«Es war berührend und magisch»

  07.08.2018 Saanen, Kultur, Konzert

Die Kirche Saanen war am vergangenen Samstagabend im Liebestaumel. In den vorgetragenen Love Arias sang Julia Lezhneva von Sehnsucht, Liebesglück und Herzschmerz. Mittendrin sassen vier Jugendliche, die sich davon berühren liessen.

BLANCA BURRI
Wenn jemand verliebt ist, hat er oftmals eine rosarote Brille auf. Anne-Christine Cettou, Musikpädagogin des Menuhin Festivals, verteilte am Samstag statt der rosaroten Brille eine Herzbrille. Damit sahen die vier Jugendlichen aus Brüssel und aus Gstaad lauter Herzen, wenn sie ins Licht schauten. Das war der perfekte Einstieg in die Love Arias. Vor dem Konzert konnten sie zudem die Opernsängerin Julia Lezhneva und die Geigerin Nina Candik persönlich treffen.

Gespräch in den Kirchenbänken
Die zwei Profimusiker freuten sich sichtlich, die Jugendlichen zu sehen. Sie wollten wissen, woher sie kommen und welche Instrumente sie spielen. Einige Instrumente wurden aufgezählt, ein Mädchen nimmt auch Singstunden. Das fand die Sopranistin toll. Sie erzählte, dass sie erst Klavier gespielt habe und sie sehr gerne dazu gesungen habe. Sie sei auch Teil eines Chors gewesen. «Als die professionelle Stimmbildung begonnen hatte, konnte ich im Chor nicht mehr mitsingen, weil ich plötzlich anders sang», lachte sie. Und meinte damit, dass sich ihre Stimmt nicht mehr im Chor eingefügt habe, sondern dass sie immer klar zu erkennen gewesen sei.

Die Baslerin Nina Candik begann den Geigenunterricht mit acht Jahren. «Eigentlich wollte ich Bratsche spielen», schmunzelt sie. Doch die Mutter, selbst Geigerin, habe gesagt, dass die Bratsche doch viel zu gross sei für sie. «Ich habe zugestimmt», meint sie gutgelaunt. Erst viel später habe sie erkannt, dass sie die Mutter in eine Richtung gelenkt habe. «Mit der Bratsche hat man nicht so viele Möglichkeiten wie mit der Geige», erklärte sie. Heute spielt sie die zweite Geige im Basler Kammerorchester. Sie verriet, dass sie auch gerne singt und früher sogar eine Sängerkarriere zur Diskussion stand. «Weil ich aber gerne unter vielen Menschen bin, habe ich die Geige der Stimme vorgezogen.»

Sorge zum Körper tragen
Beiden Musikerinnen ist es bewusst, dass sie zu ihrem Körper grosse Sorge tragen müssen, damit sie ihren Beruf bis ins hohe Alter ausüben können. «Die Stimme sollte nicht schon zu früh zu stark in Anspruch genommen werden, das könnte sie dauerhaft beschädigen», mahnte die russische Sopranistin. Auch kenne sie viele Berufskollegen, welche bereits mit 55 Jahren mit dem professionellen Singen aufhören, wenn ihre Stimme nicht mehr frisch und geschmeidig sei. Ehrlicherweise sei sie schon etwas nervös vor dem Konzert, das sich in einem Ziehen im Bauch äussere, beantwortete Julia Lezhneva eine entsprechende Frage. Das kennt die Geigerin Candik hingegen nicht: «Heute bin ich ganz entspannt.»

Lamentobass in der Pause
Statt sich die Beine in den Bauch zu stehen, verbrachten die Jugendlichen die Pause in der Kennedy-Schule und musizierten. Erst erklärte Anne-Christine Cettou den Lamentobass, danach spielte sie ein Beispiel am Klavier. Schon bald sang sie und die Jugendlichen begleiteten sie auf den Klangbausteinen.

Geniessen und Staunen
Der Abend hinterliess bei den drei Mädchen und dem Jungen grossen Eindruck. «Ich war von dieser Stimme gefangen», schwärmte ein Mädchen. «Es war berührend und magisch. Ich war beeindruckt mit welchem Respekt und gegenseitiger Anerkennung die Musiker miteinander musizierten», sagte eine andere Jugendliche. Auch die pädagogische Schulung wurde geschätzt. «Es hat mir geholfen. Ich verstand dadurch die Werke viel besser. »


DIE KIRCHE SAANEN IM LIEBESTAUMEL

Flüsternde Winde und murmelnde Flüsse schenken der Liebenden Trost, als sie voller Hoffnung und Sehnsucht auf ihren Liebsten wartet. So beginnt Antonio Vivaldis Aria «Zeffiretti che sussurrate» aus Ercole sul Termodonte. Zart und schmelzend interpretierte Julia Lezhneva dieses Liebeslied, das einen der Höhepunkte der Love Arias vom vergangenen Samstagabend in Saanen bildete. Ob solo, begleitet vom Kammerorchester Basel oder im Dialog mit der Trompete, die 28-jährige Russin sang sich in die Herzen der Zuhörer. Sie brillierte durch eine ausgefeilte Technik, durch die sympathische Ausstrahlung, ihre äusserst bescheidene Art und ihre Dankbarkeit. Als sie unter tosendem Applaus zum wiederholten Mal durch den Kirchengang zur Bühne schritt, schaute sie links und rechts ins Publikum und bedankte sich mit der Hand auf der Brust für die Begeisterungsstürme, welche in Standing Ovation und Fussstampfen gipfelten. Diese Zuneigung verdankte die Sopranistin mit zwei brillanten Zugaben.


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