Fasnacht und Fasten, so nah und so verschieden
21.03.2022 Gesellschaft, Kirche, Saanenland, VolkswirtschaftZwischen Fasnacht und Ostern wird oft gefastet. Früher öfters als heute. Am ersten von drei Fastentreffen in der St.-Anna-Kapelle in Saanen erzählte Pfarrer Bruno Bader, weshalb gefastet wird.
BLANCA BURRI
«Aller Anfang ist die Fasnacht, die Zeit der grossen Sünden, wo man alles macht, was man ausserhalb der närrischen Zeit nicht darf. Die Fasnacht beginnt mit dem Schmutzigen Donnerstag, bei dem früher besonders oft «schmutzige» (fette) Speisen auf den Tisch kamen. Die Fasnacht legitimiert Völlerei, Hochmut und Untreue wie auch närrisches Treiben.» So stieg Pfarrer Bruno Bader ins erste von drei Fastentreffen der reformierten Kirchgemeinde Saanen-Gsteig ein. Doch wann beginnt man mit dem Verzicht?
Von einem Extrem ins andere
Direkt nach der gottlosen Zeit, am Aschermittwoch, beginnt die Fastenzeit, in katholischen Gebieten dauert sie oft 40 Tage: eine Zeit der Einkehr, des Reflektierens und des wachen Geistes. Bruno Bader erklärte, wie früher gefastet wurde: «In der Fastenzeit kamen weder Fleisch noch Eier auf den Tisch. Man könnte sagen, die Leute lebten vegan.»
Wie fastet man in der westlichen Konsumgesellschaft? Nur schon die kleine Fastengruppe mit sechs Teilnehmenden zeigte, dass sehr unterschiedlich gefastet wird. Eine Frau verzichtet auf das Frühstück, ihre liebste Mahlzeit, eine andere Teilnehmende auf Schokolade und auf Massenmedien wie «20 Minuten» und «Blick», eine weitere Dame macht eine Saftkur. Bruno Bader verzichtet während der Fastenzeit auf Süssigkeiten: «Obwohl der Verzicht nicht einfach ist, tut er mir gut. Ich fühle mich in dieser Zeit kraftvoller. Nach dem Fasten habe ich dann auch weniger Lust auf Süssigkeiten, aber eben: Im Verlauf der Monate verändert sich das wieder …» Wie so oft an diesem Abend wurde über diese allzu menschliche Unzulänglichkeit herzlich gelacht, vielleicht, weil sich alle darin wiedererkannt haben?
Der Pfarrer findet es schwierig auf verschiedene Dinge gleichzeitig zu verzichten oder allzu streng mit sich selbst zu sein. Das beobachtet er manchmal, wenn Jugendliche fasten: «Sie nehmen sich sehr viel, manchmal zu viel, vor, beispielsweise wollen sie komplett aufs Handy verzichten.»
Fastenbrechen
Die Fastengruppe trifft sich am 31. März und am 14. April wieder, um sich über die Schwierigkeiten und die Erfolge im persönlichen Fasten auszutauschen. Am Ostersonntag, 17. April findet dann ein Osterfrühgottesdienst im Kapälli Gstaad und das gemeinsame Fastenbrechen statt. Am Ende des Abends verteilte Bruno Bader ein Blatt mit zwölf Tipps. Besonders spannend für alle, die in der Fastenzeit Geburtstag haben: «Vermeide Zielkonflikte. So kann der Verzicht auf Kuchen durchaus zum Konflikt mit Geburtstagsfeiern werden.» Da jemand aus der Gruppe just in der Fastenzeit Geburtstag hat und sich für den Verzicht von Süssigkeiten entschieden hat, wurde beim Lesen dieses Tipps wieder herzlich gelacht.