Auswertung von 600 Fragebögen zeigt: Die Natur ist der wahre Grund, weshalb Gäste und Zweitheimische anreisen
14.11.2023 Gstaad, TourismusGemeinsam mit der Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern hat Gstaad Saanenland Tourismus (GST) rund 600 Gäste über die Ferienregion Gstaad befragt. Entstanden ist eine Standortbestimmung, deren Vergleichswert die gleiche Befragung von vor über 20 Jahren ...
Gemeinsam mit der Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern hat Gstaad Saanenland Tourismus (GST) rund 600 Gäste über die Ferienregion Gstaad befragt. Entstanden ist eine Standortbestimmung, deren Vergleichswert die gleiche Befragung von vor über 20 Jahren darstellt. Diese Zeitung hat bei Tourismusdirektor Flurin Riedi nachgefragt, was die Umfrage ergeben hat und wie er die Resultate einschätzt.
BERICHT: JOCELYNE PAGE
Standortbestimmung 2022-2023: Darum geht es
Die Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern hat vor etwa 20 Jahren eine umfassende Standortbestimmung durchgeführt, bei der eine breite Gästebefragung unter Übernachtungsgästen und Zweitheimischen in den Jahren 1999-2001 stattfand. Nun, im Jahr 2022 und 2023, hat Gstaad Saanenland Tourismus (GST) erneut eine Untersuchung initiiert, um die Entwicklungen und Veränderungen im Tourismussektor zu erfassen. Das Resultat ist eine Standortbestimmung. «Die ersten relevanten Schritte, die wir aus dieser Forschung ableiten, werden eine wichtige Basis für die Aktualisierung unserer Destinationsstrategie darstellen», erklärt Tourismusdirektor Flurin Riedi. Im Jahr 2024 steht die Überprüfung dieser Strategie auf der Agenda, bei der 30 touristische Partner der Ferienregion Gstaad involviert sind. Die aktuelle Destinationsstrategie erstreckt sich von 2021 bis 2024.
Am Bahnhof, bei den Bergbahnen, im Dorf, auf der Piste und auf Wanderwegen: Die Mitarbeitenden des GST und Freiwillige der Dorforganisationsvorstände waren in der Region unterwegs, um die Gäste zu befragen. «Unsere Erhebungen beschränken sich nicht nur auf den Bahnhof oder den öffentlichen Verkehrsbereich. Wir legen besonderen Wert darauf, ein breites Spektrum abzudecken und haben bewusst in Bereichen wie Strassenbefragungen investiert», erklärt Riedi. Die Gäste konnten den Fragebogen schriftlich ausfüllen oder digital über einen QR-Code.
Wie lange bleiben die Gäste? Und kehren sie wieder zurück?
In beiden Saisons konnte die Ferienregion ihren Stammgästeanteil ausbauen. «Dieser Erfolg ist den engagierten Leistungsträgern und dem sehr guten Produktangebot zu verdanken. Hier wird Gastfreundschaft konsequent gelebt und das über die gesamte Bandbreite des Angebots hinweg», sagt Flurin Riedi sichtlich zufrieden. Auch die moderate Zunahme an Tagesgästen sei beispielsweise für die Bergbahnen ein erfreulicher Trend. Allerdings falle auf, dass die Aufenthaltsdauer der Gäste insgesamt abgenommen habe. «Diese Entwicklung wird aber nicht nur in Schweizer Tourismusregionen beobachtet. Die Leute reisen zwar mehr, bleiben aber insgesamt für kürzere Zeitperioden in den Ferienorten», erklärt der Tourismusdirektor.
Wie reisen die Gäste an und wo übernachten Sie?
Die Auswertung hat ergeben, dass der Anteil der Gäste, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat. «Dies ist erfreulich und zeigt uns, dass sich unsere Bemühungen für mehr und bessere Zug- und Busverbindungen richtig sind. Mit anderen Worten unterstreicht dies die Bedeutung eines attraktiven Fahrplans», bewertet Flurin Riedi die Entwicklung. Und: Das Interesse der Gäste an abgelegenen Orte in unserer Region steigt, weshalb sich GST auch hier für mehr ÖV-Verbindungen stark machen wolle - um so auch der Zunahme des Individualverkehrs entgegenwirken zu können.
Bei den Unterkunftsarten habe sich die Veränderung in der Hotellandschaft abgezeichnet: Durch die Abnahme an Drei- bis Viersternhotelbetten in den letzten Jahren sei der Anteil an Hotellogiernächten zurückgegangen. «In unserer Ferienregion haben wir deshalb dringenden Bedarf an Hotels, die sich im Mittelklassesegment bewegen und weniger an zusätzlichen Betten im Fünfsternebereich», so die Einschätzung des Tourismusdirektors.
