Bündner Tourismusstudenten prüfen das Saanenland auf Herz und Nieren

  03.10.2022 Gstaad, Tourismus, Destination

Wo klemmt es bei touristischen Angeboten oder Dienstleistungen im Saanenland? In Zusammenarbeit mit Gstaad Saanenland Tourismus haben sich 15 Studierende der höheren Fachschule Tourismus Graubünden vier Problemstellungen angenommen. Und ihre Zwischenfazite beinhalteten klare Worte.

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«Eines steht fest: So wie bisher kann es nicht weitergehen», sagte die Studentin Daria Stieger der Höheren Fachschule Tourismus (HFT) Graubünden als Einstieg, die sich mit ihrer Gruppe während fünf Tagen mit der «Station» Saanen auseinander gesetzt hatte, um Lösungen für eine bessere Auslastung dieses Familienangebotes zu finden. Drei weitere Gruppen haben sich ebenfalls mit einer bestimmten Problemstellung befasst, die sich alle auf ein touristisches Angebot oder eine Dienstleistung bezogen.

Die 15 Bündner Tourismusstudenten haben sich dieser Aufgaben im Rahmen eines jährlich stattfindenden Intensivseminars angenommen: Ziel ist es, den angehenden Touristikerinnen und Touristikern effektive Werkzeuge in die Hand zu geben. Mittels Analysen, Kreativmethoden und Konzeptausarbeitungen wenden sie das Gelernte in der Praxis an. Dieses Vorgehen soll die Studierenden für die Zukunft rüsten.

Lösungen für die «Station»
Zurück zur «Station», die folgenden Problemen gegenübersteht, wie die Studierenden angaben: zu wenig Frequenzen und dadurch Finanzierungsschwierigkeiten. «Die Umfragen bei den Besuchenden haben ergeben, das besonders die Einheimischen lediglich einmal hingehen und das Angebot nicht mehrmals nutzen», erläuterte die Studentin Daria Stieger. Auf lange Frist schlug das Analyseteam dem tragenden Verein Füür & Flamme Saanenland zwei mögliche Richtungswechsel vor: eine Fusion mit einem Unternehmen, für welches das Indoorangebot eine Ergänzung ihrer eigenen Produkte darstellt. Oder eine komplett neue Positionierung, beispielsweise mit Kinderbetreuung, Trampolinhalle, Kletterwand oder Escape Room. Kurzfristig könne der Verein sogenannte Quick Hits starten – spontane Anlässe und Workshops. Beispiele: ein Public Viewing für die kommende Fussballweltmeisterschaft oder eine Ostereiersuche. Das Fazit der Gruppe: «Es schlummert grosses Potenzial in diesem Angebot und es wartet darauf, dass es entfaltet wird.»

Parahotellerie unterstützen
Zwei andere Studentengruppen haben sich der Optimierung der Social-Media-Kanäle des Golfclubs Gstaad-Saanenland und der bestehenden Alternativangebote der Destination Gstaad angenommen. Eine weitere Gruppe führte eine Bedürfnisabklärung und Professionalisierung der Ferienwohnungsplattform von Gstaad Saanenland Tourismus (GST) durch. Das erste Fazit nach fünf Tagen: Die Website für Vermieter:innen und Mieter:innen sei professionell, jedoch fehle ihr die Reichweite und ein Pauschalangebot. Reichweite in dem Sinne, dass die Website unter den Ferienwohnungsbesitzer:innen zu wenig bekannt sei und sie deshalb eher auf Plattformen wie Airbnb zurückgreifen würden. Dies obwohl das Buchungstool von GST die gleichen Möglichkeiten bieten würden wie flexible und spontane Mietpreisanpassungen durch die Eigentümer. «Die von uns befragten Vermietenden wussten allerdings nicht Bescheid, dass diese Website so viel zu bieten hat. Denn auf der Homepage selbst fehlen diese Angaben», so eine Studentin.

Das Pauschalangebot betreffend sei die Nachfrage nach mehr Dienstleistungen vorhanden. So würden es die Vermieter:innen schätzen, wenn sie über GST nicht nur ihre Wohnungen ausschreiben, sondern auch die Gästebetreuung, die Reinigung und den Wäscheservice dazu buchen könnten.

Die Stundenten beschäftigen sich die nächsten Wochen weiterhin mit ihren Problemstellungen, um Ende November eine Seminararbeit abzuliefern. Die Ergebnisse sollen bis Weihnachten vorliegen.

«Wie ein Blick in den Make-up-Spiegel»
Flurin Riedi, Tourismusdirektor von Gstaad Saanenland Tourismus, fühlte sich zurückversetzt in seine Zeit als Student, als er die HFT in Luzern besuchte. «Es war der Beginn meiner Tourismuskarriere.» Dass die Studentinnen und Studenten klare Worte für gewisse Probleme gebraucht hätten, begrüsse er. «Es ist eine positive Bestätigung der Schwächen, die uns seit geraumer Zeit bewusst sind.» Beispielsweise das All-Inclusive-Angebot für Ferienwohnungsbesitzer: «Wir sind bereits an einer Ausarbeitung der Ferienwohnungsstrategie 3.0», so Riedi. Im Saanenland gebe es mehr Betten in der Parahotellerie als in den Hotels, dieses Potenzial müsse man nutzen.

Auch der Saaner Gemeindepräsident Toni von Grünigen bedankte sich bei den Bündner Studierenden für die gewonnen Erkenntnisse und die Aussensicht auf die Region. «Es war wie ein Blick in diese Make-up-Spiegel, die einem alle Falten und Unebenheiten zeigen», sagte von Grünigen – das Publikum lachte. «Eure Erkenntnisse sind für unsere Region sehr wertvoll. Ich freue mich auf die Ergebnisse.»

Dozent ist zufrieden
Der Dozent Michael Tamas begleitete die Studentengruppe ins Saanenland. Seine Betreuungsaufgaben seien relativ gering, so sei das Ziel des Intensivseminars, dass die Studierenden möglichst selbstständig arbeiteten. Und das habe wunderbar geklappt. «Ich war selbst gespannt auf die Resultate. Sie haben gut gearbeitet, besonders wenn man bedenkt, dass die Studierenden nur fünf Tage vor Ort waren», so Tamas. Das jährliche Intensivseminar sei immer wieder spannend, besonders da es eine Win-win-Situation für die Studenten und die Tourismusdestinationen darstelle. «Zudem ist es ein wichtiger Teil des Studiums. Die Studierenden profitieren von der Praxisnähe.»

 


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