Madame Frigo erhält oft Besuch und will noch mehr

  12.09.2022 Gesellschaft, Gesellschaft, Saanenland, Soziales, Familie

Seit Juni hat der Frauenverein Saanen an drei Standorten Kühlschränke hingestellt, mit dem Ziel, der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen. Wird das Angebot genutzt? Wir haben nachgefragt.

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Ein Blick in die Wohnung, neben sich die Koffer, und selbstbestätigend klopft man sich auf die Schulter: «Super, alles schön aufgeräumt. Ferien, ich komme!» Und plötzlich läuft es einem kalt den Rücken hinunter: Das Viererpack Erdbeerjoghurt und die frische rote Peperoni sitzen noch im Kühlschrank. Heute noch frisch, nach einer Woche Urlaub abgelaufen oder vergammelt. Seit Juni gibt es nun im Saanenland eine Lösung: die Kühlschränke von Madame Frigo, welche durch den Frauenverein Saanen betreut werden. An drei Standorten kann jeder seine Lebensmittel rund um die Uhr in den Kühlschrank stellen und auch jeder kann sich bedienen. Keine Mitgliedschaft, keine Kosten, nur ein gemeinsames Ziel: Der Lebensmittelverschwendung den Kampf ansagen – und sie bestenfalls besiegen.

Nach fast drei Monaten bilanziert Rosmarie Annen vom Frauenverein Saanen: «Das Angebot läuft gut, denn die Leute nutzen es. Wir freuen uns jedoch, wenn noch mehr Interessierte Gebrauch davon machen.» Pro Kühlschrank kümmern sich jeweils drei Vorstandsmitglieder des Frauenvereins um den Unterhalt. Der Arbeitsaufwand sei überschaubar, so Annen.

Nachfrage in Gstaad erfreulich
Das Projekt «Madame Frigo» wurde von zwei jungen Frauen in Bern gestartet und konnte bereits auf 100 Standorte in der ganzen Schweiz ausgeweitet werden. Die drei Kühlschränke im Saanenland reihen sich dort ein. «Der in Gstaad positionierte Kühlschrank wird am besten genutzt. Wir freuen uns, wenn die in Saanen und Schönried stehenden Kühlschränke noch mehr genutzt werden. Wir sind aber guter Dinge», so Annen. Denn das Echo sei durchaus positiv ausgefallen. Es sei dem Verein ein grosses Anliegen, dem Foodwaste entgegenzuwirken. So landet in der Schweiz ein Drittel der produzierten Lebensmittel – etwa 2,2 Millionen Tonnen – Jahr für Jahr im Abfall. Fast die Hälfte davon fällt in Privathaushalten an. Aber auch das Gewerbe, die Hotellerie und die Restaurants lädt der Frauenverein dazu ein, beim Projekt mitzumachen. «Wenn die Lebensmittel abgelaufen sind, dürfen die Unternehmen die Produkte nicht mehr verkaufen, obwohl sie zum Teil sicher noch lange geniessbar wären (siehe Kasten). Es wäre schade, wenn sie im Abfall landen würden», sagt Annen.

Nicht nur geben, sondern auch nehmen
Unverständlicherweise hätten manche Leute Berührungsängste oder würden gar Scham empfinden, sich bei den Kühlschränken zu bedienen. «Manche haben das Gefühl, dass sie nicht das Recht dazu hätten, Lebensmittel mitzunehmen, weil sie sich diese finanziell leisten können. Das ist eine falsche Schlussfolgerung. Die Hauptsache ist, dass die Lebensmittel gerettet und nicht weggeschmissen werden», erklärt Annen.

In Zukunft hofft der Verein, dass die Kühlschränke noch mehr Interessierte anziehen werden. Ein Tipp von Rosmarie Annen: «Wer jetzt gerade viele Äpfel ernten kann, welche nicht alle selbst verwertet werden können: Einfach in einen der Kühlschränke legen, jemand wird sich bestimmt freuen.»


INFOS ZUM PROJEKT

Erlaubt sind:
• Obst und Gemüse
• verschlossene Produkte, welche höchstens das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben
• nicht alkoholische Getränke
• Brot

Nicht erlaubt sind:
• frisches Fleisch und Fisch
• gekochte Lebensmittel
• geöffnete Produkte
• Produkte, bei denen das Verbrauchsdatum überschritten ist
• Alkohol

Wo stehen die Kühlschränke?
• Gstaad: beim Haupteingang des Kirchgemeindehauses
• Saanen: unter der Treppe beim Lebensmittelladen Schmid im Dorf
• Schönried: vis-à-vis dem Parkplatz Schulhaus, vor der Einstellhalle des alten Feuerwehrmagazins

Wer kann mitmachen?
Alle: Privathaushalte, Lebensmittelläden, Hotels und Restaurants

PD


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