Spital Zweisimmen: Aus verschiedenen Lagern äussert sich Unmut
02.02.2024 Zweisimmen, RegionUnternehmer und ehemalige Politiker sowie die IG Spitalversorgung kritisieren die Spital STS AG. Der Vorwurf: Das Unternehmen arbeite an der Schliessung des Spitals, obwohl noch eine Beschwerde beim Regierungsstatthalter Obersimmental-Saanen hängig sei.
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Unternehmer und ehemalige Politiker sowie die IG Spitalversorgung kritisieren die Spital STS AG. Der Vorwurf: Das Unternehmen arbeite an der Schliessung des Spitals, obwohl noch eine Beschwerde beim Regierungsstatthalter Obersimmental-Saanen hängig sei.
Allen Beteuerungen zum Trotz sei wegen der laufenden Beschwerde gegen das Abstimmungsergebnis in Lauenen über das Projekt der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) mit Akutspital Zweisimmen noch nichts endgültig entschieden. «Solange kein rechtskräftiger Entscheid vorliegt, muss die Spital STS AG (STS) den Betrieb des Akutspitals Zweisimmen aufrechterhalten», so die Forderung des alt Nationalrats Erich von Siebenthal, alt Gemeinde(rats)präsidenten und Gemeinderäten Hanspeter Durand, Hans Grünenwald, Albin Buchs und Vreni Müllener und der Unternehmer Hans Wanzenried, Ruth und Heinz Addor und des Gründungsmitglieds des Geburtshauses Maternité Alpine Ursula Michel, die gemeinsam eine Medienmitteilung publiziert haben.
Unterzeichnende beziehen sich auf Treffen von Spital und Gemeinden
Am 18. Januar 2024 hat die STS Vertreter der Gemeinden des Simmentals und Saanenlands zu einem Treffen eingeladen. «Mit grosser Sorge» hätten sie Kenntnis davon erhalten, «dass die STS zurzeit nicht nur ein Konzept für ein ambulantes Gesundheitszentrum entwickelt, sondern auch an der schnellstmöglichen Schliessung des Spitals Zweisimmen arbeitet», schreiben die Unterzeichnenden. Der demokratische Prozess müsse eingehalten werden. Werde die Beschwerde gutgeheissen, müsse die Abstimmung in Lauenen wiederholt werden. «Es wäre eine Ungeheuerlichkeit und eine politische Bankrotterklärung, wenn die STS die Situation für die Schliessung des Spitals Zweisimmen vor dem Beschwerdeentscheid ausnutzen würde, um im Fall einer Gutheissung der Beschwerde mit der Schaffung von unumkehrbaren Fakten eine Wiederholung der Abstimmung zu verhindern», heisst es weiter.
Unterzeichnende weisen auf gültiges Übereinkommen hin
In einem Übereinkommen haben der Kanton, die STS und die GSS im November 2022 die Modalitäten für die Übernahme des Spitals Zweisimmen und der Bereiche der Alterswohnen STS AG im Simmental und Saanenland besiegelt. Das von der Bergregion Obersimmental-Saanenland mitunterzeichnete Übereinkommen hat die Grundlage für die Urnenabstimmung gebildet und habe deshalb immer noch Gültigkeit, so die Unterzeichnenden.
Die Möglichkeit des Ergreifens von Rechtsmitteln sei Bestandteil unseres demokratischen Systems. Beispielsweise dürfe mit der Ausführung von Bauvorhaben erst begonnen werden, wenn eine Baubewilligung rechtskräftig sei. Wie beim Weiterzug einer Einsprache im Baubewilligungsverfahren habe auch eine Abstimmungsbeschwerde aufschiebende Wirkung. Das heisst, das Abstimmungsresultat sei erst gültig, wenn ein rechtskräftiger Beschwerdeentscheid vorliege. Es komme immer wieder vor, dass Abstimmungen wiederholt werden müssten, wie beispielsweise die Wiederholung der Abstimmung über den Verkauf der Sommerau der Gemeinde Boltigen.
Hier lesen Sie die Stellungnahmen vom Kanton, der Spital STS AG und der Gemeinde Saanen.
