Einer von vielen – der «Chüejer» Fritz Schopfer

  31.08.2021 Landwirtschaft, Brauchtum, Saanenland, Region

2020 wurde Fritz Schopfer vom Verein Alpwirtschaft Bern für 50 Jahre treue Alpdienste geehrt. Seine Tochter Esther konnte eine Urkunde für 25 Jahre entgegennehmen.

VRENI MÜLLENER
Angefangen hat die Alpkarriere von Fritz Schopfer im Grischbachtal, auf der Alp Merzeires. Dort war er bereits als Jugendlicher mit seinem zehn Jahre älteren Kollegen Edouard Rubin «zBärg» und lernte das Handwerk des Kühern und Käsens in einfachsten Verhältnissen von Grund auf kennen .1980 übernahm er mit seiner Frau Beatrice die Hirtschaft auf der Burg und der Walliser Wispile, nachdem er vorher im oberen Grunholz ein paar Sommer verbracht hatte. Später konnte das junge Ehepaar seine Anstellung in eine Pacht umwandeln. «Das ist bis heute so geblieben», erklärt der Älpler zufrieden. Einen Vertrag mit dem Verpächter oder sonst etwas Schriftliches hatten Schopfers nie in der Hand, es gilt nach wie vor das abgemachte Wort. Seither bewirtschaften Beatrice und Fritz Schopfer 36 Kuhrechte «ds Längzyt», das heisst während zirka 120 Tagen.

Der Bergsommer beginnt nicht erst mit der Alpauffahrt
Jeden Frühling, wenn Fritz Schopfer allein oder mit Hilfskräften hinaufzieht, um «seine Wispile» für die Sömmerung herzurichten, ist er fasziniert vom Erwachen der Natur, vor allem in höheren Lagen. Die Blütenpracht, die wilden Tiere, selbst die nahe gelegenen Felswände ziehen den Naturmenschen in ihren Bann. «In den Bergen bin ich geboren, so bin ich aufgewachsen. Es ist, als ob mich ein anderer drängen würde, der zu mir sagt: ‹Es ist wieder Zeit zu gehen!›» Bis heute konnte ihn niemand davon abhalten, «Chüejer» zu sein. Nach und nach kamen vier Töchter zur Familie, das Ehepaar nahm drei von ihnen im zarten Alter von vier Monaten mit in die einfachen Berghütten, die Zweitjüngste war sogar nur vier Tage alt. Dies bewirkte, dass ein batteriebetriebenes Rührwerk angeschafft wurde. Diese Arbeitserleichterung hat der Alpkäser nie bereut, obwohl er immer sehr gerne am Kessi stand und mit dem Brecher rührte. «Dies ermöglicht mir in dieser Zeit, Arbeiten zu erledigen, die ich nicht machen könnte, wenn ich wie früher knapp zwei Stunden am Kessi stehen würde.»

Früher und heute
Ein einfacher Zügelweg führte anfänglich vom Innergsteig auf die Burg (das untere Stafel der Sömmerung) und weiter auf die «Wallisere». Ein Pferdegespann oder bei trockenem Wetter eine Einachsmaschine mit Zapfwellenanhänger waren die möglichen Transportmittel. Heute führt ein bequemer Fahrweg auf die «Vorderi» und «Hinderi» Wispile und vereinfacht den Bewirtschaftern das Leben.

Ein Telefonkabel wurde erst mit den Jahren hinaufgezogen und für alle Bewohner der vielen Walliserhüttlein gab es nur einen Anschluss – im Handyzeitalter kaum vorstellbar! Telefonate wurden mehr oder weniger genau ausgerichtet – vor allem wenn es zutraf, dass der Telefonist die Saanermundart nicht verstand. Später war der Anschluss bei Schopfers installiert, die, wenn nötig, auch französische Anrufe entgegennehmen konnten. Die Produktion von Berner Alpkäse ist die Haupttätigkeit in Schopfers Küherei. Früher fabrizierte der Senn anschliessend ans Käsen noch Ziger und konnte diesen jahrelang sehr gut vermarkten. Als vor vielen Jahren der Butterpreis zusammenbrach, kreierte das Ehepaar Schopfer das «Wispilegschlaber», einen naturreinen Brotaufstrich aus «Gebsenidle» mit Caramelgeschmack.

Als Eltern, Schwiegereltern und alte Freunde noch zum Helfen kamen, nahm man sich die Zeit, den Kuhmist in exakten Reihen auf Häufchen zu verteilen. Heute geht es mit dem Miststreuer wesentlich bequemer, obwohl Schopfer überzeugt ist, dass «Mischthüfle» in dieser Höhenlage immer noch gut wäre. In seinen besten Jahren machte Fritz viel Ritzheu, das in jüngerer Zeit sogar mit dem Helikopter ins Tal geflogen wurde. Auf den weiten Weiden hatte es genügend feuchte Flächen, um die Streue für den ganzen Sommer zu gewinnen.