So informieren sich die Gäste
Wie kommen Leute auf die Idee, ihre Ferien im Saanenland und Umgebung zu verbringen? Laut der Befragung reist ein Grossteil der Gäste aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda an: Verwandte, Kollegen oder Bekannte haben von ihren Ferien in Lauenen, Saanenmöser, Gstaad und Co. erzählt. «Die gelebte Gastfreundschaft zahlt sich aus. Dies lässt unsere Ferienregion in einem positiven Licht erscheinen», so die Beurteilung von Flurin Riedi. Einer der bedeutendsten Faktoren ist gemäss Umfrageresultate die Website von Gstaad Saanenland Tourismus. «Gstaad.ch entwickelte sich zu einem der wichtigsten Kanäle, um die Gäste zu erreichen - insbesondere im Vorfeld und während des Aufenthalts wird die Website für Informationen und Inspiration sehr stark genutzt. Es ist für uns eine Bestätigung, dass wir die Ressourcen richtig einsetzen.» Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive Berner-Oberland-West investiert GST zusammen mit den zwei Tourismusorganisationen Adelboden-Lenk-Kandersteg und Lenk-Simmental Tourismus in die Digitalisierung und nutzt dabei Synergien, was sich nicht zuletzt auch positiv auf die Kosten auswirkt, wie Riedi angibt. «Neben der Kostenoptimierungen können auch Kompetenzen und Erfahrungen geteilt werden, aber auch Workshopveranstaltungen wie zum Beispiel zum Thema Datenschutz für Leistungsträger destinationsübergreifend koordiniert werden.»
Weshalb die Gäste anreisen und was sie in der Ferienregion unternehmen
Der Slogan «Gstaad – Come up - slow down» entspricht der Hauptintention, weshalb die Gäste in die Ferienregion reisen. Über 50 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie unter anderem wegen der Natur anreisen würden. «Das Naturerlebnis vor Ort, die Erholung, all das, was wir bewerben, schätzen die Gäste. Es ist deshalb enorm wichtig, dass wir unser wichtigstes Verkaufsargument, die Natur und die Landschaft, durch eine nachhaltige und bedachte touristische Nutzung schützen. Dies muss unser oberstes Gebot sein», sagt Flurin Riedi. Gstaad Saanenland Tourismus habe sich einer nachhaltigen Tourismusund Lebensraumetwicklung verschrieben und diesem Faktor werde durch diese Standortbestimmung noch mehr Gewicht zuteil. Ebenfalls konnte durch die Standortbestimmung die grosse Bedeutung der Topevents bestätigt werden, welche von über 40 Prozent der Gäste als entscheidendes Reisemotiv angegeben wurde.
Die Bezeichnung «Sport treiben» bei den Auswahloptionen der Reisemotive sei seiner Meinung nach etwas irreführend gewesen, denn viele der Befragten hätten diese Bezeichnung anders interpretiert, so Riedi: Während GST unter dem Begriff Sport das «Genuss-Wandern und Genuss-Biken» verstehe, hätten viele Befragten das Bild der körperlichen Anstrengung oder des sportlichen Trainings im Kopf gehabt. «Davos beispielsweise wirbt explizit mit dem Slogan «Sports unlimited» und spricht insbesondere die aktiven wettkampforientierten Sportler:innen an. Bei uns sehen wir das Wandern und Biken eher als genussreiches Naturerlebnis an», erklärt Riedi. Der Begriff «Outdooraktivitäten» wäre wohl glücklicher gewesen, so seine Einschätzung. Bei den Aktivitäten im Winter ist das Skifahren vom ersten Platz verdrängt worden. «Es zeigt, dass nicht jeder Gast primär zum Skifahren in unsere Region kommt und dass wir wie bereits in der Vergangenheit auch in andere Winterangebote investieren müssen wie beispielsweise das Winterwandern, das Schneeschuh- und Langlaufen», erklärt Riedi. Trotz allem seien Investitionen wie für die Realisierung der geplanten neuen Hornegglibahn zentral, denn das Gebiet Hornberg sei nicht nur für die gesamte Region ein bedeutendes Skigebiet, sondern werde künftig insbesondere auch im Sommer eine noch wichtigere Rolle einnehmen (siehe Bedeutung des Angebotes). Die Befragten hätten allerdings die Betriebszeiten der Bergbahnen im Herbst bemängelt, dort wünschten sie sich eine Verlängerung.
Wie beurteilen die Gäste das Angebot?
