschaft: «Das Wichtigste ist, den Spass am Sport nicht zu verlieren. Wer seine Leidenschaft behält und immer bereit ist zu lernen, wird seinen Weg machen.»