Nichts für schwache Nerven

  22.01.2019 Gstaad, Kultur, Kirche

Die Vorpremiere von «Zwingli – der Film» lockte Geschichts- wie Religionsinteressierte ins Kino Gstaad. Hauptdarsteller Max Simonischek und Produzentin Anne Walser standen Red und Antwort.

BLANCA BURRI
Vor 500 Jahren gab es in der Schweiz deutlich rauere Sitten als heute. Die Todesstrafe war gang und gäbe und wird im Film «Zwingli» zweimal bildlich dargestellt. Nichts für schwache Nerven also, ausser man kneift die Augen zu und drückt sich die Finger auf die Ohren. Die Todesstrafen sind im Film keineswegs zentral, es geht eigentlich darum, dass Zwingli das Bild von Gott neu definiert hat. Es geht um Liebe, um Schicksalsschläge und darum, einen neuen Weg einzuschlagen.

Zwingli predigte auf Deutsch
Der junge katholische Priester Ulrich Zwingli kam 1519 nach Zürich, um als Priester im Grossmünster zu wirken. Bereits während dem Studium, wie auch bei seinen ersten Anstellungen merkte er, dass er nicht hinter den Missständen der katholischen Kirche stehen konnte. Deshalb predigte er in Zürich von Beginn weg auf Deutsch statt auf Lateinisch, sodass ihn das Volk verstehen konnte. Neu für die katholische Kirche war, dass er Gott barmherzig und liebend darstellte. Das gefiel natürlich nicht allen, denn viele hatten aus den Ablassbriefen viel Geld geschlagen. Der Stadtrat sah seinen Vorteil in der Veränderung der Kirche und stand deshalb hinter Zwingli. Genau deshalb gelang es dem cleveren Strategen, die Reformation in Zürich durchzuführen. Zwei seiner Weggefährten, die die schützenden Stadtmauern verlassen hatten, mussten ihr Leben lassen, weil sie der Ketzerei schuldig gesprochen wurden.

Zwingli ging es in der Reformation nicht nur darum, die Bibel auf Deutsch zu übersetzen und zu predigen, sondern auch darum, sich um die Armen und Kranken zu kümmern. Das begründete den Ursprung von sozialen Institutionen in der Limmatstadt. Er selbst liess sein Leben in einem Glaubenskrieg: Während der Schlacht bei Kappelen wurde er getötet, anschliessend viergeteilt und die Asche im Wind verstreut.

Vereinfacht aber gut
Wer Zwinglis Reformation in- und auswendig kennt, wird vom Spielfilm wahrscheinlich enttäuscht sein. Die Gegebenheiten, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben, werden vereinfacht dargestellt. Für Leute, die sich in die damalige Zeit einen Einblick verschaffen wollen, ist er aber ideal. Der Regisseur Stefan Haupt erzählt eine faszinierende Geschichte, die Einblick ins Leben und Wirken des Zürcher Reformators gibt. Darin spielen Liebe und Freundschaft eine tragende Rolle.

Im Grossmünster gedreht
Fünf Jahre Arbeit stecken hinter der Schweizer Produktion. «Damit die Filmaufnahmen im Grossmünster gemacht werden konnten, brauchte es zwei Jahre Verhandlungen», erklärte Produzentin Anne Walser, welche gemeinsam mit Max Simonischek am Donnerstagabend zur Vorpremiere nach Gstaad reiste. Es sei ganz besonders gewesen, das Grossmünster in den Originalzustand von vor der Reformation zu versetzen. Dazu wurden viele Heiligenbilder aufgehängt und Altäre aufgestellt. Die Aussenszenen wurden hingegen in Stein am Rhein gedreht. «Die Einheimischen sind uns noch immer ein bisschen böse, dass wir aus dem Rhein die Limmat gemacht haben», verriet Anne Walser.

Nicht reformiert
Hauptdarsteller Max Simonischek ist in Deutschland aufgewachsen. «Wenn überhaupt, so wurde ich mit Martin Luther sozialisiert», beantwortete er eine entsprechende Frage. Weil von Zwingli heute ein eher negativ geprägtes Bild gezeichnet werde, sehe er es als grossen Vorteil, dass er so unvoreingenommen an die Rolle herangegangen sei. «Zwingli wird als lustfeindlich, arbeitsbeflissen und puritanisch beschrieben», erklärt Simonischek. Das stimme aber nicht unbedingt, was Recherchen gezeigt hätten. «Zwingli spielte zwölf Instrumente, er hatte Kinder – auch uneheliche – und er hat mit seinem Freund gerne getrunken.» Diese Differenz sei eine Einladung für ihn gewesen, das Bild über Zwingli zu reformieren.

Toll für Gstaad
«Es freut mich ausserordentlich, dass der Hauptdarsteller Max Simonischek und Anne Walser den Weg durch den Schneesturm nach Gstaad gefunden haben», strahlte Kinobetreiber Hansjörg Beck, dem es immer wieder gelingt, Vorpremieren und andere spezielle Veranstaltungen nach Gstaad zu holen.

Im bunt gemischten Publikum sassen viele Jugendliche, die sich den Film in Begleitung von Lehrern und Katecheten zu Gemüte führten. Es waren auch einige Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskrichen sowie Mitglieder von Freikirchen anwesend.


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