Wie bereits bei den Reisemotiven ist auch bei der Bewertung der Attraktionen und Angebote die Natur und die Landschaft das wichtigste Kapital der Ferienregion, wie Flurin Riedi angibt. Obwohl Wellness und Mountainbiking an Bedeutung gewinnen, wurde das Mountainbikeangebot nur knapp als gut bewertet. Die Gäste suchten nicht ausschliesslich nach Fünfsternehotels, gleichzeitig hätten sich aber auch die Anforderungen an die Ausstattung von Ferienwohnungen geändert – die Gäste haben höhere Ansprüche. «Es ist auch erkennbar, dass die Qualität der Ferienwohnungen Luft nach oben hat und sorgfältiger geprüft werden sollte. Eine Initiative zur Förderung von vermietbaren Ferienwohnungen ziehen wir in Betracht», erläutert Riedi. Dass der Hornberg und das Horneggli immer noch das beliebteste Skigebiet sei, zeige, dass man die richtigen Massnahmen ins Auge gefasst habe, indem man die neue Bahn realisiere. Und da der Anteil der Stammgäste zugenommen habe, weise dies auf eine positive Entwicklung und den Erfolg der Bemühungen in der Region hin. «Es ist nun wichtig, dass wir die negativ bewerteten Punkte analysieren und versuchen, uns zu verbessern.»
So schätzt der Tourismusdirektor Flurin Riedi die Standortbestimmung ein:
«Die Auswertung dieser Daten ist äusserst komplex, doch sie liefert uns die grundlegenden Informationen und Erkenntnisse, die auch als Grundlage für die Überprüfung unserer Destinationsstrategie dienen wird», bewertet Flurin Riedi die Resultate der aktuellen Standortbestimmung. Die Ergebnisse dieser Analyse seien für ihre Arbeit von zentraler Bedeutung. Denn um erfolgreich im Tourismus tätig zu sein, sei es unabdingbar, eine gründliche Analyse des Marktes und der Bedürfnisse der Gäste und Einheimischen durchzuführen. «Wir richten unsere Bemühungen darauf aus, den sich stetig verändernden und komplexen Tourismusmarkt im Blick zu behalten. Dazu gehört auch, gegebenenfalls Korrekturen auf der Kommunikations- und Produktebene vorzunehmen.» Auch die Rolle von Gstaad Saanenland Tourismus habe sich in den vergangenen 10 Jahren verändert. Früher habe man vom GST erwartet, für die Region primär Werbung zu machen und Informationsbroschüren zu realisieren. «Heute sind wir vielmehr ein Tourismus- und Lebensraumentwickler, indem wir nicht nur unser Image in die Welt hinaustragen, sondern auch vor Ort Angebote schaffen und Projekte realisieren, welche Einheimischen wie Gästen zugutekommen», erklärt Riedi. GST plane und realisiere beispielsweise Spielplätze, setze Ranger am Lauenensee ein, und entwickle zum Beispiel zusammen mit den Gemeinden das Bike- und Wegnetz weiter. Auch im Winter wolle GST seine Rolle als Partner wahrnehmen, indem es beispielsweise mit den Skischulen der Region die Neugestaltung der Lernparks vorantreibe. Das Projekt trage bereits Früchte und starte mit neuen Angeboten in dieser Saison. In all dem Tatendrang wolle er aber das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren: Nachhaltigkeit. «Die Befragung hat uns gezeigt, dass es für die Gäste je länger, je mehr wichtig ist, dass sich eine Ferienregion nachhaltig orientiert. Es ist sogar schon vielmehr eine gewisse Erwartungshaltung vorhanden», erklärt Riedi. Bei der Überarbeitung der Destinationsstrategie wolle GST deshalb ein besonderes Augenmerk darauf legen und entsprechend Massnahmen festlegen.
«Am Ende dürfen wir einfach eines nicht vergessen: Wenn wir nicht stehen bleiben wollen, kostet dies auch in Zukunft. Ohne entsprechende Ressourcen geht es nicht», sagt Riedi. Es sei deshalb wichtig und richtig, dass man beispielsweise die Beschneiung sinnvoll stärke, in die Loipenqualität, in die Concert Hall und in weitere Projekte investiere, um die Ferienregion auf einem entsprechenden Niveau halten zu können. «Qualität kostet. Dank der hohen Qualität, die geboten wird, können höhere Preise durchgesetzt werden, was wiederum regelmässige Investitionen in das Produkt zulässt. Das ist Teil des Gstaader Erfolgsmodells. Wenn wir eine Strategie der Quantität fahren würden, hätten wir zwar mehr Frequenzen, jedoch einen ganz anderen Tourismus, welcher so nicht gewünscht wäre. Deshalb ist der eingeschlagene Weg korrekt.»