Fast wie im richtigen Konzert

  05.02.2021 Musik, Kultur, Konzert

Nach all den kulturellen Absagen und künstlerischen Entbehrungen der letzten Zeit versammelte sich am Dienstagabend eine erwartungsvolle Fangemeinde vor ihren Computer-, Laptop- oder Handy-Bildschirmen, um das gestreamte Premierenkonzert der Sommets Musicaux zu verfolgen.

SONJA WOLF
Dienstagabend, 19.28 Uhr. Fast ein bisschen ehrfürchtig sitze ich vor meinem Laptop. Zwar auf der heimischen Couch in Freizeitkleidung, doch erwartungsvoll und leicht feierlich gestimmt wie vor einem «richtigen» Sommet-Musicaux-Konzert in der Kirche von Saanen. Mit mir warten – zweifelsohne ebenso gespannt – bereits 443 andere Fans der klassischen Musik. Ein Countdown flimmert über den Bildschirm und … «cest parti»!

Absolut live dabei
Diesen ersten gestreamten Liveabend bestreiten die Pianistin und langjährige Festivalstütze Martha Argerich und der Geiger und künstlerische Direktor der Sommets, Renaud Capuçon. Sie spielen vor leeren Kirchbänken, aber dennoch wundervoll engagiert und hingebungsvoll Beethovens «Kreutzersonate» und anschliessend die Sonate für Violine und Klavier von Caesar Franck. Der absolute Livecharakter wird noch deutlicher, als Martha Argerich mit dem Beginn des zweiten aufgeführten Stückes nicht ganz zufrieden ist und Capu- çon bittet, noch einmal anzufangen. Das wirkt absolut natürlich, das virtuelle Publikum ist an vorderster Front dabei. Im Laufe der Übertragung schalten sich immer mehr Internauten dazu, der erste von insgesamt fünf Konzertabenden endet mit über tausend Zuschauern.

Mein persönliches Résumé ist durchaus positiv: Zwar fehlen mir ein wenig das Flair der Kirche, die physische Präsenz der Künstler und sogar die der anderen Zuschauer, doch in der augenblicklichen Restriktionszeit kommt dieser gestreamte Liveevent dem realen Konzertgenuss doch relativ nahe.

Erstes Streaming geglückt
Auch Ombretta Ravessoud, die Direktorin und Mitbegründerin der Sommets Musicaux, freut sich über den gelungenen Einstieg in die Streaming-Konzerte: «Wir sind sehr zufrieden!» In den Jahren zuvor seien zwar auch einige Konzerte gefilmt und später auf das Sommets-Musicaux-Portal hochgeladen worden, aber ein Livestreaming in dieser Form sei eine Neuheit. «Wir freuen uns, dass eine beachtliche Gruppe von Menschen kurz vor 19.30 Uhr schon ungeduldig wartet und die Konzerte live verfolgt», bestätigt sie auf Nachfrage.

Alles für die Kunst
Ein Livestreaming ist natürlich teuer, aber Ravessoud ist dankbar über die finanzielle Unterstützung des Kantons Bern, der Gemeinde Saanen, der Sponsoren, Mäzene und vieler anderer Kunstaffiner. Auch die Künstler seien zufrieden gewesen, überhaupt auftreten zu dürfen und hätten auf einen Teil der Gage verzichtet. «Natürlich können wir noch nicht genau sagen, wie die Endabrechnung aussieht. Wir mussten von unseren ursprünglichen Budgetplanungen ja sehr spontan abweichen», gibt Ravessoud zu bedenken. Denn mit dem Bundesratsentscheid vom 13. Januar wurde erst sehr kurz vor dem Start der Sommets Musicaux klar, dass die Konzerte nicht mit Publikum in der Kirche stattfinden konnten.

Genau genommene Umsetzung
Die Fünfpersonenregel haben die Organisatoren übrigens sehr ernst genommen. Während den Konzerten sind jeweils nur die Künstler, die Umblätternden und jeweils ein technischer Leiter für das Streaming anwesend. Der Rest des Technikteams befindet sich in der Kapelle neben der Kirche mit der ganzen Ausrüstung.

Kleiner Vorgeschmack
Einen kleinen Vorgeschmack auf das gestrige Konzert mit der Violonistin Kim Bomsori und dem Pianisten Jean-Paul Gasparian wurde dieser Zeitung übrigens auch gewährt. Allerdings gab es auch hier wegen der Fünfpersonenregel kein genussvolles Anhören des ganzen Konzertes, aber immerhin ein kleines Fotoshooting vor der Generalprobe. Ausführliche Live-Konzertberichte sind dann hoffentlich wieder ab der nächsten Ausgabe der Sommets Musicaux möglich. Bis dahin kann sich die Klassik-Fangemeinde immerhin am Fast-Konzert-Gefühl im Internet erfreuen.

https://www.sommets-musicaux.com


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