«Schlimmste Befürchtungen bestätigen sich»
Die Unterzeichnenden sehen sich in «ihren schlimmsten Befürchtungen» bestätigt, so schreiben sie: «Entgegen den irreführenden Behauptungen der Gegner im Vorfeld der Abstimmung, dass eine Ablehnung der Vorlage nicht zur Schliessung des Spitals Zweisimmen führen würde, möchte die STS diesen Plan durchziehen.» Rechtskräftige Beschlüsse des Stimmvolkes müssten umgesetzt werden. Am 19. November 2023 habe sich an der Urne eine klare Mehrheit des Stimmvolkes der abstimmenden Gemeinden für die Vorlage ausgesprochen. Mindestens dieser Bevölkerungsteil, die meisten Leistungserbringer und viele Zweitheimische und Ferienleute würden erwarten, dass sich alle Gemeinderäte und Grossräte unserer Region umgehend und geschlossen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren würden.
Hausaufgaben machen
Die STS gehört zu 100 Prozent dem Kanton Bern. «Als Alleineigentümer steht der Regierungsrat in der Verantwortung. Der Regierungsrat muss die STS endlich in die Pflicht nehmen, den Betrieb des Spitals Zweisimmen bis mindestens zu einem rechtskräftigen Beschwerdeentscheid weiterzuführen», so die Unterzeichnenden. Zudem müsse im Fall einer Ablehnung der Beschwerde vor der Schliessung des Spitals Zweisimmen zuerst ein mit der Region verhandeltes, neues und ausreichendes Gesundheitsversorgungskonzept vorliegen, so die Forderung. «Eine vorzeitige Schliessung des Spitals Zweisimmen mit fadenscheinigen Argumenten durch die Hintertüre wäre eine krasse Missachtung unseres demokratischen Rechtssystems. Es kann doch nicht sein, dass normale Bürger eine Aufsichtsbeschwerde führen müssen, nur weil Gemeinderäte, die Regierung und der Verwaltungsrat der STS ihre Hausaufgaben nicht machen», so die Unterzeichnenden.
IG Spitalversorgung: «Die Spital STS AG vollzieht eine gesetzeswidrige Spitalschliessung»
Auch die IG Spitalversorgung Simmental/Saanenland hat sich zu Wort gemeldet. Sie schreibt, dass die behördliche Verfügung der Spitalversorgungsnotwendigkeit für Zweisimmen/Frutigen nach wie vor in Kraft sei. «Doch die Spital STS AG ist bereits daran, das Spital Zweisimmen zu schliessen, animiert das Personal sogar zu Kündigungen, obwohl eine Einsprache betreffend der Abstimmung in Lauenen hängig ist», wirft die IG dem Unternehmen vor. Sie bezieht sich auch auf das Treffen vom 18. Januar, den ersten von mehreren geplanten Workshops sowie Informationsveranstaltungen. «Bruno Guggisberg will aber keine Vertreter aus der Region an ihrem STS-Vorgehen mitbestimmen lassen», so die IG. Die vom Volk eingesetzte und seit vier Jahren finanzierte GSS AG, welche von der Spital STS AG «vorsätzlich schachmatt gesetzt» worden sei, sei nicht eingeladen worden, so die IG. Das von der Bergregion Simmental Saanenland verfasste Protokoll liste eine Reihe von Aussagen von CEO Bruno Guggisberg auf, welche locker dementiert werden könnten und aufzeigten, dass «der selbst ernannte Spitalschliesser kaum eine Ahnung hat, was ein integriertes Versorgungsmodell, ein Gesundheitszentrum, eine Notfallstation oder ein Ambulatorium beinhalten muss», heisst es weiter.
IG: «Die Gesetzesmissachter sind in Aktion»
Vor zehn Jahren beschloss die Kantonsregierung per Dekret, dass die Spitäler Frutigen und Zweisimmen – auch wegen der grossen Abgelegenheit – als versorgungsnotwendige Spitäler weitergeführt werden müssen. Ein Dekret sei eine behördliche Verfügung, betont die IG. Diese sei bis heute für die beiden Spitäler in Zweisimmen und Frutigen nach wie vor rechtskräftig. «Dieses Dekret trat in Kraft, nachdem der Verwaltungsrat und die Spital STS AG seinerzeit schon mal versuchte, das Spital Zweisimmen zu schliessen, dies jedoch misslang. Nur widerwillig führte sie danach das Spital weiter. Viele Mitglieder der IG sind entsetzt, dass die Spital STS AG jetzt auf neue Weise die Spitalschliessung vorantreibt, obwohl gesetzeskonform eine Abstimmungsbeschwerde in Lauenen eingereicht wurde und solche Handlungen verboten sind», schreiben die Interessenvertreter. «Doch vor geraumer Zeit erfolgten bereits viele Kündigungen vom Spitalpersonal, da dieses ersucht wurde, neue Stellen zu suchen», behauptet die IG und beurteilt dies als klaren Gesetzesverstoss.
