Reif für die Hochschule – für die Wissenschaft

  23.11.2018 Gstaad, Bildung, Schule

Die Absolventen des Gymnasiums Gstaad präsentierten am Montag in Kurzvorträgen ihre Maturarbeiten. Es gab 15 Präsentationen in erstaunlicher Vielfalt, mit grossem Engagement und Persönlichkeit vorgetragen.

LOTTE BRENNER
Die mündliche Präsentation von Maturarbeiten verlangt von den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nebst viel Wissen auch die Umsetzung einer Theorie in die Praxis, und vor allem den Mut, Aufgabenstellungen, Beweisführungen und Hintergrundinformationen einem breiten Publikum interessant und spannend weiterzugeben. Das Thema ist frei, die Vorgehensweise und das Zeitfenster für alle gleich. Verlangt wird ein klares Konzept, von der Ausgangslage über Hypothesen und deren Beweisführung oder Widerlegung durch Experimente oder Theorieentwicklungen bis letztlich zu den Resultaten und Schlüssen. Jeder Rednerin, jedem Referenten steht dazu eine halbe Stunde zur Verfügung.

Die Themen sind so vielfältig wie die Schüler und Schülerinnen selbst: Da ging es um die Verbesserung des Sitzes eines aktiven Reiters im Experiment, die Leistungssteigerung beim Conconi-Lauftest durch ein Placebo oder um Triathlon, Yoga und Schiessen. Es wurde der Unterschied zwischen Vanillin und Vanille festgestellt oder angeleitet, wie Mehlwürmer als Grundnahrungsmittel eingesetzt werden, um ein «tierisch leckeres Brot» zu kreieren. Verglichen wurden auch verschiedene Verfahren zur Herstellung ätherischer Lavendel-Öle. Ein Vortrag widmete sich der Apartheid, ein anderer den Flurnamen von Zweisimmen, eine Arbeit beschäftigte sich mit Untersuchungen des Gräserwachstums bei Teichundichtigkeit und eine mit dem Einfluss der Rasse auf die Gewicht- und Grössenentwicklung von Kälbern. Auch Selbstverfasstes wurde analysiert und interpretiert, so eine eigene Kurzgeschichte mit dem Titel «Gegenstrom» oder eine selber verfasste Parabel «Licht und Schatten». Aber auch bestehende Literatur, Märchen, wurden thematisch unter die Lupe genommen.

Mit all diesen Themen-Auseinandersetzungen eines persönlich ausgesuchten Stoffes zeigten die Maturandinnen und Maturanden ihre Fähigkeiten, sich wissenschaftlich mit einem Thema auseinanderzusetzen, es zu hinterfragen – ein Vorgeschmack für die Arbeit an der Hochschule.

Schiessen oder Schiessen
«Schiessen ist nicht gleich Schiessen», sagt Alexander Kekkas und stellt in seinem Referat fest, dass verschiedene Faktoren wie die Schussabgabe, die Liegeposition, das Visier, die Kornausrichtung, aber auch der menschliche Puls den Schiesserfolg beeinflussen können. Diese Faktoren hat er anhand einer Gruppe von Schützen getestet und ausgewertet. Für den Laien verblüffend ist dabei wohl die menschliche Komponente – der Puls. Kekkas begeisterte mit seiner kurzweiligen Präsentation tatsächlich auch ein Publikum, das wenig oder nichts vom Schiessen versteht.

Die Frau im Märchen
Jasmin Schwenter beschäftigte sich mit der Rolle der Frau um 1800, dargestellt in drei verschiedenen Märchen. Als Vorlage dienten «Hänsel und Gretel», «La belle et la bête» und «Jack and the beanstalk» – also Märchen in drei Sprachen und Kulturen. Die wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus Schwenters Untersuchungen ergaben, waren allgemeiner Natur, dass die Protagonisten meist gegensätzlich dargestellt werden, zum Beispiel Hänsel draufgängerisch, Gretel scheu (im Laufe der Geschichte dann umgekehrt), der Ort meist neutral (Wald, Gebirge …) genannt wird, der Märchenbeginn stets «es war einmal» lautet, es sich bei anderen Gestalten um übernatürliche Wesen (Hexen, Riesen, Tiere …) handelt und das Ende der Geschichte meist belehrend ist, wo das Gute das Böse besiegt. Speziell zur Rolle der Frau kam Jasmin Schwenter zum Schluss, dass die Frauen wohl aufgrund des schlechten Standes in der damaligen Zeit (zum Beispiel Hexenverfolgungen) im Märchen meist ängstlich, hilflos und krank, aber auch hilfsbereit, gutmütig, tugendhaft dastehen.

Licht und Schatten
Eine selber verfasste Parabel «Licht und Schatten» von Sarah Tschanz berichtet von einer spannenden, mystischen Kriegsgeschichte zwischen Licht und Dunkelheit. Sie handelt von normalen Menschen und Göttern mit magischen Fähigkeiten. Dabei steht das Licht für Liebe und Vertrauen und die Dunkelheit für Angst und Zerstörung. Doch in ihrer Geschichte verhält es sich umgekehrt. Der Lichtgott Deudiel, der Entführer seiner Tochter Marana, die er mit einer Göttin der Dunkelheit gezeugt hat, stellt sich als bös und schlecht heraus. Baya, die Zwillingsschwester, auf der Suche nach der verschleppten Schwester, reist durch viele mystische und unheimliche Landschaften, macht viele Reifeprozesse durch und erfährt schliesslich: «Ihr seid die einzigen Göttinnen, welche einen Gott des Lichts als Vater und eine Göttin der Dunkelheit habt. Das hat es noch nie gegeben.» Der Vater Deudiel dachte wohl, dass seine Töchter eine extreme Macht besässen und wollte diese offenbar für sich nutzen … So kam es, dass Baya durch die Befreiung ihrer Schwester Marana einen Sieg über die Götter der Dunkelheit verhindern konnte. Das Bestechende an der Geschichte ist wohl die Umkehrung von Licht und Schatten – gut und bös. Sarah Tschanz bedient sich dabei einer blumigen, wortgewandten Sprache und bringt mit ihren Stimmungsbildern Spannung in die fantastische Geschichte. In der Publikumsumfrage gibt sie am Schluss Tipps zum Schreiben preis: «Man darf vor allem nie aufgeben. Öffnet euch gegenüber andern Menschen und versinkt nicht in Scham, sie würden es schlecht finden. Einfach schreiben, keine Angst haben.»


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