Blumenbouquets auf vergilbten Notariatsurkunden

  08.01.2021 Kultur, Kunst, Nachbarschaft

Gleich dreimal vertreten mit seinen Scherenschnitten ist Pierre-André Jaggi dieses Jahr in Château-dOex. Der Künstler mit Gsteiger Wurzeln nutzt ganz besondere Hintergründe für seine Scherenschnitte: Schriftstücke aus den beiden vergangenen Jahrhunderten.

SONJA WOLF
Es fing alles an seinem 60. Geburtstag an. «Ich bekam ein sehr persönliches Geschenk von meiner Familie überreicht: einen Scherenschnitt, der unser Haus und unseren Garten darstellt, liebevoll ausgeführt von Doris Henchoz aus L’Etivaz», erinnert sich Pierre-André Jaggi. Das gefiel und imponierte ihm gleichzeitig. Er begann, das Museum in Château-d’Oex häufiger zu besuchen und auch dort war er von den Scherenschnitten fasziniert. Und so fing er 2018 an, selbst Motive zu schneiden. Besonders Blumensträusse haben es ihm angetan, aber auch andere traditionelle Motive wie Schwinger oder die Tiere der Bergwelt mischen sich in seine schwarz und farbig gestalteten Werke.

Originelle Hintergründe
Diese kombiniert der Künstler, der seine Werke mit dem Pseudonym «Germinal» signiert, dann oftmals harmonisch mit alten handgeschriebenen Schriftstücken als Hintergrund. Material hat er mehr als genug, arbeitete er doch nach seiner Karriere als Innendekorateur noch einige Jahre auf der Brocante, wo er regelmässig auf Geschäftsbriefe, notarielle Urkunden und andere offizielle Dokumente stiess – teilweise mit Kantonsstempel und auf wertigem Papier.

Ausstellungsdebüt
Seine Werke hat Jaggi bereits 2019, ein Jahr nach seinem künstlerischen Schaffensstart, im Rahmen eines Scherenschnittwochenendes in Châteaud’Oex ausstellen können. Aber im Moment läuft seine erste nur ihm gewidmete Ausstellung. Zu bewundern sind seine Werke bereits seit November und noch bis Mitte dieses Monats in Barbara von Orellis «Mon Jardin Secret» in Château-d’Oex. «Wunderschöne Rahmen», kommentiert Ausstellerin von Orelli. «Er sucht sie selbst aus und rahmt nicht einfach das fertige Werk ein. Nein, oft steht erst der Rahmen fest und er komponiert das passende Werk hinein.» Zeitgleich ist Jaggi vertreten in der Ausstellung «Le Grand des Marques», einem Rundgang in Château-d’Oex, der noch bis zum Frühling 27 grossformatige Scherenschnittreproduktionen an verschiedenen Stationen im Ort zeigt. Und ein weiteres Mal wird er zu sehen sein an der fünften Ausgabe der Scherenschnitttage in Château-d’Oex, welche coronabedingt vom Juli 2020 auf Juli 2021 verschoben werden mussten. «Als Neuling in dieser Kunstrichtung bin ich sehr zufrieden mit diesen verschiedenen Chancen, die sich mir bieten, und dem Interesse des Publikums», zeigt sich Jaggi dankbar.

Im Saanenland verwurzelt
Wird der frischgebackene Künstler auch einmal im Saanenland ausstellen? «Mein Grossvater Gottfried Jaggi ist von Gsteig», erzählt der 67-Jährige. «Er ist damals von Gsteig nach Morges gegangen, hat dort auf einem Bauernhof gearbeitet und meine Grossmutter kennengelernt, die aus dem Waadtländer Jura stammt.» Im Jura hat sich die Familie dann niedergelassen, wo auch Jaggi geboren und wohnhaft ist. Aber er kommt mit seiner Frau jede Woche ins Pays-d\\'Enhaut, wo ihre Tochter lebt. Dabei besucht er auch gerne das Saanenland. «Es reizt mich schon sehr, auch hier einmal auszustellen, wo ich meine Wurzeln habe», plant Jaggi für die Zukunft.


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