Freude und Sorgen
Das Grosselternpaar freut sich, dass ihre Töchter und jetzt auch deren Kinder gerne auf der Walliser Wispile waren und immer noch kommen, um mit anzupacken. Diese Unterstützung macht es möglich, den Betrieb auch im Rentenalter wie gewohnt zu bewirtschaften. Da Beatrice Schopfer ihre Arbeitsstelle im Tal während dem ganzen Jahr innehat, ist auf dem Alpbetrieb ein Mann mit einem 60-Prozent-Pensum beschäftigt. Wenn Not an der Frau ist, kann Fritz dennoch auf die Mithilfe seiner Frau zählen.

Wie überall im Leben prägten freudige und traurige Erlebnisse die vielen Jahre. Nebst den Wetterkapriolen, Schnee, Hagel und Windstürmen überschatteten Unfälle, zum Teil mit Todesfolge, das idyllische Alpleben. Auch mit den eigenen und den ihr anvertrauten Tieren erlebte Familie Schopfer viel «Gfreuts», es kamen aber auch Unfälle und Rückschläge dazu.

Früher bewirtschaftete der Bergbauer einen typischen Vierstufenbetrieb in der Gemeinde Gsteig und hielt den Winter hindurch zehn Kühe. Aus gesundheitlichen Gründen hat er den Talbetrieb aufgegeben. Daher sind 17 der 18 Kühe, die im Sommer bei ihm im Stall stehen, von anderen Bauern zur Sömmerung angenommen. Sein Stolz sind seine Simmentalerkuh Kiwana und deren Tochter Kander, ein trächtiges Rind, sowie drei Kälber.

Ein Blick in die Zukunft
Fritz bereut nicht, wie er die über fünfzig Sommer verbracht hat. «Ich würde das Meiste wieder gleich machen», resümiert der Mann, der bekannt ist für seine Erscheinung mit dem langen Vollbart. Wie es weitergeht, weiss er noch nicht. Falls der Vollblutälpler einmal nicht mehr «zBärg» gehen könnte, würde es ihn freuen, andere Alpbetriebe zu besuchen und zuzuschauen, wie es Berufskollegen machen. Dass absehbar ist, dass sein Werk nicht weitergehen wird wie bisher, stimmt den Bergbauern nachdenklich. «Es wird mich schmerzen, wenn es einmal so weit ist, dass ich mich von meiner letzten Kuh trennen muss.» Seine Hoffnung ist, eine stabile Gesundheit zu haben, damit es noch ein paar Jahre so weitergehen kann.


WALLISER WISPILE

Die Walliser Wispile ist eine weitläufige Alp, aufgeteilt in die «Hinderi» und «Vorderi» Wispile. Hier sömmerten Walliser aus dem kleinen Dorf Savièse bei Sitten früher ihr Vieh, vereinzelt tun sie es heute noch. Über den Sanetschpass trieben sie ihre Eringerkühe in langen Reihen vor sich her, acht strenge Stunden zu Fuss. Die stämmigen Kühe meisterten den steinigen Weg mit sturer Ausdauer. Begleitet wurden sie nicht von ihren Bauern, sondern meist von dessen Frauen und Kindern. Die Väter arbeiteten in den Weinbergen und produzierten den süffigen Savièser Wein. Wie die Walliser ins Saanenland gelangt sind, ist historisch nicht belegt. Dazu gibt es mehrere Erklärungen.

Lange Zeit lebten Gsteiger und Savièser Bauern auf der Walliser Wispile friedlich nebeneinander. Mehr und mehr konzentrierten sich die Savièser in den 1960er-Jahren dann aber aufs Keltern. Sie verpachteten ihre Alpen und gaben ihre Kühe im Sommer den Pächtern in Obhut. Heute ist es nur noch ein Walliser Bauer, dessen Tiere auf der Wispile grasen. Dennoch ist das Land immer noch fest in der Hand der Walliser. Viele Landbesitzer teilen die sogenannten Kuhrechte unter sich auf und legen fest, ob der Besitzer eine Alphütte bauen und wie viele Kühe er halten darf – obwohl die wenigsten der heutigen Besitzer noch Kühe halten. Zumeist brauchen sie die Alphütten als Ferienhäuser. Immer noch aber herrschen strenge Regeln, was den Besitz angeht: Das Land muss an die nächste Generation vererbt werden. Wird es verkauft, dann nicht einfach an irgendjemanden, sondern nur an Bürger der Gemeinde Savièse.

VRENI MÜLLENER

Quelle: Artikel aus «Schweizer Wanderwege»


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