Fest im Sattel mit dem «Anzeiger von Saanen»

  24.05.2019 Gstaad, Saanenland, Event, Internes

Die Leserreise des «Anzeigers von Saanen», ausgeschrieben als Velowoche, fand grossen Anklang: Insgesamt umfasste die Reisegruppe 54 Personen. Ziel der Reise war das Städtchen Fontvieille in der Provence. Von hier aus starteten wir täglich zu einer je nach Gusto gemütlichen oder sportlichen Velotour, die Fussgänger zu Ausflügen.

ANITA MOSER
54 Teilnehmende, 43 Fahrräder, zwischen 260 und 450 gefahrene Kilometer, Tausende von Schritten und unzählige Treppenstufen: Zum ersten Mal führte der «Anzeiger von Saanen» eine einwöchige Leserreise durch – mit Erfolg. Die Verantwortlichen – allen voran Robert Schneiter und Eliane Behrend – haben die als Velowoche ausgeschriebene Leserreise hervorragend organisiert. Die Woche verlief unfallfrei und abgesehen von kleinen Pannen wie liegen gelassenen Rucksäcken, Schlüsselbund oder Portemonnaie auch pannenfrei. Aber – und das ist keine Selbstverständlichkeit – nichts wurde gestohlen, alle Gegenstände wurden wiedergefunden oder durch Drittpersonen abgegeben.

Gegen den Wind
Homebase für die 54 Mitreisenden (inkl. Chauffeure und Begleitpersonen) war das Städtchen Fontvieille in der Provence. Empfangen wurden wir am Muttertagabend stürmisch. Der Mistral blies mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 45 km/h – für Velofahrende hilfreich, wenn man ihn im Rücken hat, aber eher hinderlich als Gegenwind. Im Laufe der Woche legte sich der Wind und es herrschten – mit Ausnahme vom Freitag – ideale äussere Bedingungen.

Gemütlich und sportlich
Jeden Morgen wurden wir von Andreas von Grünigen und Toni Welten mit dem Car und dem Minibus zum jeweiligen Ausgangspunkt gefahren. Die Teilnehmenden konnten sich jeweils am Vorabend für eine Variante entscheiden: gemütlich oder sportlich, ohne Velo, geführt oder frei. Wer sich für die gemütliche Tour entschied, vor dem lagen zwischen 35 und 55 Kilometer, die «Sportlichen» hatten inklusive Zusatzschlaufen zwischen 70 und 85 Kilometern zu fahren. Ab und zu lief – respektive radelte – man sich über den Weg, am Ende der Etappe traf sich die ganze Reisegruppe wieder beim Car. Dann hiess es wieder die Velos in die Anhänger verladen und zurück zum Hotel fahren. Geführt wurden die Touren von Robert Schneiter, Hans-Jörg Zahnd und Eliane und Thomas Behrend. Letzterer half Andreas von Grünigen auch beim Verladen der Velos – was jeweils eine gute Stunde dauerte.

Abwechslungsreich und interessant
Die Tagestouren boten viel Abwechslung. Die erste Etappe führte von Cavaillon via Le Luberon, Pont Julien nach Roussillon. Es sei die wohl härteste Etappe der Woche – mit mehreren kleineren «flachen» Steigungen , erwähnte Tourenbegleiter Robert Schneiter vor dem Start und ergänzte aufmunternd: «Wenn ihr diese Etappe schafft, habt ihr mit den anderen kein Problem …» Start am Dienstag war die Chapelle St-Sixte, weiter ging es via Les Alpilles, Mausanne-les-Alpilles nach Arles. Es blieb nach Ankunft noch genügend Zeit für einen Rundgang durch die Stadt mit den vielen Sehenswürdigkeiten. Arles war auch Ausgangspunkt für die dritte Etappe. Diese Flachetappe führte – bei viel Rückenwind – durch die Camargue nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Unterwegs konnte man die berühmten weissen Camargue-Pferde bewundern oder Kolonien von Flamingos beobachten. Der grösste Teil der Camargue wird landwirtschaftlich genutzt zum Gemüse-, Obst- und Reisanbau sowie zur Viehzucht. Und Saintes-Maries-de-la-Mer ist ein internationaler Wallfahrtsort und gilt als heimliche Hauptstadt der Camargue.

