Frühdeutsch geht bald in die zweite Runde

  21.01.2022 Saanenland, Volkswirtschaft, Saanenland, Saanen, Bildung

Behörden versprechen sich vom Frühdeutsch, dass auch die deutschsprachigen Kinder profitieren. «Die Lehrer haben mehr Zeit für alle, wenn sie weniger mit Fremdsprachigen beschäftigt sind», erklärt Projektleiterin Béatrice Baeriswyl. Bei der Evaluation werden alle Eltern angeschrieben – auch die deutschsprachigen.

BLANCA BURRI
Überdurchschnittlich viele Personen der Saaner Wohnbevölkerung sind ausländischer Herkunft, nämlich 35 Prozent. Im Kanton Bern liegt dieser Wert gerade mal bei 16,6 und in der Schweiz bei 25,5 Prozent. Die Kinder von ausländischen Familien beherrschen Deutsch zum Teil nur mangelhaft – zu wenig für die Schule. Um deren Integration zu verbessern und das Schulniveau für alle Kinder zu heben, ist Frühdeutsch für anderssprachige seit vergangenem Sommer obligatorisch.

16 Kinder besuchen das Frühdeutsch
Das Pilotprojekt ist in vollem Gange. 16 fremdsprachige Kinder im Vorschulalter besuchen momentan deutschfördernde Angebote, um beim Kindergarteneintritt im kommenden Sommer fit zu sein. Drei Angebote stehen zur Auswahl: Tageseltern, Spielgruppen und Kitaplätze, wobei Letzteres am gefragtesten ist. «Die meisten Eltern sind berufstätig. Deshalb brauchen sie ganztägige Kinderbetreuungsplätze. Spielgruppenplätze sind bei ihnen weniger beliebt, weil die Betreuungsdauer für sie zu kurz ist», gibt Béatrice Baeriswyl an. Aber auch die Spielgruppen sind ein wichtiger Ort der frühen Deutschförderung. Die Fachleiterin Soziales betont, dass es eine Herausforderung gewesen sei, die erforderliche Anzahl an Förderangeboten zu vermitteln. Gründe sind die latent überbuchten Kitaplätze und ein schwacher Jahrgang, der vergangenes Jahr mit dem Kindergarten begann. «Nur wenige Kinder wechselten im vergangenen August von der Kita in den Kindergarten. Deshalb verstärkte sich die bereits angespannte Lage in der Kinderbetreuung», sagt sie. Langfristig Abhilfe soll das Projekt Haus des Kindes 24/7 unter der Leitung von Christian Gafner, alt Gemeinderat und Präsident Chinderhuus Ebnit, geben. Dieses Haus des Kindes 24/7 ist ein Teilprojekt aus dem Ideenpool «Zukunft Saanen». «Bis das neue Angebot steht, braucht es jedoch etwas Zeit», ergänzt Béatrice Baeriswyl.

Gespräche und Informationen helfen
Grundsätzlich ist Béatrice Baeriswyl mit dem Start der Frühdeutschförderung zufrieden: «Der Austausch mit den anderssprachigen Eltern ist wertvoll. Vielen wird dadurch bewusst, wie wichtig Deutsch für eine erfolgreiche Schullaufbahn ihres Kindes ist.» Zum Teil habe man den Eltern sogar aufzeigen können, dass es auch für sie förderlich wäre, wenn sie besser Deutsch beherrschen würden – so könnten sie die Kinder besser durch die Schulzeit begleiten und sich besser mit der lokalen Bevölkerung unterhalten. Der Fachleiterin schwebt vor, auch für sie ein Förderprogramm zu entwickeln. Aber erst müsse sich Frühdeutsch etablieren, bevor man den Gedanken Taten folgen lasse.

Nächste Umfrage steht an
Anfang Februar werden 60 Familien angeschrieben, deren Kinder im August 2023 den Kindergarten starten. In einem Fragebogen werden sie Informationen über die Deutschkenntnisse ihrer Kinder angeben. Anhand der Antworten beurteilen die Behörden, welche Vorschulkinder ab kommendem Sommer ein Förderprogramm besuchen müssen. «Wir schicken den Fragebogen an alle Eltern, also auch an jene mit einheimischen Namen», betont Baeriswyl und erklärt, dass ein Schweizerdeutscher Name noch lange keine Garantie für die deutsche Muttersprache sei oder ein ausländischer für eine Fremdsprache. «Ich bin einfach sehr dankbar, wenn alle Eltern mithelfen.» Die deutschen Muttersprachler müssen indes nicht alle Fragen, sondern nur fünf beantworten, während die anderen den ganzen Fragebogen – zum Verständnis in der jeweiligen Muttersprache – ausfüllen.

Zuviel Aufmerksamkeit für Ausländer?
Es gibt Stimmen, die sagen, man tue für anderssprachige Familien mehr als für einheimische. Dem widerspricht die Fachleiterin: «Von Frühdeutsch profitieren Einheimische wie Ausländer. Wenn bei Schuleintritt alle Kinder gut deutsch sprechen, muss sich die Lehrperson weniger um die Anderssprachigen kümmern.» Im Umkehrschluss habe sie also mehr Zeit für alle Kinder und als weiterer positiver Effekt steige die Qualität des Unterrichts. Die gemeinsame Sprache fördere die Integration, auch das komme allen zugute, zum Beispiel den späteren Lehrbetrieben. In Zeiten von akutem Fachkräftemangel kommen ihnen Auszubildende mit guten Deutschkenntnissen sehr entgegen.

 


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