Das Unterlaufen der GSS-Abstimmungsgrundlagen
Doch nicht nur die Spital STS AG ist der IG ein Dorn im Auge, sondern auch die Alterswohnen STS AG. So heisst es in der Medienmitteilung: «Die Abstimmungsgrundlagen aus der ersten Abstimmung am 25. August wurden beibehalten. Inzwischen zog jedoch die Alterswohnen STS AG ihr Erweiterungsprojekt Alterswohnen plötzlich zurück – dies, obwohl die GSS ihr Spitalprojekt auf dieses Vorhaben abstimmte. Dieses vermutlich bewusst vorsätzliche Vorgehen der Alterswohnen STS AG kurz vor der Abstimmung bedeutete für die GSS ein Scheitern ihrer gemeinsamen Spital-Altersheim-Planung mit deren verwirrenden Folgen für die Abstimmung.» Die GSS AG habe zeitlich nicht mehr Klarheit schaffen können, um «dieses Verwirrspiel rechtzeitig zu entwirren, was letztlich zum schriftlichen Abstimmungs-Unentschieden bei der Gemeinde Lauenen führte». Die IG beurteilt: «Das Abstimmungsergebnis widerspiegelte ein noch nie dagewesenes Abstimmungsdesaster.» Trotzdem resultierte gesamthaft eine 75-Prozent-Zustimmung aus der ganzen Region für eine Neuaufgleisung durch die GSS – selbst oder durch einen neuen Spitalbetreiber geführt. «Dass ein Unentschieden aus der Kleinstgemeinde Lauenen die Schliessung des Spitals Zweisimmen bewirken soll, ist kaum zu glauben in einer Demokratie. Aber dadurch wurde die Versorgungsnotwendigkeit nicht aufgehoben und ist immer noch gültig.» Für die IG heisse dies: «Die Spital STS AG ist durch ihre Verkündigung der Spitalschliessung Zweisimmen ein klarer Gesetzesbrecher und dies wird von der Region als Kriegserklärung verstanden.»
Die Kantonsregierung und die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion hätten ihre Kontroll- und Aufsichtspflichten bei der Spital STS AG über Jahre nicht wahrgenommen und hätten nach der Abstimmung mit ihren sofort ausgerufenen Entscheiden eine fragwürdige Haltung gezeigt, so die IG.
Laut IG ist die Spital STS AG der «vorsätzliche Projekt-Killer»
«Mit dem Rückzug des Altersheim-Neubaus kurz vor den schriftlichen Gemeindeabstimmungen fuhr die Alterswohnen STS AG die GSS an die Wand», so die IG weiter. Zudem hätten die publizierten Abstimmungsunterlagen sowie die zuvor von der Gemeinde Gsteig teuer erstellte Gegendarstellung grosse Verwirrung vermittelt. Dies habe dazu geführt, dass eine grössere Gruppe der im Altersbereich tätigen Angestellten und deren Freunde sich plötzlich gegen die Gesamtintegration in das laufende GSS-Vorhaben gestellt hätten. «Diese grosse Gruppe der Alterswohnen STS AG bekam Angst, dass ihre goldenen Pfründe im Altersheim Zweisimmen womöglich gefährdet würden.»
IG verlangt Taten von Behördenvertretern
«Wir, die Bürger als Souverän und Chef obgenannter Organisationen verlangen auch von unseren gewählten Gemeindevertretern vollen Einsatz für den gesetzlichen Spitalerhalt. Auch von den Gemeindevertretern, welche sich leider zum Teil gegen das GSS-Vorhaben ausgesprochen haben», so die IG.
«Weiter bitten wir die ganze Bevölkerung, sich gegen die versagenden Organisationen zu wehren. Die ganze Region braucht jetzt Einigkeit. Es darf nicht sein, dass dadurch viele Arbeitsplätze vernichtet werden, Ausbildungsplätze verloren gehen und dadurch in der Region grosse Steuerausfälle entstehen. Wir haben ein Anrecht auf unsere regionale, Täler übergreifende Gesundheitsversorgung.» Die fmi Frutigen beweise es seit Jahrzehnten, wie man «prächtig» ein Spital führen könne. Die Spital STS AG aber beweise seit bald zwei Jahrzehnten, «wie ein vorsätzlich planender Spitalvernichter das einst brillant geführte Spital in Zweisimmen Gesetzes verstossend in den Ruin führt».
PD/JOP