Auf dem Dach der Provence
Eine gemütliche Tour mit einer sehr langen Abfahrt erwartete uns am Donnerstag: von Le Chalet Reynard der Gorges de la Nesque entlang nach Mormoiron – und mit dem Mont Ventoux als ganz spezielles Gipfelerlebnis. Der Mont Ventoux, 1902 Meter über Meer, ist ein Berg mit Radsportgeschichte und bietet einen einmaligen Ausblick über die Vaucluse. Warm eingepackt und in zum Teil hohem Tempo gings hinunter ins Tal und der Gorges de la Nesque entlang, einer bis zu 400 Meter tiefen, eindrücklichen Schlucht im südfranzösischen Departement Vaucluse, nach Mormoiron. Die Etappe vom Freitag – es nieselte und war empfindlich kälter – führte von Gordes via l\\'Isle-surla-Sorgue, einem kleinen, grünen Paradies mit vielen Seitenarmen der Sorgue, in der sich noch ihre alten Schaufelrä- der drehen, zur Grotte de Thouzon. Diese wurde 1902 bei der Bewirtschaftung eines Steinbruchs entdeckt und ist dank sofortiger Massnahmen intakt geblieben. Sie ist die einzige natürliche Grotte in der Provence.

Der Start zur letzten Etappe war direkt vor dem Hotel und führte ins schöne und sehenswerte Städtchen Les Baux-de-Provence und St-Rémy-de-Provence – zum Teil über schöne Radwege, was selten ist in der Provence – zurück nach Fontvieille.

Unterwegs mit dem Kleinbus und per pedes
Auch die Fussgänger unter den Mitreisenden kamen in dieser Woche nicht zu kurz. Brigitte Zahnd hatte ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt: unter anderem einen Besuch im Lavendelmuseum samt Destillerie in Coustellet oder in Arles die Besichtigung des Amphitheaters, des antiken Theaters und der Benediktinerkirche St-Trophim. Ein Ausflug hatte die Salzgewinnung in Salin-de-Giraud zum Thema, inklusive einer Wanderung auf einen Salzberg, eines Spaziergangs auf den Dünen sowie eines Mittagessens bei Reihern und Enten. In L’Isle-sur-la-Sorgue konnte man über den grossen Markt schlendern und in Gordes einen Rundgang durch die schönen, oft steilen Gässli sowie die etlichen Aussichtspunkte auf den kleinen und grossen Luberon mit dem riesigen grünen Plateau davor geniessen. Ziel am Freitag war ebenfalls die Grotte de Thouzon samt Besichtigung zusammen mit den «Fahrenden». Einen grandiosen Ausblick bis nach Süden in die Camargue hatte man von der Felsenkuppel in Mausanne. Mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten definitiv eine Reise wert ist das Städtchen Les-Baux-de-Provence, ebenso der historische Stadtkern von St-Rémy-de-Provence. Sehenswert sind auch die antiken römischen Wasserleitungen und die vier alten Mühlen im Städtchen Fontvieille.

«Wie viel Hüseli hesch brucht?»
Die meisten Teilnehmer waren mit dem E-Bike unterwegs und so hörte man dann und wann: «Wie viel Hüseli hesch brucht?», andere verkündeten nicht ohne Stolz: «Ich ha nume eis Hüseli brucht!» Hand aufs Herz: Auch wenn man mit wenigen bis keinen sportlichen Ambitionen angereist war, ein bisschen Ehrgeiz darf sein. Meiner bestand darin, mit möglichst wenig Akkuschub auf den Mont Ventoux zu kommen. Was mich – offensichtlich ob meinem Keuchen – einen Rennradfahrer fast mitleidig fragen liess, ob denn der Akku nicht mehr funktioniere … Andere hatten das Ziel, möglichst schnell den Gipfel zu erreichen und wieder andere traten in Tour-de-France-Manier mit reiner Beinkraft in die Pedale – chapeau!

Lockere bis ausgelassene Stimmung
Es war eine sehr schöne Woche, es wurde nicht nur Sport getrieben, sondern auch viel gelacht und geschmunzelt, die Erinnerungen werden noch lange nachhallen. Erinnerungen an die Weite der Provence, an die Lavendel-, Reisund Mohnfelder, an die Reben und Kirschbäume, an die vielen schönen Erlebnisse und Begegnungen und an die Worte des Tages von Robert Schneiter zu PROVENCE (P wie Prioritäten, R wie Religion, O wie Ordnung, V wie Vertrauen, E wie Erinnerung, N wie Neid, C wie Chance, E wie Engagement). Unbeantwortet bleibt eigentlich nur die Frage des «Damenklubs» (unter Insidern auch bekannt als Kukidentklub …), ob es sich bei den aus dem Car gesichteten Setzlingen um «Grüppeni» (Buschbohnen für jene, die wie ich des Saaner Dialekts nicht ganz mächtig sind), Kartoffeln oder vielleicht doch um Sonnenblumen handle. Je nach Vegetationsstand liesse sich diese Frage heute beantworten …

Im Namen der Reisegruppe ein herzliches Dankeschön dem Organisationsund Begleitteam mit Robert Schneiter, Eliane und Thomas Behrend, Brigitte und Hans-Jörg Zahnd, Andreas von Grünigen sowie Toni und Agnes Welten.
Weitere Bilder auf den Seiten 10/11


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